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Version 2.05a - 2014

Pflegestandard "Hand-Syndrom nach einem apoplektischen Insult (Schlaganfall)"

 
Lange Zeit galt das Hand-Syndrom als unabwendbare Folge des Schlaganfalls. Inzwischen jedoch können Pflegekräfte das Bobath-Konzept nutzen, um zumindest Deformationen und schwere Kontrakturen zu vermeiden.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Pflegestandard "Hand-Syndrom nach einem apoplektischen Insult (Schlaganfall)"
Definition:
  • Viele Hemiplegiepatienten erleiden ein Hand-Syndrom, also eine entzündliche Schwellung der Hand. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu Fibrinablagerungen im Bereich der Sehnenscheiden, die sich zu Verklebungen entwickeln. Wenn eine angemessene Therapie unterbleibt, werden die Hand und die Finger oftmals so weit deformiert, dass sie für den betroffenen Bewohner letztlich keine Funktion mehr haben. Häufig treten auch Kontrakturen auf.
  • Ursachen:
  • Eine Ursache ist eine Fehlregulation des vegetativen Systems, insbesondere eine falsche Steuerung der Engstellung von Blutgefäßen sowie der Porenweitung. Dadurch wirkt die Haut kalt und blass.
  • Ein weiterer Faktor ist die Ernährungsstörung der Hand. Das Gewebe erhält zu wenig Sauerstoff und Nährstoffe. Auslöser ist eine schlechte Handstellung. Ablaufende Gefäße wie Venen oder Lymphbahnen werden abgeknickt. Zudem fehlt die Wirkung der Muskelpumpe, da der Bewohner die Hand nicht mehr ausreichend bewegt. Ödeme können nicht mehr über das Lymphsystem abgebaut werden.
  • Mitverantwortlich sind häufig auch Verletzungen, die durch die herabgesetzte Sensibilität gehäuft auftreten. Etwa: Verbrennungen mit zu heißem Wasser oder Stürze auf die mehr betroffene Hand. Viele Betroffene klemmen sich die Finger in den Speichen des Rollstuhls.
  • Das Hand-Syndrom tritt zumeist innerhalb von drei Monaten nach dem Schlaganfall auf. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der gesundheitliche Zustand des Bewohners i.d.R. so weit stabilisiert, dass er nicht mehr so engmaschig überwacht wird. Eine falsche Handhaltung bleibt dann ggf. über mehrere Stunden unbemerkt.
  • Ein auftretender Neglect führt dazu, dass der Bewohner die Problematik häufig nicht bemerkt oder ihr keine Bedeutung beimisst.
  • Das Handsyndrom tritt gehäuft in Kombination mit einer schmerzhaften Schulter auf. Es wird dann auch "Hand-Schulter-Syndrom" genannt.
Grundsätze:
  • Das Hand-Syndrom ist keine unvermeidbare Folge eines Schlaganfalls. Wir sind in der Lage, das Auftreten dieser Symptomatik zu vermeiden oder zumindest die Auswirkungen zu begrenzen.
  • Eine Therapie muss so früh wie möglich begonnen werden, also sofort, wenn Schwellungen, Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen bemerkt werden.
Ziele:
  • Die Beweglichkeit der Hand bleibt erhalten.
  • Der Bewohner erleidet keine unnötigen Schmerzen.
  • Der Bewohner wird für die Problematik sensibilisiert. Er beteiligt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten an den notwendigen Maßnahmen.
Vorbereitung:
  • Wir achten auf Symptome, die für ein sich entwickelndes Hand-Syndrom typisch sind.
  • Frühstadium:
    • Die Hand ist geschwollen. Dieses wird insbesondere im direkten Vergleich beider Hände deutlich. Das Ödem ist weich und wirkt aufgedunsen. Die Handwurzelknochen, Fingerknöchel, Sehnen und Hautfalten sind nicht mehr erkennbar. Dieses ist insbesondere bei warmem Wetter der Fall. Die Symptomatik tritt auch auf, wenn die Hand längere Zeit herabhing, etwa beim Gehen oder beim Stehen.
    • Die Bewegungsfähigkeit der Finger ist eingeschränkt. Der Bewohner kann die Finger insbesondere nicht mehr zur Faust ballen. Es ist ihm auch nicht möglich, die Hände zu falten. Die Finger der mehr betroffenen Hand sind so weit geschwollen, dass sie sich nicht in die Finger der anderen Hand einfügen.
    • Selbst passive Bewegungen sind schmerzhaft. Die Beschwerden betreffen insbesondere das Handgelenk, den Handrücken und die Finger.
    • Lässt der Bewohner seine Hand längere Zeit herabhängen, verfärbt sie sich blaugrau oder bläulich-violett. Sie fühlt sich warm und ggf. feucht an.
    • Der Bewohner hält die Hand in einer Schonhaltung
  • Spätstadium:
    • Falls eine Behandlung unterbleibt, nimmt die Symptomatik zu. Selbst mäßiger Druck auf die Hand oder auf die Finger verursacht beim Bewohner unerträgliche Schmerzen. Vor allem das Daumengrundgelenk ist sehr empfindlich.
  • Endstadium:
    • Das Ödem bildet sich unabhängig von einer Therapie vollständig zurück. Der Bewohner hat keine Schmerzen mehr.
    • Wenn das Hand-Syndrom nicht behandelt wurde, werden nun Kontrakturen sichtbar. Das Handgelenk befindet sich fest in einer gebeugten Stellung.
    • Die Hand ist deformiert und nicht mehr einsetzbar. Der Bewohner nutzt die Hand insbesondere in Alltagssituationen nicht mehr wie etwa zur Körperpflege, beim Kleidungswechsel oder zur Nahrungsaufnahme.
Durchführung: Lagerung
  • Wenn wir beobachten, dass der Bewohner seinen Arm herabhängen lässt, machen wir ihn darauf aufmerksam. Ggf. helfen wir bei einer angemessenen Lagerung.
  • Häufig nutzen Bewohner die weniger betroffene Hand für komplexe Tätigkeiten, während sie sich mit der mehr betroffenen Hand abstützen. Wir stellen sicher, dass die Hand dabei nicht abgeknickt wird.
  • Die Hand wird ggf. erhöht gelagert. Die Pflegekraft achtet darauf, dass sich die Hand und die Finger in Funktionsstellung befinden. Sie modelliert ggf. ein Handtuch oder einen Waschlappen an die Hand an. Harte Materialien sind dafür nicht geeignet, da diese eine Muskeltonuserhöhung auslösen können.
  • Wir achten darauf, dass sich der Bewohner nicht in eine Seitenlage auf die mehr betroffene Seite dreht, wenn das Kopfteil aufgestellt ist oder wenn ein Kissen bis unter den Oberarm untergelegt wird. In dieser Position wird das Schultergelenk eingeklemmt und ggf. auch traumatisiert.
  • In der Nacht sollte der Bewohner ggf. Handschienen tragen, da sich ansonsten ein Abknicken der Hand nicht vermeiden lässt.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner die Handschiene ggf. stundenweise auch am Tag tragen sollte. Dieses kann insbesondere bei einer hypertonen bzw. bei einer spastischen Hand sinnvoll sein. In der Regel ist es jedoch sinnvoller, das Handgelenk durch eine Lagerung in der Funktionsstellung zu schützen. Problematisch ist auch das Eigengewicht einer Schiene. Bei Pflegemaßnahmen und bei Transfers zieht das Eigengewicht den Arm nach unten. Dieses belastet die Schulter.
Mobilisierung
  • Falls der Bewohner zumindest rudimentär die Kontrolle über den Arm zurückgewinnt, beziehen wir den mehr betroffenen Arm in die Alltagsaktivitäten ein. Es ist insbesondere wichtig, die Muskulatur zu nutzen und damit den Abfluss per Muskelpumpe zu unterstützen. Der Bewohner kann also mit der mehr betroffenen Hand den weniger betroffenen Arm samt Hand waschen.
  • Handgelenke werden nicht über die Schmerzgrenze hinaus mobilisiert. Ansonsten kommt es zu Traumatisierungen, die sich in Form von Rötungen, Schwellungen und Überwärmungen bemerkbar machen. (Wichtig: Auch ohne ein Hand-Syndrom ist das Ausmaß der Beweglichkeit eines Handgelenks individuell höchst unterschiedlich.)
  • Wir schützen die Hand vor Verletzungen. Die Hand kann fallen, anstoßen oder eingeklemmt werden. Riskant ist z.B. das Fahren im Rollstuhl, wenn der mehr betroffene Arm herabhängt und in die Speichen geraten könnte. Wir sensibilisieren den Bewohner für derartige Gefahren. Ggf. wird der Rollstuhl mit einem Rollstuhltisch ausgestattet.
Führen des gelähmten Armes
  • Bei vielen Pflegemaßnahmen ist es notwendig, die mehr betroffene Hand zu halten oder zu bewegen. Wir vermitteln dem Bewohner die dafür notwendigen Techniken.
  • Der Bewohner soll die weniger betroffene Hand als lockere Faust halten. Er führt diese jetzt in die mehr betroffene Hand und drückt diese vorsichtig ein Stück nach hinten.



