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Version 3.05a - 2022

Standard "Pflege von Menschen mit HIV / AIDS" (stationäre Pflege)

 
Dank neuer AIDS-Medikamente ist das große Sterben der 80er- und 90er-Jahre vorbei. Heute können HIV-Patienten noch jahrzehntelang überleben. Mit der Lebenserwartung wachsen indes auch die Pflegeprobleme: Die Betroffenen leiden unter Nebenwirkungen, Sekundärerkrankungen und Depressionen. Die Pflegekräfte wiederum müssen mit strikten Hygienevorschriften vor einer Ansteckung geschützt werden.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.


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Standard "Pflege von Menschen mit HIV / AIDS" (stationäre Pflege)
Definition:
  • AIDS steht für "Acquired Immune Deficiency Syndrome", also ein erworbenes Immundefektsyndrom. AIDS wird durch das HI-Virus (HIV) ausgelöst. Dieses führt zu einer Abwehrschwäche und zu Sekundärinfektionen (auch opportunistische Infektionen genannt) sowie zu Tumoren.
  • Übertragen wird das HI-Virus durch Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma, Vaginalsekret usw. Als häufigste Infektionswege gelten Vaginal- oder Analverkehr ohne Verwendung von Kondomen, Oralverkehr und die Benutzung kontaminierter Spritzen beim intravenösen Drogenkonsum. Insbesondere homosexuelle Männer gelten als Risikogruppe, da häufige Partnerwechsel und Analverkehr in dieser Bevölkerungsgruppe vermehrt anzutreffen sind.
  • In Deutschland infizieren sich pro Jahr rund 2000 Menschen mit dem Virus. Die Anzahl der Infizierten liegt bei rund 90.000 Personen.
  • Die Einnahme von HIV-unterdrückenden Medikamenten und die Behandlung der Sekundärinfektionen können den Krankheitsverlauf deutlich verlangsamen. In Deutschland ist heute die Behandlungsstrategie "ART" üblich, eine "antiretrovirale Therapie" mit zumeist drei oder mehr Wirkstoffen gleichzeitig. Diese kann die Zahl der Viren im Blut deutlich senken. Eine Heilung ist jedoch derzeit nicht möglich.
  • Neun von zehn Infizierten erhalten in Deutschland derzeit eine solche Behandlung, die nahezu immer die gewünschten Erfolge zeigt. Die Anzahl der Todesfälle als Folge der Infektion ist daher auf unter 300 jährlich gesunken.
  • Mehr als bei jüngeren Generationen ist bei vielen Senioren das Thema HIV / AIDS mit unbegründeten Ängsten und Tabus verbunden. Der Grund liegt vor allem darin, dass die heutigen Senioren die Schrecken der 80er-Jahre sehr bewusst miterlebt haben, als eine regelrechte "Aids-Paranoia" die öffentliche Diskussion bestimmte. Die Angst vor sozialer Isolation innerhalb der gleichaltrigen Heimgemeinschaft ist also durchaus berechtigt.
  • Gleichzeitig jedoch sind alte Menschen bei sexuellen Aktivitäten erstaunlich sorglos und nutzen häufig keine Kondome.
Eine HIV-Infektion verläuft in drei Phasen:
  • Stadium 1 (asymptomatisches Stadium): Zwei bis sechs Wochen nach einer Infektion können Symptome wie Fieber, Nachtschweiß, Hautausschlag, vorübergehend geschwollene Lymphknoten, Übelkeit usw. auftreten. Diese werden jedoch häufig mit einer Grippe verwechselt und klingen rasch wieder ab. Danach bleibt der Infizierte meist über Jahre symptomfrei.
  • Stadium 2 bezeichnet die HIV-assoziierten Erkrankungen: In dieser Zeit vermehrt sich das Virus im Körper und schwächt bereits das Immunsystem. Erste Symptome treten auf, wie etwa starker Nachtschweiß, Gewichtsverlust, andauernde Lymphknotenschwellungen, Diarrhö, Fieber, Mund- und Rachensoor, orale Haarleukoplakie (weißliche, erhabene Beläge auf der Zunge, die sich nicht abstreifen lassen), Gürtelrose usw.
