|
|
Version 2.05a - 2015 |
|
Standard
"Schmerzmanagement" |
|
Senioren,
insbesondere wenn diese unter demenziellen Erkrankungen leiden, haben
nur geringe Chancen auf eine optimale Schmerzbehandlung. Aus Angst vor
Medikamentenabhängigkeit oder im Irrglauben an eine im Alter höhere
Schmerzschwelle verschreiben viele Ärzte nicht die notwendigen
Analgetika. Ein modernes Schmerzmanagement lindert die Leiden der
Patienten - und den Stress ihrer Pflegekräfte. |
|
Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es nicht,
unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und
an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte,
da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen.
Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten
Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für die
ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen
jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen
"Patient".
Dieses Dokument ist auch
als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar.
Klicken Sie hier!
|
|
Standard "Schmerzmanagement" |
Definition:
|
- Schmerzen sind Sinneswahrnehmungen, die vom
Betroffenen als unangenehm oder als leidvoll empfunden werden.
- Der akute Schmerz ist eine Reaktion des Körpers
auf eine Verletzung oder auf eine Krankheit. Er bewirkt z.B. ein
entsprechendes Schonverhalten. Es handelt sich dabei also um eine
wichtige Schutzfunktion des Organismus.
- Der chronische Schmerz wird oftmals nicht durch
eine aktuelle Schädigung des Körpers verursacht, sondern geht häufig
auf eine Fehlfunktion des zentralen Nervensystems, insbesondere der
Schmerzrezeptoren, zurück. Der chronische Schmerz hat dann keine
biologisch sinnvolle Funktion.
- Eine moderne Schmerzbehandlung beseitigt
Schmerzen oder lindert sie so weit, dass die Beschwerden für den
Bewohner erträglich sind.
|
Grundsätze:
|
- Jeder Mensch hat einen Anspruch auf ein
schmerzfreies oder zumindest auf ein möglichst schmerzarmes Leben und
Sterben.
- Wir arbeiten eng mit den Hausärzten unserer
Bewohner zusammen.
- Schmerzen sind Warnsignale, die auf potenzielle
Verletzungen oder auf Krankheiten hindeuten. Im Interesse der
Gesundheit unserer Bewohner sollte jeder Schmerz mit unbekannter
Ursache medizinisch überprüft werden.
- Schmerzen sind eine subjektive Erfahrung. Wir
schenken dem Schmerzempfinden unserer Bewohner Glauben, selbst wenn es
scheinbar keine medizinische Ursache für die Beschwerden gibt.
- Das Klagen über Schmerzen kann auch ein
menschlicher Hilferuf sein, etwa der unterschwellige Wunsch nach mehr
Beachtung. Diesem Umstand sind wir uns immer bewusst.
- Das Vorenthalten notwendiger Medikamente oder
die Verabreichung von Placebos, also von unwirksamen
Scheinmedikamenten, ist unethisch und wird nicht geduldet. Sollte ein
entsprechendes Gespräch zwischen der Pflegedienstleitung und dem
Hausarzt kein Ergebnis erbringen, wird dem Bewohner ein Arztwechsel
empfohlen. Auch Pflegekräfte dürfen keine Placebos einsetzen.
- Wir wissen, dass sich die Schmerzschwelle im
Alter keineswegs erhöht. Die häufig vertretene Ansicht, dass alte
Menschen weniger schmerzempfindlich sind, ist falsch.
- Wir wissen, dass Menschen mit Demenz oder im
Delir häufig nicht in der Lage sind, ihr Schmerzempfinden mitzuteilen.
Daher achten wir bei diesen Bewohnern besonders intensiv auf
entsprechende Signale.
- Wir beachten kulturelle und religiöse
Vorbehalte hinsichtlich der Verwendung von Narkotika.
- Wir achten alternative Methoden zur
Schmerzbekämpfung. Das gilt insbesondere, wenn diese bereits von den
Bewohnern praktiziert werden.
|
Ziele:
|
- Idealerweise wird der Schmerzauslöser beseitigt
oder (wenn dieses nicht möglich ist) zumindest reduziert.
