das Altenpflegemagazin im Internet
www.altenpflegemagazin.de
Start Log-in Service Registrierung AGB+Datenschutz Suche / Stichwortindex Quiz Mobil Impressum

 

Version 2.05 - 2013

Standard "validierende Kommunikation"

 
Lange Jahre standen Pflegekräfte demenziellen Erkrankungen hilflos gegenüber. Weder der Verlust des Gedächtnisses noch der Zerfall der Persönlichkeit ließen sich aufhalten oder wenigstens verlangsamen. Das Konzept der "validierenden Kommunikation" ermöglicht es nun immerhin, eine Verbindung zum Demenzkranken zu erhalten und sein Entgleiten in die "Innenwelt" zu verzögern.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 


Standard "validierende Kommunikation"
Definition:
  • Die validierende Kommunikation ist eine Gesprächstechnik insbesondere für den Kontakt mit Demenz-Patienten. Die validierende Kommunikation belässt den Bewohner in seiner Lebenswelt und versucht nicht, ihn in die existierende Realität zurückzuholen. Pflegekräfte sollen die Gefühlswelt und die Motive der verwirrten Menschen akzeptieren ("to value", englisch = "wertschätzen") und somit eine Vertrauensbasis schaffen.
  • Die in unserer Einrichtung verwendete Form der Validation basiert auf der Forschung von Naomi Feil. Wir haben das Konzept jedoch im Detail an unsere Bedürfnisse angepasst.
  • Um Bewohner unterschiedlicher Krankheitsstadien angemessen betreuen zu können, unterscheiden wir vier Stufen der Desorientierung:
    • Stadium 1: Bewohner in diesem Stadium leiden zunächst nur unter geringen Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses. Sie können klar kommunizieren, lesen und schreiben. Sie sind in der Lage, sich weitgehend selbst zu versorgen. Häufig leiden diese Bewohner unter der Angst, die Kontrolle über ihre Körperfunktionen zu verlieren. Sie fürchten Veränderungen und klammern sich an bewährten Problemlösungsstrategien fest. Gefühle werden verdrängt. Sie vermeiden Intimität und lehnen oftmals Berührungen ab. Gedächtnislücken werden durch Konfabulation ersetzt. Sind Gegenstände nicht auffindbar, werden Dritte des Diebstahls verdächtigt.
    • Stadium 2: Das Kurzzeitgedächtnis versagt immer häufiger, während das Langzeitgedächtnis intakt bleibt. Namen, Orte und Tageszeiten werden verwechselt. Beispiel: "Ist heute Dienstag oder Juni?". Persönlicher Besitz wird verlegt. Bewohner können nicht mehr leserlich schreiben und komplexe Sätze bilden. Die Sinne lassen nach, insbesondere das Hör-, Seh- und Tastvermögen. Soziale Konventionen verlieren an Bedeutung. Betroffene suchen oft nach Körperkontakt. Emotionen, die noch im ersten Stadium unterdrückt wurden, brechen jetzt wieder hervor. Die Impuls- und die Triebkontrolle gehen verloren.
    • Stadium 3: Der Bewohner führt ständig sich wiederholende Bewegungen aus, etwa rhythmische Schaukelbewegungen. Er schottet sich von seiner Umwelt ab, die Augen sind meist geschlossen. Ein Zeitgefühl gibt es nicht mehr. Ebenso fehlt die Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren wie Wut, Scham oder Sexualität. Das Sprachvermögen ist einem Wohlgefühl gewichen, das durch Singsang, kindliches "Gebrabbel", Summen oder Schnalzen ausgedrückt wird. Spätestens in diesem Stadium kommt es zur Harn- und zur Stuhlinkontinenz.
    • Stadium 4: Pflegekräfte und selbst enge Angehörige werden nicht mehr erkannt. Der Bewohner zeigt keinen Antrieb mehr und bewegt sich selten. Die Muskeln sind schlaff. Erkrankte verbringen ihre Zeit damit, im Sessel zu sitzen oder in embryonaler Haltung im Bett zu liegen.