  • Stadium 3 bezeichnet die AIDS-definierten Erkrankungen: Das Vollbild von AIDS liegt vor. Beim HIV-Positiven werden opportunistische Infektionen festgestellt, die für den gesunden Menschen normalerweise nicht bedrohlich sind. Die Gewichtsabnahme (Wasting-Syndrom) beschleunigt sich. Es treten u. a. Krebserkrankungen (z. B. das Kaposi-Sarkom), Pneumonien, HIV-Enzephalopathie bis hin zur HIV-bedingten Demenz auf.
Bedeutung für die neue Qualitätsprüfung:
  • Pflegeheime sind dazu verpflichtet, nach allgemein anerkannten hygienischen Grundsätzen zu arbeiten. Die maßgebliche Instanz in Deutschland sind dafür das Robert-Koch-Institut (RKI) sowie dessen nachgelagerte Kommissionen.
Grundsätze:
  • Alter ist kein Schutz vor HIV. Auch ein betagter Mensch kann an dieser Infektionskrankheit leiden. Daraus folgt, dass im Umgang mit Senioren die gleiche Vorsicht geboten ist wie bei der Versorgung von 30- oder 40-Jährigen.
  • Wir legen Wert auf eine "normale" Behandlung des Bewohners. Eine Stigmatisierung von HIV-Infizierten dulden wir nicht.
  • Übertriebene Hygienemaßnahmen und Distanz zum infizierten Pflegebedürftigen diskriminieren ihn.
  • Wir enthalten uns konsequent jeder moralischen Wertung des Lebenswandels und insbesondere des Sexuallebens unserer Bewohner.
  • Wir beachten den Wunsch eines Pflegebedürftigen, die HIV-Infektion gegenüber Angehörigen und Mitbewohnern vertraulich zu behandeln. Die Geheimhaltung endet ggf., wenn ein infizierter Bewohner, z. B. durch fahrlässiges Sexualverhalten, andere Menschenleben gefährdet.
  • Die tägliche Routine darf nicht dazu führen, dass die Pflegekraft unvorsichtig oder nachlässig wird. Vor allem die sichere Durchführung von Injektionen erfordert jedes Mal aufs Neue höchste Konzentration.
Ziele:
  • Wir bemerken eine HIV-Infektion frühzeitig.
  • Der erkrankte Pflegebedürftige vermeidet alle Faktoren, die sein Immunsystem und seine Gesundheit schwächen.
  • Die Ausbreitung von HIV wird unterbunden. Mitarbeiter, Mitbewohner und Angehörige sind vor einer Infektion geschützt.
  • Den Verlauf von HIV-assoziierten Erkrankungen erfassen wir korrekt und helfen bei deren Therapie.
  • Infizierte Bewohner nehmen weiterhin am sozialen Leben innerhalb der Einrichtung teil. Jede Form der Ausgrenzung vermeiden wir.
  • Sterbende Bewohner erhalten bis zum Schluss eine menschenwürdige Betreuung.
Vorbereitung: Organisation
  • Wir halten stets ausreichend Schutzkleidung und Schutzausrüstung bereit.
  • Unsere Pflegekräfte werden regelmäßig zu den Themen Hygiene, Arbeitssicherheit und HIV fortgebildet.
  • Die korrekte und sichere Pflege von HIV-Infizierten ist Teil der Einarbeitung neuer Mitarbeiter.
  • Wir achten schon bei der Neueinstellung von Pflegekräften darauf, dass diese ein großes Maß an Toleranz gegenüber der Lebensweise schwuler Männer und Drogenabhängiger zeigen.
  • Wir beschäftigen einen Hygienebeauftragten.
  • Wir arbeiten eng mit Krankenhäusern und mit Ärzten zusammen, insbesondere in einrichtungsübergreifenden Projektgruppen.
  • Wir wissen jederzeit, welches Krankenhaus 24 Stunden pro Tag eine Postexpositionsprophylaxe anbietet.
  • Unser Qualitätszirkel beschäftigt sich regelmäßig mit Hygieneproblemen.
  • Wir halten unseren Hygieneplan stets auf dem aktuellen Stand.
