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Version 2.05a - 2016

Standard "Pflege von Senioren mit Blähungen"

 
Permanente Blähungen sind wesentlich mehr als nur ein Geruchsproblem. Betroffene leiden oft unter Unsicherheit, unter Ausgrenzung sowie unter dauerhaftem Druckgefühl. Mit einer cleveren Behandlungsstrategie und ausgewählten Hausmitteln können Pflegekräfte das Übel spürbar lindern.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Blähungen"
Definition:
  • Der Begriff "Blähungen" fasst zwei Symptombilder zusammen: Ein gesteigerter Luft- oder Gasgehalt im Magen-Darm-Trakt wird als "Meteorismus" bezeichnet. Kommt es zu einem Abgang von Darmgasen, liegt eine "Flatulenz" vor.
  • Als normal gelten bis zu 20 Abgänge von Darmwinden pro Tag. Ist der Wert höher, kann dieses ein Zeichen für eine Gesundheitsstörung sein.
  • Darmwinde bestehen zu 90 Prozent aus Stickstoff. Weitere Bestandteile sind Wasserstoff, Kohlendioxid, Sauerstoff, Methan und verschiedene Spurengase. Verantwortlich für die Geruchsentwicklung sind Schwefelverbindungen.
  • Ursachen sind zumeist Unverträglichkeiten bestimmter Nahrungsmittel, Pilzinfektionen des Magen-Darm-Traktes sowie das Verschlucken von Luft als Folge hastiger Nahrungsaufnahme.
Grundsätze:
  • Blähungen können ein Frühwarnzeichen für ernste Erkrankungen sein. Falls sich die Blähungen intensivieren oder dauerhaft auftreten, raten wir dem Bewohner zu einer ärztlichen Kontrolle.
  • Eine medikamentöse Behandlung wird von uns erst dann angestrebt, wenn bekannte Hausmittel keine Wirkung zeigen.
Ziele:
  • Der Bewohner hat möglichst wenige Blähungen.
  • Der Bewohner fühlt sich wohl und hat keine Schmerzen.
  • Das soziale Leben des Bewohners bleibt intakt. Er fühlt sich nicht ausgegrenzt.
  • Auslösende Krankheiten werden erkannt und wirksam behandelt.
  • Der Bewohner kennt und meidet Nahrungsmittel, die bei ihm Blähungen verursachen.
Vorbereitung: Informationssammlung
Wir sammeln sämtliche Informationen, die für die Behandlung der Blähungen relevant sein könnten. Falls es zu einer medizinischen Behandlung kommt, stellen wir sicher, dass der Arzt über alle erforderlichen Fakten verfügt.
  • Gibt es bekannte Unverträglichkeiten bei Nahrungsmitteln, etwa eine Laktose- oder Fruktoseintoleranz?
  • Gab es vor kurzer Zeit eine Nahrungsumstellung auf ballaststoffreiche Kost?
  • Gibt es eine bekannte Erkrankung wie etwa:
    • Morbus Crohn
    • Colitis ulcerosa (Entzündung der Dickdarmschleimhaut)
    • Malassimilation (verminderte Nährstoffausnutzung)
    • Darmverlegung (Darmverschluss)
    • Leberzirrhose ("Schrumpfleber")
  • Seit wann leidet der Bewohner unter Blähungen?
  • Wie ernährt sich der Bewohner bislang? Liegt eine Fehlernährung vor?
  • Treibt der Bewohner Sport?
  • Musste sich der Bewohner in der Vergangenheit einem operativen Eingriff im Bauchraum unterziehen?
  • Leidet der Bewohner unter Schluckstörungen, die dazu führen, dass der Bewohner beim Essen zu viel Luft schluckt?
  • Hat der Bewohner Übergewicht oder Untergewicht?
  • Litt der Bewohner vor kurzer Zeit unter Infektionskrankheiten, die mit Antibiotika bekämpft wurden?
  • Sind Schädigungen des Herzkreislaufsystems bekannt? Also etwa Pfortaderhochdruck oder Rechtsherzinsuffizienz.
  • Sind die Blähungen mit weiteren Beeinträchtigungen verbunden? Dazu zählen etwa Abdominal- und Thoraxschmerzen, abdominales Spannungsgefühl, Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Appetitlosigkeit und Beeinträchtigungen der Verdauung.
  • Spürt der Bewohner Erleichterung, wenn die Gase abgesetzt werden?
Verzicht auf Nahrungsmittel, die häufig Blähungen auslösen
Der betroffene Bewohner sollte verschiedene Nahrungsmittel meiden:
  • Blähende Komponenten werden reduziert. Dazu zählen Kohlgemüse, Bohnen, verschiedene Pilze, Sojabohnen, Auberginen, Peperoni, Zwiebeln, Nüsse, Birnen, Pflaumen, Äpfel, Pfirsiche sowie Trauben.
  • Der Bewohner sollte den Konsum von stärkehaltigen Lebensmitteln begrenzen. Dazu zählen etwa Kartoffeln und Getreideprodukte. Tiefkühlprodukte werden vermieden, wenn diese große Mengen sog. "resistenter Stärke" enthalten.
  • Problematisch ist auch der Genuss von künstlichen Süßstoffen, die etwa in verschiedenen "Lightprodukten" zu finden sind.
  • Kohlensäurehaltige Getränke werden durch stilles Wasser ersetzt. Auch der Genuss von Bier sollte reduziert werden.
  • Stark blähende Speisen können ggf. mit Kümmel zubereitet werden.
  • Der Verzehr von zuckerhaltigen Speisen sollte minimiert werden, insbesondere wenn diese zusammen mit Vollkornprodukten gegessen werden.
Führen eines Ernährungstagebuchs
Wenn sich die Nahrungsmittelunverträglichkeit nicht genau zuordnen lässt, sollte der Betroffene ein Ernährungstagebuch führen.
  • Alle Nahrungsmittel, die der Bewohner zu sich nimmt, werden sorgfältig mit Datum, Uhrzeit und Menge dokumentiert.
  • Wenn Blähungen auftreten, kann der Kreis der auslösenden Nahrungsmittel Schritt für Schritt eingeschränkt werden.
  • Sofern die verdächtigen Nahrungsmittel für eine gesunde Ernährung nicht zwingend notwendig sind, werden diese in Zukunft vermieden.
Vorsorgemaßnahmen während des Essens
  • Der Bewohner sollte langsam essen und gut kauen (mindestens 15 Kaubewegungen pro Bissen).
  • Der Bewohner sollte nur kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen, dafür aber häufiger am Tag essen.
  • Der Bewohner sollte seine Speisen stets zur gleichen Zeit einnehmen. Es ist wichtig, dass er sich ausreichend Zeit zum Essen nimmt.
  • Der Bewohner sollte während des Essens nicht unnötig viel Flüssigkeit zu sich nehmen.
  • Ggf. kann es sinnvoll sein, die Kleidung zu lockern und vor allem den Gürtel weiter zu stellen.
Vorsorgemaßnahmen nach dem Essen
  • Der Bauch des Bewohners kann mit kreisenden Bewegungen in Richtung des Darmverlaufs (also im Uhrzeigersinn) mit Kümmel-Anis-Salbe eingerieben und massiert werden.
  • Ggf. kann der Bewohner eine Wärmflasche oder feuchtheiße Bauchwickel auflegen (Vorsicht bei Neuropathie!). Wärme fördert den Abgang von Darmgasen.
  • Der Bewohner sollte sich im Rahmen seiner körperlichen Fähigkeiten sportlich bewegen.
  • Wir raten dem Bewohner dazu, den Drang aufzustoßen oder Darmgase abzulassen, nicht zu unterdrücken.
  • Nikotin kann die Symptomatik intensivieren. Wir raten dem Bewohner daher dazu, auf den Zigarettengenuss zu verzichten.
  • Wir raten dem Bewohner von eigenmächtigen medikamentösen Selbstbehandlungen ab.
Durchführung: Hausmittel
Wir nutzen verschiedene Hausmittel, um Blähungen zu mildern:

Kümmel/Fenchel-Tee:
  • 1 EL Kümmel/Fenchel in die Tasse geben
  • kochendes Wasser hinzugeben
  • 20 Minuten ziehen lassen und dann abseihen
Anistee:
  • 1 gehäuften EL zerdrückte Anisfrüchte in eine große Tasse geben
  • 250 ml kochendes Wasser hinzugeben
  • 10 Minuten ziehen lassen
  • den lauwarmen Tee in kleinen Schlucken trinken
Melissentee:
  • 1 bis 3 EL Melissenblätter in eine Tasse geben
  • heißes Wasser hinzugeben
  • 10 bis 15 Minuten ziehen lassen und dann abseihen
medizinisch-pflegerische Maßnahmen
Gemeinsam mit dem Hausarzt prüfen wir, welche zusätzlichen Maßnahmen notwendig sind:
  • Wir legen auf ärztliche Anordnung ein Darmrohr, das etwa 5 bis 10 Zentimeter in den Enddarm eingeführt wird. Ein Darmrohr wird bevorzugt in der Linksseitenlage eingeführt. Es muss vor dem Einführen gut gleitfähig gemacht werden.
  • Wir führen Einläufe durch.
  • Der Bewohner erhält Medikamente mit entblähender Wirkung.
  • Wir nehmen eine Stuhlprobe für eine Laboruntersuchung.
Nachbereitung:
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert:
  • Wie äußert sich der Bewohner zu seinen Beschwerden?
  • Welche Wirkung zeigen die Medikamente, welche Nebenwirkungen werden verzeichnet?
  • Wie gut spricht der Bewohner auf die Wärmebehandlungen an?
  • Welche Einschränkungen treten auf?
  • Alle relevanten Veränderungen werden umgehend dem Hausarzt mitgeteilt.
  • Die Pflegeplanung wird regelmäßig aktualisiert und auf Umsetzbarkeit kontrolliert.
Dokumente:
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
  • Leistungsnachweis
  • ggf. Ernärungstagebuch
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Pflegefachkraft
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Blähungen; Verdauung; Darm; Flatulenz
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