  • Die Grenzen zwischen diesen Stadien sind fließend. Insbesondere können Bewohner je nach Tageskonstitution zwischen verschiedenen Stadien wechseln.
Grundsätze:
  • Validierende Kommunikation ist keine Heilmethode, sondern ein Konzept für die menschenwürdige Begleitung von demenziell erkrankten Senioren.
  • Wir akzeptieren unsere verwirrten Bewohner vorbehaltlos. Wir versuchen nicht, sie zu ändern.
  • Im Gegensatz zu anderen Validationsverfahren versuchen wir nicht, unausgetragene Konflikte aus der Vergangenheit des Bewohners zu identifizieren und aufzulösen. Wir glauben auch nicht, dass solche Konflikte ursächlich für den Rückzug in eine "innere Welt" sind.
  • Der Rückzug in die Vergangenheit kann für den Bewohner angenehme Aspekte haben, die sein Leben erträglich machen. Der Bewohner begreift die Vergangenheit als einen Ort, wo er produktiv, gesund, sicher und geliebt ist.
  • Wir arbeiten eng mit den behandelnden Ärzten und den Angehörigen zusammen.
  • Realitäts-Orientierungs-Training ("ROT") und Validation sind gegensätzliche Betreuungsansätze. Wenn ein Bewohner mittels ROT gefördert wird, vermeiden wir gegensätzliche Maßnahmen, die der Validation zugerechnet werden.
Ziele:
  • Wir geben unseren Bewohnern die Gewissheit, dass wir ihre Gefühle für wahr und wertvoll halten.
  • Wir schützen die Würde der Bewohner.
  • Wir steigern das Selbstwertgefühl der Bewohner.
  • Wir verbessern die verbale und die nonverbale Kommunikation.
  • Die Stressbelastung unserer Bewohner wird reduziert.
  • Die Vergabe von Sedativa wird auf ein Mindestmaß reduziert.
  • Der Rückzug des Bewohners in eine "innere Welt" wird verzögert.
  • Der Bewohner kann in Frieden mit sich und der Welt sterben.
Vorbereitung: Indikation / Kontraindikation
  • Wir prüfen zunächst, ob eine Anwendung der validierenden Kommunikation in Betracht kommt. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn aufgrund der hirnorganischen Veränderungen die kognitiven Fähigkeiten nachlassen.
  • Der Bewohner zieht sich aus der Realität zurück und sucht Rückhalt in der Vergangenheit.
  • Der Bewohner zeigt Rollenverhalten, das aus der Vergangenheit zu kommen scheint.
  • Das logische Denkvermögen ist spürbar gestört.
  • Verhaltensmuster werden starrer. Der Bewohner spricht auf Verhaltenstherapie nicht an.
  • Es gibt verschiedene Krankheitsbilder, bei denen die Anwendung der validierenden Kommunikation i.d.R. nicht sinnvoll ist:
  • Depressionen
  • Apoplexie
  • Hirntraumata, etwa nach einem Sturz
  • sowie alle anderen Erkrankungen, die zwar die Kommunikationsfähigkeit, nicht aber die Orientierung beeinträchtigen
organisatorische Vorbereitung
  • Wir prüfen, welche Mitarbeiter für die validierende Kommunikation geeignet sind. Diese werden entsprechend fortgebildet. Voraussetzungen sind besondere empathische Fähigkeiten aber auch ein großes Maß an innerer Ausgeglichenheit.
  • Validation ist nicht allein Aufgabe von Pflegekräften. Die Grundlagen sollten allen Berufsgruppen bekannt sein, die Kontakt zum Bewohner haben.
  • Wir beschaffen uns alle Materialien, die für die validierende Kommunikation notwendig sind, wie etwa CDs mit alten Liedern.
Bewohner bezogene Vorbereitung
  • Im Teamgespräch prüfen wir, wie weit die Demenz bei jedem Bewohner fortgeschritten ist. Die Einteilung der Bewohner in die entsprechenden Stadien sollte sorgfältig vorgenommen werden. Betroffene können verärgert reagieren, wenn Maßnahmen genutzt werden, die nicht dem Schweregrad ihrer demenziellen Erkrankung entsprechen.