  • Wir arbeiten eng mit anderen Institutionen und Vereinen zusammen, also insbesondere auch mit Beratungsstellen wie der Drogenhilfe, der AIDS-Hilfe und dem Gesundheitsamt. Bei homosexuellen Männern suchen wir den Kontakt mit Vereinen der örtlichen "Gay-Community" und prüfen, ob es hier Strukturen der Freiwilligenarbeit gibt; etwa für einen regelmäßigen Besuchsdienst.
  • Wir helfen dem Klienten bei der Suche nach einem geeigneten Hausarzt. Sehr häufig sind Ärzte nicht gewillt oder fachlich nicht in der Lage, eine angemessene medizinische Betreuung sicherzustellen.
Symptome einer Infektion
  • Wir sind sensibilisiert für die Krankheitszeichen einer HIV-Infektion. Wenn diese gehäuft auftreten und kein anderer plausibler Grund dafür zu finden ist, regen wir beim behandelnden Arzt einen entsprechenden Test an. Symptome sind:
    • grippeähnliche Erkrankungen mit Fieber
    • Gliederschmerzen
    • Entzündungen des Rachenraums
    • Magen-Darm-Erkrankungen
    • Schwellungen der Lymphknoten
    • ggf. Hautausschlag
    • wiederkehrende und therapieresistente Soorinfektionen
    • Herpes Zoster
    • länger anhaltende Durchfälle
(Hinweis: Ein HIV-Test darf nicht ohne Einwilligung des Pflegebedürftigen durchgeführt werden.)
  • Die Begleiterkrankungen bei HIV-positiven Senioren unterscheiden sich oftmals von der Symptomatik bei Jüngeren. Es ist zu rechnen mit:
    • Depressionen
    • Gelenkerkrankungen
    • Lebererkrankungen
    • Neuropathien
    • Bluthochdruck
    • Hautschädigungen
    • Infektionen mit Herpes
Durchführung: Schutz der Mitarbeiter und Dritter
  • Alle Pflegekräfte sind strikt angewiesen, jede Form des "recapping" (Wiederaufsetzen der Kunststoffhülle auf die Kanüle) zu unterlassen.
  • Für die Versorgung von HIV-Infizierten nutzen wir konsequent "sichere Instrumente", also etwa "Safety-Kanülen". Dieses auch, wenn mit höheren Kosten zu rechnen ist.
  • Scharfe oder spitze Gegenstände, die mit Blut oder mit anderen Körperflüssigkeiten in Kontakt gekommen sind, müssen gefahrlos entsorgt werden. Auch angetrocknetes Blut ist infektiös.
  • Eine hohe Gefahr geht von kontaminierten Instrumenten aus. Bei deren Reinigung erfolgt erst die Desinfektion und danach die mechanische Säuberung. Eine thermische Desinfektion ist einer chemischen Entkeimung vorzuziehen.
  • Im Fall einer Schnitt- oder Nadelstichverletzung wird der entsprechende Notfallstandard (Postexpositionsprophylaxe) ausgeführt.
(Hinweis: Die Details haben wir im Standard "Sofortmaßnahmen nach einer Nadelstichverletzung" beschrieben.)
  • Bei Kontakt mit möglicherweise virushaltigen Körperflüssigkeiten muss die Pflegekraft Schutzhandschuhe tragen. Wenn ein Kontakt mit virushaltigen Tröpfchen (Aerosole) möglich ist, verwenden wir zusätzlich Mundschutz und Schutzbrille. Dieses ist vor allem beim Absaugen zu beachten.
  • Bei Durchfällen und bei nässenden Wunden ist ein Schutzkittel zu tragen.
  • Vor dem Besuch bei dem Kranken und nach dem Ablegen der Einmalhandschuhe führt die Pflegekraft eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Beim Kontakt mit HIV-Infizierten dürfen ausschließlich die robusten Latex-Handschuhe verwendet werden. Falls eine Allergie gegen Latex besteht, sollte die Pflegekraft erst einen Handschuh aus einem alternativen Material (z. B. Vinyl) anziehen und darüber einen Latex-Handschuh tragen.
(Hinweis: Auf der anderen Seite ist eine übermäßige Nutzung von Schutzkleidung zu vermeiden. Wenn also etwa die Blutdruckmessung grundsätzlich mit Schutzhandschuhen erfolgt, wird sich der HIV-Infizierte diskriminiert fühlen.)
