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Version 2.05f - 2015

Standard "Obstipationsbehandlung - manuelle Ausräumung"

 
Bewegungsmangel, Missbrauch von Abführmitteln und vor allem unzureichende Flüssigkeitszufuhr führen bei Senioren häufig zur Obstipation. Wenn Einläufe und Klistiere nicht mehr wirken, bleibt zumeist nur noch das manuelle Ausräumen; eine Maßnahme, die nicht risikolos ist und daher für das QM-Handbuch standardisiert werden sollte.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Obstipationsbehandlung - manuelle Ausräumung"
Definition:
  • Wenn ein Bewohner längere Zeit unter einer Stuhlverstopfung leidet, kann es zu einer extremen Stuhlverhärtung kommen. Im Enddarm bilden sich dann sog. "Kotsteine". Diese haben die Größe von Kirschkernen und verlegen den Darmausgang.
  • Körperlich geschwächte Senioren sind ggf. nicht mehr in der Lage, die Kotsteine aus eigener Kraft auszuscheiden. Auch bei Bewohnern mit Querschnittlähmung, mit Multipler Sklerose sowie mit Paraplegie ist die manuelle Ausräumung ggf. notwendig.
  • Bei einer digitalen Ausräumung wird die Stuhlverstopfung beseitigt, indem die Pflegekraft ihren Zeige- oder Mittelfinger in den Enddarm eines Bewohners einführt.
  • Diese Form der Obstipationstherapie ist für den Pflegebedürftigen unangenehm und ggf. auch schmerzhaft. Es drohen überdies verschiedene Komplikationen:
    • Innere Hämorrhoiden können leicht mit Kotsteinen verwechselt werden. Manipulationen daran können massive Blutungen nach sich ziehen.
    • Ulzera und Tumore können perforieren.
  • Die Maßnahme wird auch "digitales Ausräumen" genannt ("digitus" = lat. für "Finger").
(Hinweis: Es gibt verschiedene Techniken. Eine Form der Durchführung basiert darauf, dass nur der Zeigefinger eingeführt wird. Bei anderen Varianten werden sowohl der Zeige- als auch der Mittelfinger genutzt.)
Grundsätze:
  • Die manuelle Ausräumung ist ein für den Bewohner meist entwürdigender Eingriff in die Intimsphäre und sollte daher immer nur das letzte mögliche Mittel zur Beseitigung der Obstipation darstellen.
  • Diese Maßnahme wird nur von sehr erfahrenen Pflegefachkräften durchgeführt.
Ziele:
  • Der Enddarm wird entleert.
  • Die Schmerzbelastung wird auf ein Mindestmaß reduziert.
  • Die Würde des Bewohners bleibt gewahrt.
  • Der Darm wird bei der Maßnahme nicht verletzt.
Vorbereitung: Indikationen / Kontraindikationen:
Indikationen
  • Der Stuhl ist sehr verhärtet. Der Bewohner ist nicht in der Lage, zu pressen.
  • Alle anderen Optionen im Rahmen der Obstipationsbehandlung waren erfolglos, insbesondere ein Darmeinlauf, ein Klistier und ein Microklist.
  • Der Arzt hat angeordnet, dass beim Vorliegen der o.g. Bedingungen der Bewohner manuell ausgeräumt werden soll.
Kontraindikationen:
  • Wir führen keine manuelle Ausräumung durch bei Enddarmtumoren, bei Darmblutungen oder bei einem unklaren Abdomen.
  • Die Frage, inwieweit Hämorrhoiden ein Ausschlusskriterium darstellen, ist umstritten.
allgemeine Vorbereitung
  • Die Fingernägel der Pflegekraft müssen sehr kurz geschnitten sein, da trotz des Einmalhandschuhs und des Fingerlings eine Verletzungsgefahr der Darmschleimhaut möglich ist.
  • Der Bewohner wird über die anstehende Maßnahme informiert. Dieses gilt auch bei bewusstlosen oder bei desorientierten Senioren. Der Bewohner wird befragt, ob er mit der Maßnahme einverstanden ist.
  • In einem Doppelzimmer wird ein Sichtschutz aufgebaut. Alternativ wird der Mitbewohner für die Zeit nach draußen gebeten.
  • Der Raum sollte angenehm geheizt sein.