  • Die Daten zur Biografie des Bewohners werden auf Informationen überprüft, die für die validierende Kommunikation relevant sind (etwa das Verhältnis zu den Eltern, Kinderzahl, Beruf, Hobbys). Wir suchen den Kontakt zu den Angehörigen, um Lücken in der Biografie zu schließen.
Durchführung: Wir nutzen verschiedene Validationstechniken.
Nutzung eindeutiger Worte
(Stadium 1)
  • Fragen nach Tatsachen sind für Demenzkranke einfacher zu beantworten als Fragen nach Gründen für Handlungen. Angemessen sind also die sog. "W-Fragen". Also: "Wer? Wie? Was? Wann? Wo?"
    • "Wie sieht die Brosche aus, die Sie verloren haben?"
    • "Wer hat Ihnen die Uhr gestohlen?"
    • "Was haben Sie gehört?"
    • "Wo steht Ihr Rollstuhl?"
    • "Wann waren Sie zuletzt auf der Toilette?"
  • Bevorzugt sollten auch Fragen gestellt werden, die sich mit "ja" oder mit "nein" beantworten lassen.
  • Wir vermeiden "Warum-Fragen". Fragen nach dem Wieso und dem Warum beinhalten eine emotionelle Komponente. Demenziell Erkrankte hingegen versuchen häufig, Gefühle zu verdrängen. Zudem reagieren sie negativ auf alle Botschaften, die sie unter Rechtfertigungsdruck setzen könnten. Es besteht dann stets das Risiko, dass sich ein Bewohner in sein Innerstes zurückzieht. Nicht angemessene Fragen wären:
    • "Warum glauben Sie, dass Herr Maier Ihre Uhr gestohlen haben soll?"
    • "Warum stellen Sie Ihren Rollstuhl mitten in den Flur?"
  • Der Fragestil sollte sachlich bleiben, da nur so der Bewohner den Eindruck gewinnen kann, ernst genommen und respektvoll behandelt zu werden. Es ist überdies wichtig, ruhig zu sprechen, da sich dieses auch beruhigend auf den Bewohner auswirkt.
wiederholen und umformulieren von Botschaften
(Stadium 1)
  • Die Pflegekraft wiederholt die Worte des Bewohners und formuliert diese um. Soweit möglich sollten die gleichen Schlüsselworte und eine ähnliche Sprachmelodie genutzt werden.
  • Der Bewohner sollte spüren, dass die Pflegekraft am Gesagten interessiert ist und Mitgefühl hat. Für viele Erkrankte ist es ermutigend zu erfahren, dass das Gegenüber die Botschaft verstanden hat und sich damit beschäftigt.
ansprechen des bevorzugten Sinnesorgans (Stadium 1)
  • Wie die meisten gesunden Menschen haben auch dementiell erkrankte Bewohner ein bevorzugtes Sinnesorgan. Es gibt also gewissermaßen "Hörmenschen", "Sehmenschen", "Spürmenschen" usw. Wenn also ein Bewohner von einem Klassikkonzert im Radio schwärmt und besonders aktiv im Singkreis mitarbeitet, ist er ein "Hörmensch". Eine Bewohnerin, die eine Pflegekraft nach der Marke ihres Parfüms fragt und sich am Duft der Blumen im einrichtungseigenen Garten erfreut, ist wahrscheinlich ein "Riechmensch".
  • Die Pflegekraft sollte im Gespräch auf diese Sinne abzielen und den Bewohner nach entsprechenden Eindrücken befragen. Also: "Wie hat das Essen geschmeckt?", "Wie gefällt Ihnen das neue Bild im Flur des Wohnbereiches?"
setzen von
Extremen (Stadium 1)
  • Diese Technik soll dem Bewohner helfen, seine Gefühle extremer auszudrücken. Wenn etwa ein Bewohner mit dem Mittagessen nicht zufrieden war, fordert die Pflegekraft ihn auf, sich an das schlimmste Mittagessen zu erinnern, das er jemals im Leben zu sich genommen hat.
vorstellen des Gegenteils
(Stadium 1)
  • Diese Technik kann ebenfalls hilfreich sein, wenn der Bewohner mit seiner Situation unzufrieden ist. Die Pflegekraft fordert in einer solchen Situation den Bewohner auf, sich das genaue Gegenteil des Problems vorzustellen. Möglicherweise kann sich der Bewohner an eine Lösungsstrategie erinnern, die in seiner Vergangenheit erfolgreich war.