  • Wir legen allen Mitarbeitern dringend eine Hepatitis-B-Impfung nahe.
  • Wir achten besonders auf eine gute Hautpflege unserer Mitarbeiter, da durch Risse in der Haut infektiöses Material eindringen kann. Die Pflegekräfte sollten sich die Hände regelmäßig eincremen.
  • Weisen Pflegekräfte Verletzungen an den Händen oder an den Armen auf, werden sie für die Versorgung von HIV-positiven Senioren nicht eingesetzt.
  • Wenn Angehörige sich an der Pflege beteiligen, werden diese über die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen informiert.
  • Pflegeutensilien verwenden wir strikt bewohnerbezogen, vor allem Rasierer, Nagelscheren usw.
  • Bei der Neuaufnahme werden Bewohner ggf. befragt, ob sie den HI-Virus in sich tragen. Dieses ist vor allem dann sinnvoll, wenn wir anhand der Biografie eine hohe Gefährdung vermuten. Ggf. konsultieren wir den behandelnden Hausarzt.
(Hinweis: Das Risiko, dass ein Bewohner an HIV leidet, ist insgesamt eher gering. Dieses liegt vor allem daran, dass ein heute 85-Jähriger während der Hochphase der HIV-Neuinfektionen um 1990 mindestens 40 Jahre alt war. In diesem Lebensabschnitt ist ein häufiger Partnerwechsel eher die Ausnahme.  Von diesen Betroffenen ist zudem der größte Teil schon lange aufgrund der Krankheit verstorben. In den Folgejahren sanken die Infektionszahlen deutlich.)
  • Alle Pflegekräfte, die an der Versorgung des Bewohners beteiligt sind, werden über einen ggf. positiven Infektionsstatus informiert. Also auch Teilzeitkräfte und Aushilfen. Wir unterrichten zudem alle externen Partner, die im Rahmen ihrer Tätigkeit bei Unwissenheit einem erhöhten Risiko ausgesetzt wären. Also etwa medizinische Fußpfleger, Krankengymnasten usw.
  • Mitbewohner sowie Angehörige informieren wir nur nach vorheriger Erlaubnis durch den Pflegebedürftigen.
räumliche Maßnahmen und Organisation
  • Bei einer Infektion mit HIV ist ein Einzelzimmer nicht notwendig. Eine getrennte Unterbringung ist nur dann angezeigt, wenn sich als Folge der HIV-Infektion weitere Infektionskrankheiten einstellen, die eine Gefahr für das Umfeld sind; etwa eine offene Tuberkulose bei starkem Husten mit Auswurf.
  • Bei schweren Blutungen, großflächigen Wunden, massivem Durchfall und unzureichender Kooperation ist ebenfalls eine Isolierung des Bewohners zu prüfen.
  • Leidet der Pflegebedürftige phasenweise unter einer hochgradigen Abwehrschwäche, erwägen wir gemeinsam mit dem behandelnden Arzt die Notwendigkeit einer zeitweiligen Schutzisolierung.
  • Infizierte Pflegebedürftige können alle Gemeinschaftsräume nutzen. Dieses gilt nicht, wenn Bewohner sich verhaltensauffällig zeigen, also etwa beißen oder kratzen. Auch bei einer Blutungsneigung oder einer generalisierten Dermatitis ist Vorsicht geboten. In solchen Fällen nehmen wir Kontakt mit dem Hausarzt und dem Gesundheitsamt auf, um das weitere Vorgehen abzustimmen.
  • Die Tür zum Zimmer eines HIV-positiven Bewohners wird nicht mit einer Farbkodierung versehen. (Anders also, als es etwa bei MRSA, Noro oder Covid-19-Infektionen denkbar wäre.)
  • Material, das mit erregerhaltigem Blut oder Sekret in Kontakt gekommen ist, wird als infektiöser Müll gekennzeichnet und entsprechend entsorgt.
Pflegeschwerpunkte im 1. Stadium
  • Der Pflegebedürftige ist zunächst symptomfrei, benötigt aber Beistand und seelische Unterstützung. Wir nehmen uns daher stets ausreichend Zeit, um ein Gespräch mit dem Bewohner zu führen.