- Der Bewohner hat keine Schmerzen.
- Der Bewohner führt ein selbstbestimmtes und
erfülltes Leben. Er behält die Kontrolle während der Therapie.
- Der Bewohner erhält eine fundierte Beratung
hinsichtlich des Einsatzes von Schmerzmitteln. Auf dieser Basis kann er
eigenverantwortlich Entscheidungen treffen.
- Der Bewohner hat keine unbegründeten Ängste vor
einer Medikamentenabhängigkeit und vor anderen seltenen Nebenwirkungen,
die im Zusammenhang mit der Schmerztherapie stehen.
- Die Medikamente werden möglichst gering
dosiert.
- Unerwünschte Wechselwirkungen von Medikamenten
werden vermieden.
- Schmerzbedingtes Schonverhalten wird vermieden.
Dazu zählen beispielsweise das Unterlassen der Bewegung eines
arthritischen Gelenks und die daraus resultierende fortschreitende
Immobilität.
|
Vorbereitung: |
- Einzelne Pflegekräfte haben am Seminar
"Schmerztherapie in der Altenpflege" teilgenommen.
- Jeder Bewohner wird beim Einzug in unsere
Einrichtung nach etwaigen Schmerzzuständen befragt. Wenn das bejaht
wird, soll der Bewohner seine Schmerzen in einer Skala von 0 (= kein
Schmerz) bis 10 (= maximaler Schmerz) einordnen. Ab einem Wert von 3 im
Ruhezustand oder von 5 bei Belastung wird ein Schmerzprotokoll angelegt
sowie der behandelnde Arzt informiert, um ggf. eine Schmerztherapie
beginnen zu können.
- Wir verwenden für jeden Bewohner das
Schmerzassessment, das er versteht und bevorzugt benutzt.
- Es gibt auf dem Markt verschiedene Skalen, etwa
mit Gesichtern, mit Zahlen oder eine verbale Ratingskala.
- Für Bewohner, die sich nicht sprachlich äußern
können und zudem kognitiv eingeschränkt sind, halten wir eine besondere
Schmerzbeurteilungsskala bereit, z.B. BESD. Bei diesem System werden
veränderte Verhaltensweisen beobachtet und darauf basierend die
Schmerzbelastung ermittelt.
|
Durchführung:
|
- Bei Schmerzen, die auf einen Herzinfarkt, auf
Thrombosen o.Ä. hindeuten, wird sofort ein Notarzt gerufen.
- Sofern ein Arztbesuch nicht notwendig
erscheint, versuchen wir die Schmerzen zu lindern (z.B. durch Kühlung,
durch druckentlastende Lagerung usw.).
- Mit Beginn der Schmerztherapie wird deren
Wirksamkeit laufend überwacht und die Ergebnisse dokumentiert. Die
Schmerzäußerungen des Bewohners werden im Schmerzprotokoll festgehalten.
- Das Schmerzprotokoll wird dem Arzt zur Einsicht
zur Verfügung gestellt, sodass er seine Therapie noch besser an die
Bedürfnisse des Bewohners anpassen kann.
- Die Erfassung erfolgt in Ruhe und - wenn es der
Zustand des Bewohners erlaubt - bei Belastung oder bei Bewegung. Häufig
ist dann erkennbar, ob er eine Schonhaltung einnimmt. Und meistens
verstärken sich dann die Schmerzen.
- Bei akuten Schmerzzuständen sollte der Bewohner
dreimal täglich (morgens, mittags, abends) zur Selbsteinschätzung
seiner Schmerzen aufgefordert werden. Bei Besonderheiten auch öfter.
- Der Zeitraum der Erfassung wird mit allen
Beteiligten besprochen und individuell festgelegt.
- Die Kriterien:
- Ort des Schmerzes (Ggf. soll der Bewohner auf
die schmerzende Stelle zeigen.)
