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Version 1.05

Standard "Alkoholintoxikation (Alkoholvergiftung)"

 
Mit steigendem Lebensalter und dem Auftreten von Grunderkrankungen sinkt die Alkoholtoleranz. Für langjährige Trinker ist das nicht ohne Risiko. Eine Dosis, die sie jahrzehntelang vertragen haben, bringt sie nun an den Rand des Komas.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 

Standard "Alkoholintoxikation (Alkoholvergiftung)"
Definition:
  • Der Genuss größerer Alkoholmengen stellt eine erhebliche Belastung für den menschlichen Körper dar. Ein hoher Blutalkoholspiegel führt beim Konsumenten zu vielfältigen physischen und mentalen Ausfallerscheinungen. Letztlich droht eine Alkoholintoxikation sowie bleibende Gesundheitsschäden bis hin zum Tod.
  • Die maximal verträgliche Alkoholmenge ist abhängig vom Lebensalter, der körperlichen Konstitution, etwaigen Grunderkrankungen sowie einer ggf. langjährigen Gewöhnung ("Trinkfestigkeit"). Ein junger und gesunder Mensch wird einen Blutalkoholspiegel von mehr als 4,5 Promille i.d.R. nicht überleben. Ein zentrales Risiko ist dabei die Atemlähmung, da Alkohol das Nervensystem dämpft.
  • Alkohol sowie dem Getränk ggf. beigemischte Stoffe enthalten viele Kohlenhydrate. Der Alkoholabbau kann den BZ-Wert erheblich ansteigen lassen.
  • Auch nach Wegnahme des Alkohols kann sich der Blutalkoholspiegel noch erhöhen. Nur 20 Prozent des Alkohols werden bereits im Magen resorbiert. Der Rest wird erst über den Dünndarm aufgenommen, also mit einer ggf. erheblichen Verzögerung.
  • Im Umgang mit stark alkoholisierten Bewohnern ist es wichtig, nicht zu schreien und keinen körperlichen Zwang anzuwenden. Lärm sowie physischer Zwang führen oftmals zu gewalttägigen Reaktionen.
Grundsätze:
  • Ausfallerscheinungen dürfen niemals pauschal dem Alkoholspiegel zugeschrieben und dann ignoriert werden. Wir müssen stets auch an andere Faktoren denken. Auch ein Alkoholiker kann einen Schlaganfall erleiden.
  • Im Umgang mit stark alkoholisierten Senioren ist immer mit aggressiven Reaktionen zu rechnen. Dieses auch bei Bewohnern, deren Verhalten im nüchternen Zustand stets korrekt ist.
  • Eine Alkoholintoxikation ist mehr als ein Rausch. Es handelt sich um einen lebensgefährlichen Zustand, der sofortiges Handeln erfordert.
  • Wenn hinreichende Anzeichen für eine Gesundheitsgefährdung sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er im Rausch die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
Ziele:
  • Eine Alkoholintoxikation wird korrekt erkannt. Wir schätzen korrekt ein, ob eine Gesundheitsgefährdung besteht.
  • Die Vitalfunktionen des Bewohners werden bis zum Eintreffen des Notarztes stabilisiert.
  • Bei einem Verbleib des Bewohners in unserer Einrichtung stellen wir sicher, dass er sich von den Folgen der Alkoholintoxikation erholt.
Vorbereitung: Informationssammlung
Falls der Verdacht einer Alkoholintoxikation besteht, muss eine diensthabende Pflegekraft entscheiden, ob ein Notfall vorliegt oder nicht. Dieses auch, wenn die Pflegekraft den Bewohner nur oberflächlich kennt, etwa weil sie erst seit kurzer Zeit in unserer Einrichtung arbeitet. Wir stellen sicher, dass in der Pflegedokumentation alle dafür relevanten Informationen verfügbar sind.
  • Ist eine Alkoholabhängigkeit bei dem Bewohner bekannt?
  • Zu welchem Alkoholiker-Typ zählt der Bewohner?
  • Konsumiert der Bewohner Drogen? Besteht eine Medikamentenabhängigkeit?
  • Welche Verhaltensänderungen treten beim Bewohner gewöhnlich unter Alkoholeinfluss auf? Vor allem: Kam es in der Vergangenheit bereits zu aggressivem Verhalten?
(Hinweis: Zentrales Bestreben muss sein, die Sucht zu überwinden. Die Vorgaben des Standards "Pflege von alkoholabhängigen Senioren" werden umgesetzt.)
Symptome
Wir achten auf Symptome, die für eine Alkoholvergiftung sprechen:
  • zahlreiche leere Getränkedosen und -flaschen im Umfeld des Bewohners
  • übersteigertes Selbstbewusstsein, Euphorie oder Enthemmung
  • nachlassendes Konzentrationsvermögen
  • undeutliche und wirre Sprache; oft in Form von Monologen