  • Außerdem vermitteln wir ggf. Kontakt zu einem Seelsorger oder zu Selbsthilfegruppen.
  • Wir ermutigen den Bewohner, den Kontakt zu Angehörigen und zu Freunden nicht abreißen zu lassen. Insbesondere sollte er an gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen.
  • Wir sorgen für einen regelmäßigen Tagesablauf und vor allem für ausreichend Schlaf. Stress kann das Immunsystem beeinträchtigen.
  • Wir achten auf eine ausgewogene Ernährung des Pflegebedürftigen. Zudem sollte er das Rauchen und den Alkoholgenuss einstellen.
  • Der Bewohner sollte sich im Rahmen seiner Fähigkeiten angemessen körperlich bewegen.
  • Er verzichtet auf ausgedehnte Sonnenbäder.
Pflegeschwerpunkte im 2. Stadium
  • Der Bewohner kann zunehmend unter allgemeiner Schwäche, Schwindelanfällen oder Verwirrtheit leiden. Dieses erhöht die Sturzgefahr. Wir setzen daher die Maßnahmen des Standards "Sturzprophylaxe" um.
  • Eine sorgfältige Mundpflege ist wichtig, um das Auftreten von Mundsoor zu verhindern. Wir inspizieren die Mundhöhle zweimal täglich mit einer Taschenlampe. Der Bewohner spült seinen Mundraum morgens und abends mit Myrrhentinktur aus. Zudem werden alle weiteren Maßnahmen der Soorprophylaxe und ggf. der Soortherapie umgesetzt.
  • Der Pflegebedürftige erhält Nahrung, die er auch bei Soorbefall im Mundraum schmerzarm schlucken kann, also insbesondere weiche oder passierte Kost. Falls notwendig, bieten wir ihm Trinknahrung an.
  • Wir ermitteln regelmäßig das Körpergewicht des Bewohners. Sinkt dieses zu stark ab, erörtern wir gemeinsam mit dem Arzt die Anlage einer PEG.
  • Falls notwendig, wird die Körpertemperatur des Bewohners engmaschig ermittelt. Wir bitten den Pflegebedürftigen, bei relevanten Symptomen eigenständig zu messen.
  • Das Abführverhalten des Bewohners überwachen wir sorgfältig und führen alle Prophylaxen durch. Bei Diarrhö oder Obstipation kommen die im entsprechenden Standard beschriebenen Maßnahmen zur Anwendung.
  • Bei einer Lymphknotenschwellung lagern wir die Arme und Beine entlastend. Ggf. erhält der Pflegebedürftige einen Kompressionsverband oder eine Lymphdrainage.
Pflegeschwerpunkte im 3. Stadium
  • Wir achten auf Anzeichen für eine Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie (früher Pneumocystis-carinii) wie etwa Fieber, Abgeschlagenheit, Atemnot bei Belastung und trockener Husten. Möglichst frühzeitig sollte eine Therapie mit Antibiotika durchgeführt werden. Pflegerisch ist eine Linderung der Atemnot anzustreben. Wir sorgen für Frischluftzufuhr und applizieren ggf. Sauerstoff. Falls notwendig, soll der Bewohner inhalieren oder wird abgesaugt.
  • Wir achten auf Symptome einer Toxoplasmose. Diese zeigt sich durch Lymphknotenschwellungen und Lymphdrüsenentzündungen, Fieber, Halsschmerzen sowie weitere grippeähnliche Symptome. In schweren Fällen kann eine Meningoenzephalitis auftreten, also eine kombinierte Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) und der Hirnhäute (Meningitis). Um eine Infektion zu vermeiden, sollte der Bewohner kein rohes oder ungenügend gekochtes Fleisch zu sich nehmen. Vorsicht ist beim Umgang mit Katzen (besonders Katzenkot) notwendig.
  • Wir achten auf Anzeichen für eine Infektion mit CMV (Cytomegalie-Virus). Eine Infektion kann zu Sehbehinderungen führen, insbesondere leuchtende Punkte im Gesichtsfeld oder verminderte Sehschärfe. Wenn eine Behandlung unterbleibt, kann der Pflegebedürftige erblinden.
