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Version 1.05 - 2016

Standard "Initialberührung"

 
Viele komatöse Senioren haben sich einen Rest an Wahrnehmungsvermögen bewahrt. Sie können sich also erschrecken, wenn plötzlich ein Verbandswechsel durchgeführt wird oder ein nasser Waschlappen über die Haut gleitet. Das Konzept der Initialberührung kann diesen Betroffenen helfen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Inititalberührung"
Definition:
  • In der westlichen Gesellschaft sind Begrüßungsberührungen ein allgemein akzeptierter Bestandteil der sozialen Interaktion. Zur Begrüßung reichen sich zwei Menschen die Hände. Sind beide Personen gut miteinander vertraut, so berühren sie sich an der Schulter oder an den Wangen.
  • An diese biografisch verankerten Konventionen knüpft das Konzept der Initialberührung an. Es dient dazu, auch solche Bewohner als Individuen in die Pflege einzubeziehen, die aufgrund ihrer Wahrnehmungsstörungen weder mittels Sprache noch per Gestik kommunizieren können. Es profitieren insbesondere solche Senioren, die in einem permanenten Stadium zwischen Schläfrigkeit und Wachheit gefangen sind.
  • Sobald ein Mitarbeiter einen Raum betritt, um eine Pflegemaßnahme durchzuführen, wird der Bewohner von ihm mit einer Initialberührung begrüßt. Der Bewohner weiß also, dass der Besuch ihm gilt und dass nachfolgend eine Pflegemaßnahme mit ihm durchgeführt werden soll. Auf gleiche Weise wird ihm auch der Abschluss der Maßnahme mitgeteilt.
  • Senioren, die nach schwerer Krankheit das Bewusstsein wiedererlangten, berichten häufig, dass ihnen die Initialberührung die Möglichkeit gab, sich mental auf die anstehenden und oft unangenehmen Pflegemaßnahmen vorzubereiten.
Grundsätze:
  • Rituale sind wichtig im Leben eines jeden Menschen. Sie vermitteln Sicherheit und erleichtern die Orientierung. Wenn die Initialberührung über Wochen und Monate durchgeführt wird, entwickelt sich auch daraus ein wertvolles Ritual.
  • Wir gehen davon aus, dass selbst bei schwer beeinträchtigten Senioren ein Rest an Wahrnehmungsvermögen vorhanden ist. Die Initialberührung wird daher ohne Ausnahme bei jedem bewusstseinseingetrübten Bewohner durchgeführt.
Ziele:
  • Der Bewohner bewahrt seine Identität. Er bleibt trotz der mentalen Einschränkungen eine Persönlichkeit mit eigenem Namen und Individualität.
  • Der Pflegebedürftige kann erkennen, dass der Besuch des Mitarbeiters ihm gilt. Er wird nicht von der geplanten Pflegemaßnahme überrascht. Er kann sich innerlich darauf vorbereiten.
  • Der Bewohner weiß, wann die Pflegemaßnahme zu Ende ist. Er kann sich nun wieder auf eine Ruhephase einstellen.
Vorbereitung:
  • Wir legen einen geeigneten Kontaktpunkt fest. Möglich sind die Schultern, die Ober- und Unterarme sowie die Hände. Der Hals und der Kopf sind nicht geeignet. Wir beachten Eigenheiten, die sich z.B. aus dem Kulturkreis ergeben. Nicht in jeder Gesellschaft ist z.B. ein Händedruck üblich. Wir beziehen daher Angehörige in die Überlegungen ein.
  • Die individuelle Durchführung der Initialberührung wird in der Pflegeplanung vermerkt.
  • Bei Senioren mit Halbseitenlähmung wählen wir einen Kontaktpunkt auf der weniger betroffenen Seite. (Hinweis: Noch vor einigen Jahren wurde in vielen Fachbüchern das Gegenteil empfohlen, also eine Berührung auf der mehr betroffenen Seite. Doch bei vielen Senioren mit einem Neclect löst diese Variante der Kontaktaufnahme Stress aus.)
  • Die Berührung sollte sanft sein. Spitze und bohrende Kontakte mit dem ausgestreckten Finger sind ungeeignet. Für den Bewohner sind diese Berührungen zumeist unangenehm und können Angst auslösen.
  • Überdies muss der Kontakt eindeutig sein. Eine Berührung auf der Schulter sollte daher für einige Sekunden aufrechterhalten bleiben. Eine nur angedeutete Berührung könnte den Bewohner verwirren.
  • Die Initialberührung sollte von allen Personen durchgeführt werden, die Maßnahmen am und mit dem Bewohner durchführen. Dazu zählen neben den Pflegekräften auch Therapeuten und Ärzte. Wir informieren alle beteiligten Berufsgruppen und bitten darum, eine einheitliche Initialberührung durchzuführen.
  • Wir bringen gut sichtbar ein Schild an, das die Initialberührung genau beschreibt. Beispiel:
    • Verbale Ansprache mit "Herr Müller".
    • Berühren mit der Handinnenfläche an der linken Schulter.
    • Der Bewohner antwortet zumeist mit einem Lächeln.
  • In vielen Fällen haben pflegende Angehörige und andere Familienmitglieder bereits über Jahre hinweg ein eigenes Begrüßungsritual entwickelt. Sie sollen dieses weiterführen und nicht unsere Initialberührung verwenden. Der Bewohner soll klar unterscheiden können zwischen einem privaten Besuch und einer anstehenden Pflegemaßnahme.
Durchführung:
  • Die Pflegekraft betritt den Raum. Sie stellt sich neben das Bett des Bewohners.
  • Sie begrüßt den Bewohner mit seinem Namen.

  • Die Pflegekraft führt parallel dazu die Initialberührung durch. Ggf. kann die Pflegekraft dann mit der Hand in Richtung des Körperbereichs gleiten, wo die nächste Pflegemaßnahme geplant ist. Beispiel: Sie wischt von der Schulter in Richtung Brustkorb, weil nun eine Einreibung vorgesehen ist.
  • Nun wird die Pflegemaßnahme durchgeführt, also etwa eine Ganzkörperwaschung oder ein Verbandswechsel. Der Bewohner wird dabei immer wieder verbal über einzelne Teilschritte informiert.
  • Bevor die Pflegekraft den Raum verlässt, verabschiedet sich die Pflegekraft vom Bewohner und spricht ihn dabei erneut mit seinem Namen an.
  • Gleichzeitig führt sie die Initialberührung durch und hält den Kontakt für einige Sekunden. Die Pflegekraft erhöht dann den Druck für einen Moment, beendet die Berührung und verlässt den Raum.
Nachbereitung:
  • Wir achten auf die Mimik und auf die Gestik. Falls die nonverbale Kommunikation des Bewohners darauf schließen lässt, dass dieser die Initialberührung ablehnt, wird eine andere Kontaktfläche gewählt.
  • In Rahmen von Fallbesprechungen wird regelmäßig thematisiert, wie der Bewohner auf die Initialberührung reagiert.
  • Wenn der Bewohner in ein Krankenhaus verlegt werden muss, werden die dortigen Mitarbeiter über die individuelle Initialberührung informiert. GGf. kann diese Information schon vorab im Überleitungsbogen dokumentiert werden, damit im Verlegungsstress diese Information nicht vergessen wird.
Dokumente:
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Pflegeüberleitungsbogen
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter.
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Demenz; Initialberührung
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.