  • Der Bewohner kann jetzt die Finger der weniger betroffenen Hand öffnen. Sie legen sich automatisch in die Fingerzwischenräume der mehr betroffenen Hand. Er "fädelt" also die Finger der weniger betroffenen Hand in die Finger der mehr betroffenen Hand ein. Der Daumen der mehr betroffenen Hand sollte oberhalb des Daumens der weniger betroffenen Hand liegen.
  • Wenn das oben beschriebene Einfädeln nicht möglich ist, sollte eine alternative Handhabung probiert werden: Der Bewohner umfasst mit der weniger betroffenen Hand das Handgelenk der mehr betroffenen Hand von außen.
weitere Pflegemaßnahmen
  • Am mehr betroffenen Arm wird keine Blutdruckmessung durchgeführt; vor allem keine 24-Stunden-Untersuchung.
  • Am mehr betroffenen Arm werden keine Infusionen angelegt. Aufgrund der veränderten Blutversorgung wird die eingebrachte Flüssigkeit ggf. nicht ausreichend abtransportiert. Dieses gilt auch, wenn der Bewohner den mehr betroffenen Arm bewegen kann. Während die Infusion einläuft, wäre der Arm vollständig inaktiviert. In der Folge treten oftmals Spastiken auf.
  • Die Pflegekraft achtet darauf, dass sie die Hand bei der Körperpflege gut wäscht und eincremt.
  • Wir führen ggf. Lymphdrainagen durch. Die Frage, ob eine anschließende Wickelung erfolgen soll, ist umstritten.
  • Wir prüfen, ob Quarkauflagen die Symptomatik lindern.
  • Gemeinsam mit dem behandelnden Arzt prüfen wir, ob eine antiphlogistische (entzündungshemmende) Behandlung sinnvoll ist.
Nachbereitung:
  • Alle Maßnahmen werden sorgfältig dokumentiert.
  • Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Leistungsnachweis
  • ärztliches Verordnungsblatt
  • Kommunikationsblatt mit dem Arzt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Schlaganfall; Hemiplegie; Hand; Hand-Syndrom
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