  • Wir achten auf Symptome einer Herpes-Zoster-Infektion (Gürtelrose). Wegen der Immunschwäche kann diese Krankheit besonders schwer verlaufen. Eine Infektion führt zu Abgeschlagenheit und zu leichtem Fieber. Später wird ein entzündlicher Hautausschlag sichtbar. Therapiert wird die Krankheit mittels Virostatika. Wichtig ist eine gute Schmerzbehandlung. Betroffene Hautregionen werden nicht gewaschen, sondern trocken gehalten. Die Hautschädigungen behandeln wir gemäß den ärztlichen Vorgaben.
  • Wir stellen einen angemessenen Schutz vor sekundären Tumoren sicher. Dazu zählen insbesondere Zervix-Karzinome (Gebärmutterhalskrebs) und maligne Lymphome (Krebserkrankungen des Lymphsystems). Wir empfehlen unseren Bewohnern, ärztliche Vorsorgeuntersuchungen zu nutzen. Infizierte Frauen sollten regelmäßig einen Gynäkologen aufsuchen.
  • Wir achten auf Veränderungen, die für eine AIDS-Demenz sprechen, also etwa Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Antriebsminderung oder psychomotorische Verlangsamung.
  • Bei einer AIDS-Demenz setzen wir die Maßnahmen um, die auch bei einer Altersdemenz notwendig sind. Dazu zählen etwa die validierende Kommunikation, die Zehn-Minuten-Aktivierung oder auch die Linderung von Weglaufverhalten.
  • Im Krankheitsverlauf steigt das Dekubitusrisiko erheblich an. Der Bewohner ist in seiner Mobilität eingeschränkt. Die Wundheilung verläuft verlangsamt. Befindet sich im geschädigten Hautbereich ein Kaposi-Sarkom, so ist mit einer Besserung der Wundsituation zumeist nicht mehr zu rechnen. Aus diesem Grund intensivieren wir die Prophylaxemaßnahmen.
  • Pflegekräfte oder andere Besucher, die an einem Infekt (Influenza, Covid-19 usw.) leiden, dürfen das Zimmer des Bewohners nicht betreten. Sollte sich dieses nicht vermeiden lassen, ist eine FFP-2-Maske zu tragen.
  • Ggf. kontaminierte Gebrauchsgegenstände säubern wir mit einem herkömmlichen Desinfektionsmittel.
  • Verschüttetes Blut oder Körperausscheidungen wischen wir auf. Danach wird die Oberfläche desinfiziert.
  • Ggf. setzen wir die im Standard "Sterbebegleitung" beschriebenen Maßnahmen um.
Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapie
  • Wir achten auf die häufigsten Nebenwirkungen der antiretroviralen Therapie. Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt prüfen wir Strategien, um die Beeinträchtigungen zu minimieren.
    • Diarrhö und Übelkeit
    • periphere Polyneuropathie
    • Anämien
    • allergische Reaktionen auf einen der Wirkstoffe
    • Störungen der Leberfunktion
    • Bildung von Nierensteinen
    • Pankreatitis
    • Schlafstörungen; insbesondere Albträume
    • charakterliche Veränderungen
    • Depressionen und Psychosen
    • Umverteilung des Körperfettgewebes; vor allem Ausdünnung der Extremitäten, Steigerung des Brust- und des Bauchumfangs sowie Bildung eines "Büffelnackens".
(Hinweis: Bei vielen Medikamenten ist der Einnahmezeitpunkt der Schlüssel zur Reduktion der Nebenwirkungen. Wenn also ein Wirkstoff zu, vor oder nach der Mahlzeit appliziert werden soll, setzen wir diese Vorgabe präzise um.)
  • Die Pflegekräfte achten darauf, ob der Bewohner die Therapie eigenmächtig abbricht. In diesem Fall fragen wir den Pflegebedürftigen nach den Gründen, informieren den behandelnden Arzt über die Lage und suchen gemeinsam nach einer Lösung.
(Anmerkung: Im Vergleich zu jüngeren Betroffenen ist die Therapietreue bei Senioren glücklicherweise recht hoch.)
  • Aufgrund der psychischen Situation oder des Rauschmittelkonsums kennen viele Süchtige aber keinen geregelten Tagesablauf. Die Pflegekraft stellt daher sicher, dass der Bewohner vor der Arzneimittelapplikation zumindest eine kleine Menge Nahrungsmittel zu sich genommen hat.