  • Gedächtnisverlust für die letzten zurückliegenden Stunden ("retrograde Amnesie")
  • verlangsamte Reaktionen
  • Koordinationsstörungen; insbesondere eine beeinträchtigte Feinmotorik sowie Gangunsicherheiten
  • Alkoholgeruch in der Atemluft des Bewohners ("Alkoholfötor" oder umgangssprachlich "Fahne")
  • gerötetes Gesicht als Folge der Erweiterung der peripheren Blutgefäße
  • gestörtes Temperaturempfinden, das etwa zu unangemessener und nicht zur Witterung passender Kleidung führt
  • Übelkeit und Erbrechen
  • ständiger Harndrang oder Einnässen als Folge der erhöhten Harnproduktion
Durchführung: Entscheidung über die Alarmierung des Notarztes
Wir prüfen, ob der Zustand des Bewohners die Alarmierung des Notarztes erfordert. Dieses ist der Fall, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
  • Der Bewohner ist bewusstlos. Die Schutzreflexe sind unter dem Alkoholeinfluss reduziert. Der Bewohner könnte z. B. am Erbrochenen ersticken.
  • Ein Alkoholkonsum in dieser Menge ist ungewöhnlich für den Bewohner. Er trinkt sonst keinen oder weniger Alkohol.
  • Der Bewohner ist bereits im Rausch. Er hat die Absicht, die Einrichtung zu verlassen und / oder den Alkoholgenuss fortzusetzen.
  • Der alkoholisierte Bewohner hat im Rausch die Selbstbeherrschung verloren und ist aggressiv. Es besteht eine relevante Gefahr für den Bewohner, für Mitbewohner oder für Pflegekräfte. (Hinweis: Bei einem solchen Szenario sollte insbesondere im Nachtdienst auch die Alarmierung der Polizei geprüft werden.)
Vorgehen bei einem minderschweren Alkoholrausch
  • Wenn keine akute Gefährdung für die Gesundheit erkennbar ist, kann der Bewohner in der Einrichtung bleiben.
  • Nach Zustimmung des Bewohners werden alle Alkoholbestände eingesammelt und vorläufig verwahrt.
  • Dem Bewohner wird ein Toilettengang angeboten.
  • Er wird in sein Bett begleitet, damit er sich dort ausschlafen kann. Wir stellen sicher, dass er gut zugedeckt ist.
  • Wir stellen eine Nierenschale oder ein anderes Gefäß an das Bett des Bewohners, falls sich dieser übergeben muss.
  • In den folgenden Stunden überprüft die Pflegekraft in regelmäßigen Abständen den Zustand (und die Anwesenheit) des Bewohners. Dieses ist auch Aufgabe der Nachtwache.
  • Wir stellen sicher, dass der Bewohner am nächsten Morgen ausschlafen kann.
  • Wir machen dem Bewohner am nächsten Tag keine Vorwürfe, sondern suchen einen konstruktiven Dialog.
  • Wir rechnen damit, dass es in den folgenden Stunden und Tagen zu einer Alkoholentzugssymptomatik kommen kann.
Vorgehen bei einer bedrohlichen Alkoholintoxikation
  • Wir verständigen den Arzt/Notarzt.
  • Die Krankenhauseinweisung wird vorbereitet.
  • Die Pflegekräfte sollten Ruhe ausstrahlen und Hektik vermeiden.
  • Der Bewohner wird bis zum Eintreffen des Arztes nicht allein gelassen.
  • Ein bewusstloser Bewohner wird in eine stabile Seitenlage gebracht. Die Atemwege werden freigemacht.
  • Wir schützen den Bewohner mit einer Decke oder mit einem Mantel vor dem Auskühlen.
  • Der Bewohner erhält keinen weiteren Alkohol, auch wenn er diesen verlangt.
  • Die Vitalwerte werden engmaschig überwacht, insbesondere Blutdruck, Puls und Atmung.
  • Bei Herz-Kreislauf-Stillstand wird der Bewohner sofort reanimiert. Die Reanimation wird fortgesetzt, bis der Notarzt eingetroffen ist oder das Herz des Bewohners wieder schlägt und die Atmung sich normalisiert.
  • Die Pflegekraft prüft (falls möglich) den Blutzuckerwert.
  • Alle Werte, Beobachtungen und durchgeführte Maßnahmen werden dokumentiert und dem eintreffenden Arzt/Notarzt mitgeteilt. Wir teilen ihm auch mit, wie viel Alkohol konsumiert wurde sowie welche Medikamente und Drogen der Bewohner ggf. einnahm.
Nachbereitung:
  • Das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
  • Ggf. werden die Angehörigen informiert.
  • Wir diskutieren die Notwendigkeit einer Entzugstherapie.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Vitaldatenblatt
  • Medikamentenblatt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Alkohol; Abhängigkeit; Sucht
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