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Version 2.12a - 2015

Standard "herausforderndes Verhalten"

 
Allzu oft wird enthemmtes Verhalten als unabänderliche Folge des hirnorganischen Abbaus gewertet - und hingenommen. Damit ist jedoch weder dem Senioren geholfen noch seinem Umfeld, das unter dessen Auftreten leidet. Wie aber sollen Pflegekräfte reagieren, wenn Demenzkranke von fremden Tellern essen oder in der Öffentlichkeit die Hose runterlassen? Unser Standard fasst den aktuellen Wissensstand zusammen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "herausforderndes Verhalten"
Definition:
  • Der Begriff "herausforderndes Verhalten" beschreibt wiederkehrende Verhaltensweisen, die vom sozialen Umfeld als unangepasst und als nicht situationsgerecht empfunden werden.
  • Typischerweise zählen zu diesen Verhaltensweisen:
    • Agitation, Aggression
    • Reizbarkeit
    • Apathie
    • Depression
    • Ängstlichkeit
    • Wahnvorstellungen und Halluzinationen
    • Weglauftendenz
    • Enthemmung
    • Euphorie
    • ständiges Rufen
  • Dieses Verhalten endet zumeist erst im Endstadium einer Demenz.
Grundsätze:
  • Herausforderndes Verhalten wird von uns nicht tabuisiert.
  • Auch Bewohner mit diesem Verhalten sind wertvolle Mitglieder unserer Hausgemeinschaft.
  • Unsere Möglichkeiten zur Betreuung von Bewohnern mit herausforderndem Verhalten sind begrenzt. Wenn unsere Mittel nicht reichen, prüfen wir eine Überstellung des Bewohners an einen spezialisierten Wohnbereich für Demenzkranke innerhalb oder außerhalb unserer Einrichtung. Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kranke die Lebensqualität seiner Mitbewohner unerträglich einschränkt.
Ziele:
  • Wir vermeiden Situationen, in denen der demente Pflegebedürftige anderen Bewohnern das Essen vom Teller nehmen kann.
  • Übergriffe auf Mitbewohner und auf Pflegekräfte werden vermieden.
  • Der Bewohner wird wieder in die Gemeinschaft integriert.
  • Der Bewohner bewahrt seine eigene Intimsphäre und respektiert die der anderen.
Vorbereitung: Allgemeine Maßnahmen
Wir setzen konsequent auf das System der Bezugspflege.
Wir erstellen eine Bewohnerbiografie und überprüfen, welche Rückschlüsse daraus gezogen werden können.
Im Umgang mit dem Bewohner bleiben wir stets ruhig. Lautstarke Vorwürfe werden dessen Verhalten nicht verbessern.
Die Reaktionen auf enthemmtes Verhalten sollten sorgfältig überlegt werden. Wenn Pflegekräfte entsetzt oder angeekelt reagieren, wird sich der Bewohner gekränkt und zurückgewiesen fühlen.
Soweit möglich statten wir das Zimmer des Bewohners mit vertrauten Gegenständen aus, also insbesondere eigenen Fotos, eigenen Teppichen oder kleinen Möbelstücken aus der ehemaligen Wohnung des Bewohners.
Wir beziehen in die Pflege und Betreuung andere Berufsgruppen ein, etwa Ergotherapeuten, Krankengymnasten oder Logopäden.
Wir setzen verschiedene Assessments ein, um die Ursachen für das herausfordernde Verhalten zu finden, etwa ein Schmerzassessment oder ein Wohlfühlassessment bei Demenzkranken u.ä.

