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Version 2.06 - 2016

Standard "Pflege von Senioren mit einer chronischen Pankreatitis"

 
Der Preis ist hoch, den viele Alkoholiker für jahrzehntelangen Konsum zahlen müssen. Die Gesundheit ist ruiniert, familiäre Bindungen sind zerbrochen und das Selbstwertgefühl liegt am Boden. An diesem Zustand können Pflegekräfte nur wenig ändern. Am Beispiel einer chronischen Pankreatitis zeigen wir Möglichkeiten und Grenzen pflegerischer Intervention auf.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Pflege von Senioren mit einer chronischen Pankreatitis"
Definition:
  • Die Bauchspeicheldrüse ("Pankreas") bildet Verdauungsenzyme und gibt diese in den Zwölffingerdarm ab. Die in ihr enthaltenen Langerhans-Inseln sind zudem wichtig für die Regulation des Blutzuckerspiegels.
  • Bei einer chronischen Pankreatitis ist die Bauchspeicheldrüse chronisch entzündet. Das Pankreasgewebe wird im Verlauf der Erkrankung zunehmend zu Bindegewebe umgebaut. Die Krankheit kann gleichmäßig oder in Schüben fortschreiten.
  • Es kommt zum Funktionsverlust des Pankreas mit einem Defizit an Verdauungsenzymen und später auch Insulinmangel.
  • Verschiedene Komplikationen können auftreten, etwa eine Stenose des Pankreasgangs oder des Gallengangs mit auftretendem Ikterus, Milz- und Pfortaderthrombose, Bildung von Pseudozysten, Abszessen oder Fisteln.
  • Betroffen sind zumeist Männer. Zentraler Auslöser für eine Pankreatitis ist langjähriger Alkoholmissbrauch. 70 bis 90 Prozent aller Erkrankten sind oder waren alkoholabhängig.
Grundsätze:
  • Wir dulden keine Denkansätze, die eine chronische Pankreatitis als verdiente Strafe für frühere Alkoholexzesse werten.
  • Ohne den Verzicht auf den Alkoholkonsum wird jede Therapie zwangsläufig scheitern.
Ziele:
  • Die Schmerzbelastung wird reduziert.
  • Die nachlassende Leistungsfähigkeit der Pankreas wird durch eine angemessene Substitution von Pankreasenzymen und Insulin kompensiert.
  • Das Fortschreiten der Erkrankung wird verzögert und die Häufigkeit der Krankheitsschübe wird vermindert.
  • Komplikationen werden vermieden.
  • Dem Bewohner sind die Risiken bewusst. Er weiß, mit welchen gesundheitlichen Folgen der regelmäßige Alkoholkonsum verbunden ist.
Vorbereitung: Wir achten auf Symptome, die für eine sich entwickelnde chronische Pankreatitis sprechen. Bei hinreichendem Verdacht wird der Hausarzt über unsere Beobachtungen informiert.
heftige Bauchschmerzen, die einige Stunden oder Tage anhalten und gürtelförmig in den Rücken und auch in die Schultern ausstrahlen
verstärkte Symptomatik im Anschluss an fette Mahlzeiten oder Alkoholkonsum
  • Druckschmerz im Oberbauch
  • typische, gekrümmte Schonhaltung im Bett
  • oftmals mehrtägige Nahrungskarenz
  • Diarrhöe (Durchfall)
  • lehmfarbener, breiiger und stinkender Stuhlgang
  • Steatorrhö (sog. "Pankreasstuhl" oder "Fettstuhl")
  • Meteorismus (sog. "Blähsucht")
  • Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen
  • Gewichtsverlust, Abmagerung
  • typische Diabetes-mellitus-Symptome
Durchführung: Pflegemaßnahmen während eines Schubs
  • Je nach Schwere des Schubs ist es ggf. erforderlich, den erkrankten Bewohner in ein Krankenhaus einzuweisen.
  • Wir bitten den behandelnden Hausarzt um die Verschreibung geeigneter Analgetika. (Hinweis: Oftmals sind sehr hohe Dosen für eine hinreichende Schmerzbefreiung erforderlich. Als Nebenwirkungen treten dann gehäuft Schwindel, Benommenheit, Übelkeit und Blutdruckabfall auf. Es besteht dann das Risiko, dass diese Nebenwirkungen verwechselt werden mit den Anzeichen für sich entwickelnde Komplikationen.)
  • Ggf. können warme Wickel die Schmerzbelastung senken.
  • Wir prüfen, welche Lagerungspositionen die Bauchdecke entspannen.
  • Falls der Bewohner wegen der Schmerzbelastung vorübergehend bettlägerig wird, werden die entsprechenden Prophylaxen intensiviert, insbesondere die Dekubitus- und die Pneumonieprophylaxe. Zudem wird der Bewohner auf Hilfe bei der Grundpflege angewiesen sein.
  • Oftmals sind die Beschwerden so unerträglich, dass der Bewohner über Tage keine Nahrung zu sich nehmen möchte. Nach dem Abklingen des Schubs muss die Kost vorsichtig wieder aufgebaut werden.
Ernährung
Gemeinsam mit der Hauswirtschaft und ggf. mit einem Ernährungsberater passen wir die Mahlzeiten des Bewohners an:
Wir fragen den Bewohner, welche Speisen er aus eigener Erfahrung nicht verträgt. Dieses können z. B. Milch oder Süßspeisen sein.
