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Version 1.09

Standard "Demenz / Schreien mit unbekannter Ursache"

 
Der Unterschied zwischen guter und schlechter Pflege zeigt sich beispielhaft im Umgang mit anscheinend grundlos schreienden Demenzpatienten. Option A: Der Senior wird so lange mit Benzodiazepinderivaten voll gepumpt, bis er Ruhe gibt. Option B zeigen wir Ihnen hier.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 
Standard "Demenz / Schreien mit unbekannter Ursache"
Definition:
  • Im Verlauf einer dementiellen Erkrankung zeigen Betroffene mehr und mehr Verhaltensauffälligkeiten, wie etwa zielloses Umherwandern, Wahnvorstellungen oder Halluzinationen. Ein weiteres Krankheitsbild ist anhaltendes, für uns grundloses Schreien.
  • In der Vergangenheit wurde dieses Verhalten in der Pflege vor allem mit Sedativa unterdrückt. Der Einsatz solcher Psychopharmaka erfordert jedoch immer die Zustimmung des Bewohners oder (bei fehlender Einwilligungsfähigkeit) die ärztliche Anordnung nebst richterlicher Genehmigung. Ein Verstoß gegen diese Vorgaben ist strafbar und führt zudem zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Grundsätze:
  • Der Einsatz von Sedativa kommt erst dann in Betracht, wenn alle anderen Optionen zuvor ausgeschöpft wurden.
  • Scheinbar grundloses Schreien wird von uns nicht tabuisiert.
  • Auch schreiende Bewohner sind wertvolle Mitglieder unserer Hausgemeinschaft.
Ziele:
  • Wir finden den Grund für das Schreien.
  • Der Bewohner schreit nicht mehr.
  • Der Bewohner kann sich sinnvoll beschäftigen.
  • Der Bewohner bleibt sozial integriert. Insbesondere bleibt der Kontakt zu Freunden und Angehörigen erhalten.
Vorbereitung: allgemeine Maßnahmen

  • Unser Personal wird regelmäßig weitergebildet, insbesondere auch zu dementiellen Krankheitsbildern.
  • Wir halten stets aktuelle Fachliteratur bereit.
  • Wir suchen frühzeitig den Kontakt zu Fachärzten mit dem Arbeitsschwerpunkt Demenz.
Ursachenforschung

Schreien kann verschiedene Gründe haben. Wir versuchen diese zu finden.
 
körperliche Auslöser:
  • Schmerzen
  • Hunger
  • Durst
  • Frieren
  • durchfeuchtete Vorlagen
  • Widerstand gegen Fixierungen
psychische Auslöser:
  • Angst, Hilferufe
  • Trauer
  • Erregung, Wut
  • Verfolgungswahn
  • Gefühl, von der Pflegekraft bei der Intimwäsche missbraucht zu werden. Dieses insbesondere bei Opfern sexueller Gewalt.
religiöse Auslöser
  • Klagen gegen Gott
  • Hilfeschrei nach Gott
soziale Auslöser
  • Einsamkeit
  • mangelnde positive Berührungen
  • Nachahmen von anderen Bewohnern, die ebenfalls schreien
  • Versuch, Aufmerksamkeit zu erreichen und Zuwendung zu erzwingen
Durchführung:
  • Wir setzen konsequent auf das System der Bezugspflege.
  • Wir prüfen die Notwendigkeit einer strikt gleichgeschlechtlichen Pflege.
  • Wir erstellen eine Bewohnerbiografie und überprüfen, welche Rückschlüsse daraus gezogen werden können.
    • Im Umgang mit dem Bewohner bleiben wir stets ruhig. Lautstarke Vorwürfe werden dessen Verhalten nicht verbessern.
    • Der Bewohner erhält Zuwendung, sobald er nicht mehr schreit. Wir verstärken damit „richtiges“ Verhalten. Wir führen dann etwa beruhigende Ganz- und Teilwaschungen durch. Ggf. wird der Bewohner massiert.
    • Wir suchen den Kontakt mit Angehörigen und bitten diese darum, den Bewohner häufiger zu besuchen.
    • Wir stellen den Kontakt zur Gemeinde her und bitten um den Besuch eines Geistlichen.
    • Sofern es in der Einrichtung Haustiere gibt, bringen wir diese mit dem Bewohner in Kontakt.
    • Der Bewohner wird für eine kurze Spazierfahrt in den Rollstuhl mobilisiert.
    • Wir setzen den Bewohner in einen Schaukelstuhl.
    • Wir spielen dem Bewohner Musik vor, von der wir wissen/glauben, dass er diese mag.
    • Wir bieten dem Bewohner Speisen oder Getränke an. Seine Vorlieben entnehmen wir der Pflegedokumentation.
    • Wir stellen sicher, dass das Hörgerät funktioniert und dass der Bewohner seine Brille trägt.
    • Die Vorlage wird auf Durchfeuchtung kontrolliert und ggf. gewechselt.
    • Wir passen die Raumtemperatur an.
    • Wir nutzen Duftöle.
  • Soweit möglich statten wir das Zimmer des Bewohners mit vertrauten Gegenständen aus, also insbesondere eigenen Fotos, eigenen Teppichen oder kleinen Möbelstücken aus der ehemaligen Wohnung des Bewohners.
    • In der Nacht lassen wir zumindest ein Dämmerlicht brennen.
    • Die Notwendigkeit einer eventuellen Fixierung wird kritisch hinterfragt. Wir prüfen, ob es sinnvolle Alternativen gibt.
    • Wenn es hinreichende Anzeichen für eine starke Schmerzbelastung gibt, bitten wir den Hausarzt um die Verschreibung wirksamer Analgetika.
    • Sofern keine andere Option mehr bleibt, prüfen wir die Notwendigkeit von Sedativa und Antidepressiva.
Nachbereitung:
  • Das Verhalten des Bewohners wird genau dokumentiert.
  • Wir nutzen Supervision, um die Kräfte unserer Pflegekräfte zu schonen und einen Burn-Out zu vermeiden.
  • Der behandelnde Arzt wird über alle relevanten Veränderungen umgehend informiert.
Dokumente:
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite Schreien; Demenz; Depression
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