- Intensität des Schmerzes, ggf. Veränderungen
der Intensität (z.B. klopfend, stechend, krampfartig, dumpf, brennend
usw.)
- Häufigkeit des Schmerzes innerhalb eines
Monats
- Dauer der Schmerzzustände
- tageszeitliche Häufung der Schmerzzustände
- mutmaßlicher Auslöser des Schmerzes
- Auswirkung des Schmerzes (z.B.: Bewohner
trinkt nicht aufgrund intensiver Schluckbeschwerden, Schlafstörungen,
Appetitlosigkeit, Verdauungsprobleme)
- Form der Schmerzäußerung (Stöhnen,
verkrampfte Haltung, Schongang usw.)
- Weitere Faktoren, die für die Beurteilung des
Schmerzes relevant sein könnten, werden erfasst:
- bislang eingesetzte Methoden zur
Schmerzbekämpfung und deren Wirksamkeit
- Akzeptanz bzw. Ablehnung von Analgetika
- Beurteilung der Gehfähigkeit und des
Sturzrisikos
- mentaler Zustand, ggf. bestehende
Depressionen als Schmerz verstärkende Faktoren
- Bei Bewohnern, die unter Depressionen oder
unter Demenz leiden, wird die Einnahme von Analgetika überwacht. Eine
Hortung der Medikamente sollte vermieden werden.
- Bewohner werden darauf hingewiesen, dass sie
verordnete Medikamente nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt absetzen
oder die Dosierung ändern sollten.
- Vor ggf. schmerzhaften Prozeduren, z.B. einem
Verbandswechsel, wird der prophylaktische Einsatz von Schmerzmitteln
geprüft und ggf. durchgeführt.
- Bei erheblichen Nebenwirkungen von
Schmerzmitteln werden entsprechende Maßnahmen mit dem behandelnden Arzt
abgesprochen, etwa die zusätzliche Einnahme von Magenschutzmitteln oder
von Abführmitteln.
- Wir informieren unsere Bewohner über
nicht-pharmakologische sowie über andere alternative Schmerztherapien
wie etwa:
- Hitze- oder Kälteanwendungen
- Akupunktur und -pressur
- therapeutische Berührungen
- Yoga
- Hypnose
- Meditation
- Biofeedback
- Aromatherapie
- Musiktherapie
- regelmäßige, körperliche Betätigung
- Massagen
- Einreibungen
- Elektrotherapie (TENS)
- Phytotherapie
- Homöopathie
- Schmerz auslösende oder Schmerz verstärkende
Zustände werden vermieden, etwa:
- Harnverhalt
- Dekubitus
- Stuhlverstopfung
- Unter- und Mangelernährung
- negativer Stress
- Bewohner, die ein starkes Schmerzmittel zum
ersten Mal erhalten, werden engmaschiger überwacht.
- Bei der Einnahme der Schmerzmittel achten wir
darauf, dass die Wirkstoffe zu den verordneten Zeiten eingenommen
werden. Der Analgetikaspiegel darf die therapeutische Breite nicht
verlassen.
- Schmerzfreiheit wird als Ziel in der
Pflegeplanung vermerkt.
|
Nachbereitung: |
- Bewohner werden regelmäßig zu ihren Schmerzen
befragt. Diese Daten werden gesammelt und statistisch aufbereitet.
Anhand dieser Informationen wird der Erfolg des Schmerzmanagements in
der Einrichtung bewertet.
- Die im Schmerzprotokoll gesammelten
Informationen werden regelmäßig mit dem Hausarzt besprochen.
|
Dokumente: |
- Pflegedokumentation
- Schmerzprotokoll
|
Verantwortlichkeit / Qualifikation: |
|
|
|
|
|
|
|
Weitere Informationen
zu diesem Thema |
|
|
Schlüsselwörter für diese Seite |
Schmerz; Schmerzanamnese; Analgetika; Demenz |
|
Genereller
Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und
Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch
kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel
diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der
jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt
angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
|