Materialien
Folgende Materialien werden bereitgelegt:
  • Steckbecken oder Toilettenstuhl
  • ausreichend Zellstoff
  • flüssigkeitsdichte Unterlage als Bettschutz
  • Abwurfbehälter
  • 1 oder 2 Paar Einmalhandschuhe
  • 1 Schutzkittel
  • Vaseline
  • 1 Fingerling für den Zeigefinger
Durchführung:
  • Die Pflegekraft legt Schutzkleidung an.
  • Das Bett wird mit einer flüssigkeitsdichten Unterlage vor Verschmutzungen geschützt.
  • Der Bewohner wird auf die linke Seite gelagert. Er soll die Beine anziehen.
  • Die Pflegekraft führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Die Pflegekraft zieht Einmalhandschuhe an. Über den Zeigefinger wird ein Fingerling gelegt. Alternativ kann die Pflegekraft über diese Hand statt des Fingerlings einen zweiten Handschuh anziehen.
  • Sie trägt Gleitmittel (ggf. mit anästhesierender Wirkung) auf dem Zeigefinger auf.
  • Während der Durchführung erklärt die Pflegekraft dem Bewohner jeden Schritt, damit er sich auf die einzelnen Maßnahmen einstellen kann und sich nicht erschrickt. Der Bewohner soll ruhig durch den Mund ein- und ausatmen.
  • Die Pflegekraft hebt mit einer Hand eine Gesäßhälfte etwas an. Sie spreizt den Anus mit dem Daumen und mit dem Zeigefinger.
  • Sie führt den Zeigefinger langsam in den Enddarm ein. Der Fingerrücken sollte entlang der Wand des Rektums gleiten.
  • Während des Ausräumens kann die Pflegekraft eine Hand auf dem Bauch des Bewohners ablegen. Bei vielen Senioren führt das zur Entspannung der Bauchdecke.
  • Wenn der Bewohner über starke Schmerzen klagt, wird die Maßnahme abgebrochen. Die Pflegekraft informiert den behandelnden Arzt.
  • Die Pflegekraft bewegt den Finger kreisförmig um den verhärteten Kot herum; dieses immer entlang der Darmwand. Die Kotsteine werden auf diese Weise gelockert, ohne übermäßig viel Schmerzen zu provozieren.
  • Die Pflegekraft ertastet den harten Stuhl oder die Kotsteine. Durch das Krümmen der Finger sollte es nun möglich sein, die Kotsteine in Richtung Darmausgang zu drücken.
  • Die Pflegekraft entfernt die Kotsteine, streift sie am Zellstoff ab und entsorgt sie im Abwurfbehälter.
  • Bei Zurückziehen der Finger wird der Bewohner aufgefordert, zu pressen.
  • Die Pflegekraft achtet auf das Befinden des Bewohners. Es können Bradykardie und ein Kreislaufkollaps auftreten.
  • Der Vorgang wird so lange wiederholt, bis auch die Kotsteine aus dem oberen Darmbereich durch die einsetzende Peristaltik (Darmeigenbewegung) herausbefördert werden können.
  • Ggf. kann nun ein Darmeinlauf durchgeführt werden.
  • Der Bewohner wird danach auf das Steckbecken oder auf den Toilettenstuhl gesetzt. Die Ausscheidungen werden auf Blutbeimengungen überprüft.
  • Zum Abschluss wird der Analbereich gewaschen und mit Hautlotion eingecremt.
Nachbereitung:
  • Die Pflegekraft befragt den Bewohner nach seinem Befinden, bzw. achtet auf Reaktionen, auf Gestik und auf Mimik. Nach 15 Minuten wird der Bewohner erneut kurz aufgesucht und sein Zustand erfasst.
  • Der Bewohner wird bequem gelagert.
  • Die Hilfsmittel werden entsorgt.
  • Die Pflegekraft führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Wenn die Pflegekraft ungewöhnliche Beobachtungen macht, werden diese im Berichtsblatt vermerkt. Ggf. wird der Arzt informiert. Die Pflegemaßnahme wird im Leistungsnachweis dokumentiert.
  • Oftmals ist ein einmaliges Ausräumen nicht ausreichend. Die Maßnahme muss dann am Folgetag wiederholt werden.
  • Das Auftreten von Kotsteinen ist ein Indiz auf eine unzureichende Obstipationsprophylaxe. Die Bezugspflegekraft sollte daher die Pflegeplanung um entsprechende Vorsorgemaßnahmen ergänzen.
Dokumente:
  • Ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Leistungsnachweis
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkraft
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Obstipationsbehandlung; Ausräumung, manuelle; Einlauf; Klistier; Verstopfung; Kotverstopfung
Genereller Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden. Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.