  • Beispiel: Eine Bewohnerin ist mit der Betreuung durch eines "Bufdis" (Bundesfreiwilligendienst) unzufrieden. Durch das Vorstellen des Gegenteils könnte die Pflegekraft erfahren, dass sich die Bewohnerin im letzten Jahr besser betreut fühlte, als eine Absolventin des freiwilligen sozialen Jahres in der Einrichtung tätig war. Dieses wäre ein Anzeichen, dass die Bewohnerin unterbewusst Vorbehalte gegen andersgeschlechtliche Pflegepersonen hat.
  • Noch ein Beispiel: Ein Bewohner ist traurig. Die Pflegekraft fragt den Bewohner, ob es in seinem Leben gar nichts Schönes mehr gäbe, auf das er sich freuen würde. In der Regel kann nun ein aufmunterndes Thema gefunden werden.
Erinnerungen
wecken (Stadium 1)
  • Auch diese Technik soll es dem Bewohner ermöglichen, verschüttete Problemlösungsstrategien wieder zu aktivieren.
  • Beispiel: Ein Bewohner streitet sich häufig mit seinem Sohn, der in der Folge immer seltener zu Besuch kommt. Die Pflegekraft fragt nun gezielt: "War das Verhältnis schon immer so schlecht?" Der Bewohner könnte nun erkennen, dass die Beziehung besser war, bevor sich der Sohn scheiden ließ, was den religiösen Ansichten des Bewohners widersprach. An diesem Konfliktpunkt könnten beide Seiten nun arbeiten.
Mehrdeutigkeit / Pronomen
(Stadium 2)
  • Im weiteren Verlauf der demenziellen Erkrankung verlieren Bewohner häufig die Fähigkeit, logisch sinnvolle Sätze zu bilden. Zudem kommt es zu unverständlichen Wortkreationen.
  • Die Wahl von mehrdeutigen "Pronomen" ("er", "sie", "es", "jemand", "etwas"), erlaubt es Pflegekräften mit Erkrankten zu kommunizieren, ohne den Sinn der Botschaft vollständig verstehen zu müssen.
  • Beispiel: Eine Seniorin verdächtigt eine Person, ihr Baby entführt zu haben. Die Pflegekraft kann aber den Namen nicht verstehen und glaubt auch nicht, dass eine reale Person gemeint ist. Durch Pronomen "er" oder "jemand" kann sie nun dieses Thema mit der Seniorin besprechen.
Eindeutigkeit bei Fragen (Stadium 2)
  • Wir stellen klare, kurze und eindeutige Fragen, die nur eine Option enthalten. Schlecht ist die Frage: "Möchten Sie Wasser, Brause oder Saft trinken?" Besser ist es, die Alternativen nacheinander abzufragen; die wahrscheinlichste Wahlmöglichkeit zuerst.
Anpassen an die Gefühlslage (Stadium 2)
  • Die Stimmungslage von demenziell erkrankten Senioren kann sich schnell ändern. Es ist daher wichtig, die Mimik und die Gestik eines Senioren richtig zu deuten. Die Pflegekraft passt ihr Kommunikationsverhalten immer wieder an die emotionale Verfassung des Bewohners an.
Zeigen und Pantomime (Stadium 2)
  • Ab einer mittelgradigen Demenz verlieren viele Betroffene die Begriffszuordnung für Körperteile. Dieses erschwert die Beteiligung des Bewohners z.B. an der Grundpflege. Die Pflegekraft zeigt stattdessen auf das Körperteil, das als nächstes zu waschen oder zu versorgen ist. Wenn der Bewohner nicht versteht, dass er sich z.B. unter den Achseln waschen soll, kann die Pflegekraft dieses pantomimisch am eigenen Körper andeuten bzw. vormachen.
Berührungen
(Stadium 2)
  • Die Scheu vor Berührungen, wie sie im ersten Stadium vorherrscht, legt sich zumeist beim weiteren Fortschreiten der Demenz. Bewohner sprechen zunehmend auf Berührungen an. Berührungen in Kombination mit einer ruhigen Stimme wecken

    +++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++





 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Validation; Kommunikation, validierende; Demenz
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.