  • Statt wie üblich drei große Mahlzeiten pro Tag sollte der Bewohner sechs bis acht kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen.
  • Der Bewohner soll sich mit einem hohen Anteil an Kohlenhydraten ernähren. Die Menge der zu verzehrenden Kohlenhydrate ist abhängig von der Leistungsfähigkeit der Langerhans-Inseln (Insulinproduktion).
  • Die Fettzufuhr des täglichen Energiebedarfs wird in Absprache mit dem Ernährungsberater deutlich reduziert. (Hinweis: Viele betroffene Senioren vertragen fettreiche Ernährung ohnehin nicht mehr und meiden diese selbstständig.)
  • Der Bewohner soll langkettige Triglyceride durch mittelkettige ersetzen, da diese leichter verstoffwechselt werden. Er kann also etwa sog. "MCT-Margarine" oder "MCT-Öle" (Verkauf in Reformhäusern) nutzen.
  • Der Bewohner erhält vor jeder Mahlzeit Pankreasenzympräparate. (Hinweis: Viele Betroffene essen weiterhin sehr fettreich und glauben, dieses Verhalten durch den Konsum von noch mehr Pankreasenzymen kompensieren zu können. Dieses ist jedoch nicht möglich.)
  • Wir stellen eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen sicher, insbesondere mit fettlöslichen Vitaminen (sog. “EDEKA”-Vitamine).
  • Der Bewohner soll ausreichend Flüssigkeit zu sich nehmen, zumeist also mindestens zwei Liter. Er muss Kaffee und Nikotin meiden, da diese einen erneuten Krankheitsschub auslösen können.
  • Kann der Bewohner seinen Kalorien- und Nährstoffbedarf nicht mehr decken, erhält er zusätzlich nach Arztverordnung Trinknahrung.
weitere Maßnahmen
  • Der Bewohner wird aufgefordert, den Alkoholkonsum komplett einzustellen. Dieses auch in den beschwerdefreien Intervallen. Die Vorgaben des Standardpflegeplans "Alkoholsucht" werden umgesetzt.
  • Wir schaffen für den Bewohner eine möglichst stressarme Umgebung und sorgen für regelmäßige Erholungsphasen. Wir leiten den Bewohner dazu an, mentalen Belastungssituationen konstruktiv zu begegnen. Wir vermitteln ihm dazu Entspannungstechniken, etwa Autogenes Training.
  • Der Bewohner wird dazu angeleitet, die eigene Stuhlausscheidung zu beobachten. Wenn er voluminöse, fettig glänzende und übel riechende Fettstühle absetzt, ist dieses ein Anzeichen für eine Zunahme der Maldigestion (mangelnde Verdauung durch fehlende Pankreasenzyme).
  • Eine gesundheitliche Stabilisierung kann nur gelingen, wenn der Bewohner seine Lebensweise komplett umstellt und insbesondere auf bevorzugte fette Speisen, auf Zigaretten und auf Alkohol verzichtet. Diese Veränderungen sind mental sehr belastend. Sie gelingen zumeist nur dann, wenn der Betroffene in ein soziales Netzwerk integriert ist. Wir fördern daher die Erhaltung familiärer Kontakte auch nach dem Einzug in unsere Pflegeeinrichtung. Wir verdeutlichen den Angehörigen die immense Bedeutung dieser Unterstützung und Motivation.
  • Wir führen ggf. engmaschige Blutzuckerkontrollen durch.
Nachbereitung: Prognose
  • Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann aufgrund der Schädigung der Pankreas eine Insulintherapie erforderlich werden.
  • Die Überlebenschancen des Bewohners sind davon abhängig, ob dieser die Ernährungsempfehlungen einhält und auf jeden Alkoholkonsum verzichtet. Im Durchschnitt überlebt nur die Hälfte aller Betroffenen die ersten zehn bis fünfzehn Jahre nach der Diagnosestellung.
  • Eine vollständige Genesung ist nicht möglich. Eine fortgeschrittene chronische Pankreatitis kann auch durch einen generellen Verzicht auf Alkohol nicht mehr zur Abheilung gebracht werden. Es ist im Idealfall lediglich mit einem deutlich verlangsamten Fortschreiten der Erkrankung zu rechnen.
  • Eine chronische Pankreatitis ist ein Risikofaktor für die Entstehung eines Pankreaskarzinoms.
  • In vielen Fällen treten Komplikationen auf, die auf eine konservative Therapie nicht mehr ansprechen. In diesen Fällen muss ggf. eine Drainage zur Druckreduktion in der Bauchspeicheldrüse gelegt werden. Nach einem solchen Eingriff lassen zumeist auch die starken Schmerzen nach.
Weiteres
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert. Insbesondere muss aus der Dokumentation deutlich hervorgehen, dass wir dem Bewohner regelmäßig Unterstützung bei der Überwindung der Sucht anbieten.
  • Wir nutzen Supervision, um die Kräfte unserer Mitarbeiter zu schonen und einen Burn-out zu vermeiden.
  • Der behandelnde Arzt wird über alle relevanten Veränderungen umgehend informiert.
Dokumente:
  • Pflegebericht
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Pankreatitis; Bauchspeicheldrüse; Alkohol; Abhängigkeit; Sucht; Korsakow
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