Durchführung: Nutzung von fremdem Eigentum
Wir prüfen, welche Auslöser für das Verhalten infrage kommen, etwa:
  • Verwirrtheitszustände, z.B. als Folge eines Schlaganfalls
  • Personenverkennung (Personen werden verwechselt und für Angehörige gehalten)
  • Schädelhirn-Trauma
  • demenzielle Erkrankung
  • Suchterkrankung (Alkohol, Medikamente, Drogen usw.)
  • Streit mit Zimmergenossen
Maßnahmen:
  • Wir erklären dem Bewohner nachdrücklich, warum er fremde Gegenstände nicht ungefragt nutzen darf. Eine Verhaltensänderung ist aber erst langfristig zu erwarten. (Bei fortgeschrittenen Demenzen sind Pflegebedürftige durch Argumente nicht mehr erreichbar. Deshalb existieren Konzepte für Demenzkranke, die auf persönliches Eigentum der Bewohner verzichten. Dort wird etwa toleriert, dass verwirrte Senioren Kleidung von anderen Bewohnern tragen dürfen.)
  • Wir bitten Mitbewohner, sorgfältig auf eigene Wertgegenstände zu achten. Diese sollten entweder im Zimmer verschlossen werden oder von uns aufbewahrt werden.
  • Wir bitten bei Mitbewohnern um Verständnis für das Verhalten des Bewohners. Wir schützen diesen konsequent vor ggf. gewalttätigen Reaktionen seines Umfelds nach "Diebstählen".
Unkontrolliertes Essverhalten
Wir prüfen, welche Auslöser für das Verhalten infrage kommen, etwa:
  • Unterzuckerung
  • Überfunktion der Schilddrüse
  • Einnahme von Psychopharmaka
  • manische Erkrankung
  • Suchterkrankung (Alkohol, Medikamente, Drogen usw.)
  • Angst zu verhungern (etwa als Folge von Kriegs-/Kindheitserinnerungen)
  • fehlendes Sättigungsgefühl
Maßnahmen:
  • Der Bewohner wird ggf. beim Essen von geeignetem Personal beaufsichtigt. Wenn sich der Bewohner von fremden Tellern bedienen möchte, greifen wir umgehend ein und schützen den Mitbewohner.
  • Wir versuchen, dem Bewohner zu verdeutlichen, dass er ausreichend zu essen bekommen wird.
  • Wir prüfen, ob das Verhalten abhängig vom jeweiligen Tischnachbarn ist. Ggf. wird die Sitzordnung angepasst.
Rufende, schreiende, klammernde und nachlaufende Bewohner
Wir prüfen, welche Auslöser für das Verhalten infrage kommen, etwa:
  • Schmerzzustände beim Bewohner
  • Bedürfnisse, die der Bewohner gerade hat:
  • unbequeme Lage
  • Langeweile
  • Angst
  • Harn- oder Stuhldrang
  • Hunger / Durst
  • bei rauchenden Bewohnern Lust auf eine Zigarette
  • Verwirrtheitszustände, etwa als Folge eines Schlaganfalls
  • Personenverkennung (Personen werden verwechselt und für Angehörige gehalten)
  • demenzielle Erkrankung
  • Suchterkrankung (Alkohol, Medikamente, Drogen usw.)
Maßnahmen:
  • Wir erfüllen (soweit möglich) die o.g. Bedürfnisse zeitnah und bauen so ein Vertrauensverhältnis auf.
  • Wir geben vermehrte körperliche Zuwendung bei Angst oder Einsamkeit in Form von Berührungen, Massagen, basale Stimulation und Snoezelen.
  • Wir bieten dem Bewohner vermehrt Einzelbetreuung an.
  • Wir verteilen die Belastung auf mehrere Pflegekräfte und Betreuungspersonen.
Sexuelle Enthemmung
Wir prüfen, welche Auslöser für das Verhalten infrage kommen, etwa:
  • eingeschränkte Impulskontrolle nach einem Schlaganfall
  • Demenz, insbesondere Korsakow-Syndrom
  • Deprivation, etwa als Folge von Immobilität
  • Nebenwirkungen von Medikamenten, insbesondere Benzodiazepinderivate
Maßnahmen:
  • Wir klären im Team, wo wir die Grenzen setzen. Wir definieren einheitlich, welche verbalen Äußerungen wir hinnehmen und wann wir den Bewohner zurechtweisen.
  • Wir dokumentieren genau, in welchen Formen die sexuelle Enthemmung auftritt. Etwa:
  • öffentliche Entblößung
  • Selbstbefriedigung in der Öffentlichkeit
  • Aufforderung an Mitbewohner oder Mitarbeiter, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen
  • sexuelle Übergriffe auf Pflegekräfte, z.B. Anfassen der Brust
  • Im persönlichen Dialog versuchen wir, dem Bewohner zu verdeutlichen, wie sein Verhalten auf andere wirkt.
  • Wir schaffen dem Bewohner individuelle Freiräume und Rückzugsmöglichkeiten. Wenn sich der Bewohner öffentlich selbst befriedigt, führen wir ihn in das Badezimmer. Er wird dort in Ruhe gelassen.
  • Alternativ kann in Absprache mit den Angehörigen oder mit dem Betreuer der Bewohner Besuch von einer Sexualbegleiterin erhalten.
  • Wir geben dem Bewohner die benötigte Zuwendung, achten aber gleichzeitig auf die richtige Distanz. Wenn der Bewohner in der Lage ist, seinen Intimbereich selbst zu waschen, wird ihm diese Aufgabe nicht abgenommen.
  • In vielen Fällen kann eine sinnvolle Beschäftigung von sexuellen Wünschen ablenken. Insbesondere kann der Bewohner durch körperliche Aktivität ausgelastet werden.
  • Ggf. wird die Zuordnung im Rahmen der Bezugspflege gewechselt. Wir achten dann z.B. auf gleichgeschlechtliche Pflegekräfte. Mitarbeiterinnen, die sich vom Bewohner bedroht fühlen, werden andere Aufgaben zugewiesen.
Enthemmung / Aggressionen nach Einnahme von Suchtstoffen
  • In vielen Fällen führt der Konsum von großen Mengen Alkohol, von Drogen oder von Medikamenten zu enthemmtem aggressiven Verhalten.

Maßnahmen:
  • Der Zustand und das Verhalten des Bewohners werden während des Rausches engmaschig überwacht. Insbesondere werden (soweit möglich) die Vitaldaten regelmäßig ermittelt, also Puls, Blutdruck und Bewusstseinszustand.
  • Wir achten darauf, dass Mitbewohner durch das respekt- und distanzlose Verhalten nicht unnötig belästigt werden.
  • Wir achten bei aggressivem Verhalten auf den Schutz Dritter und der eigenen Sicherheit.
  • Die Pflegekraft geht nicht auf die Beschimpfungen des Bewohners ein und behält die Ruhe. Sie kommuniziert empathisch und wertschätzend.
  • In dieser Situation droht die Pflegekraft nicht und macht ihm keine

    +++ Gekürzte Version. Das komplette Dokument finden Sie hier. +++


 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite Demenz; Enthemmung; Manie; Sucht; Alkohol; Korsakow-Syndrom; Deprivation; Sexualität
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