  • Wir intensivieren die Maßnahmen zur Vermeidung von zerebralen Krampfanfällen und versorgen den Pflegebedürftigen angemessen, wenn diese Notlage eintritt. Weitere Details haben wir im Standard "Verhalten bei zerebralen Krampfanfällen" beschrieben.
Beratung
  • Wir machen drogenabhängige Bewohner auf das Risiko eines Spritzen- und Kanülentausches, deren Mehrfachnutzung sowie gemeinsame Verwendung anderen Zubehörs ohne ausreichende Desinfektion aufmerksam.
  • Sexuell aktive Pflegebedürftige weisen wir auf das Risiko ungeschützten Verkehrs hin, insbesondere bei homosexuellen Männern. Wir empfehlen dringend die Nutzung von Kondomen.
(Hinweis: Pflegekräfte müssen stets davon ausgehen, dass auch hochbetagte Menschen noch sexuell aktiv sind. Aus der Tatsache, dass alte Menschen nicht über Sex reden, lässt sich nicht schlussfolgern, dass sie auch keinen haben.)
  • Oftmals glauben Erkrankte, dass die antiretrovirale Therapie die Infektiosität so weit senkt, dass weitere Vorsichtsmaßnahmen nicht mehr notwendig sind. Dieser Einschätzung widersprechen wir nachdrücklich.
  • Wir beraten den Bewohner und seine Angehörigen zu Fragen der Ansteckungsvermeidung.
Beobachtung und Dokumentation
Wir erfassen regelmäßig den Gesundheitszustand des Bewohners, um Veränderungen rechtzeitig zu erkennen. Insbesondere:
  • allgemeines Befinden, Gewicht
  • Ausscheidungen, etwa Verfärbungen des Harns und des Stuhls
  • Kreislauf, Atmung, Bewusstseinszustand, Körpertemperatur
  • Blutungen der Haut und der Schleimhaut
  • Blutzuckerwerte
weitere Maßnahmen
  • Der Bewohner wird (falls möglich) regelmäßig gegen die Grippe und Covid-19 geimpft.
  • Der Gesundheitszustand des Pflegebedürftigen kann sich jederzeit ändern. Wir passen dann kurzfristig die Pflege- und Maßnahmenplanung an.
  • Die Versorgung von offenen Wunden muss besonders sorgfältig erfolgen.
  • Bei Zu- und Ableitungen ist strikt auf Asepsis zu achten.
  • Der Bewohner sollte sich eiweiß-, vitamin- und kalorienreich ernähren. Ein normaler BMI wird angestrebt.
  • Der Pflegebedürftige sollte möglicherweise keimbelastete Nahrungsmittel meiden, wie etwa rohes Mett, Tatar oder angebrochene Lebensmittelkonserven.
  • Der Bewohner sollte sich nur noch trocken rasieren und Schnittverletzungen vermeiden.
  • Wir empfehlen dem Pflegebedürftigen die Nutzung einer weichen Zahnbürste, die sein Zahnfleisch vor Verletzungen schützt.
  • Der Gesundheitszustand eines AIDS-Kranken ist großen Schwankungen unterworfen. Viele Monate im Jahr ist ein Bewohner körperlich belastbar und benötigt nur wenig pflegerische Unterstützung, dafür aber viel mentale Hilfe. Dann wiederum kann eine Phase schwerer Krankheitssymptome mit entsprechenden Selbstversorgungsdefiziten einsetzen. Daher muss eine Pflege- und Maßnahmenplanung entsprechend umfassend formuliert werden. Im Dialog mit dem MDK, etwa im Rahmen der Einstufung, muss auf diesen schwankenden Versorgungsbedarf verwiesen werden. Wichtig ist dabei eine entsprechend lückenlose Pflegedokumentation.
  • An AIDS verstorbene Bewohner dürfen regulär aufgebahrt werden.
Nachbereitung:
  • Alle Pflegeleistungen und Beobachtungen dokumentieren wir sorgfältig.
  • Wir nutzen regelmäßig Supervision, um einen "Burn-out" der Pflegekräfte zu vermeiden.
Dokumente:
  • Pflegebericht
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Pflege- und Maßnahmenplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
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