Standard "An-
und Auskleiden von Hemiplegiepatienten" |
Definition: |
Eine Hemiplegie
erschwert das An- und Auskleiden, da zusätzlich zu den
Lähmungserscheinungen oft weitere neuropsychologische Beeinträchtigungen
auftreten. Dazu zählen:
- Apraxie, also die Störung von
Bewegungsabläufen und die Unfähigkeit, Gegenstände sinnvoll zu
verwenden
- Agnosie, also eine Störung des Erkennens
- Neglect, also eine oft halbseitige
Vernachlässigung des eigenen Körpers oder des Umfeldes
Das An- und Auskleiden hat als tägliche Handlung
eine hohe Bedeutung bei der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten.
Vor allem die regelmäßige Vertikalisierung, also die Mobilisierung aus
dem Bett in den Stuhl, ist ein wichtiger Schritt zurück in Richtung
Eigenständigkeit. |
Grundsätze: |
- Oberstes Ziel ist die Rehabilitation des
Bewohners. Er soll sich im Rahmen seiner Fähigkeiten aktiv in das
An- und Auskleiden einbringen. Dieses auch dann, wenn die
Pflegemaßnahme dadurch im Vergleich zu einer vollständigen Übernahme
mehr Zeit benötigt.
- Der Anteil des Bewohners wird kontinuierlich
gesteigert. Wir bringen den Bewohner stets an die Grenzen seiner
Leistungsfähigkeit, ohne ihn durch Überforderung zu frustrieren.
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Ziele: |
- Der Bewohner erlernt verloren gegangene
Bewegungsabläufe neu.
- Langfristig ist der Bewohner wieder in der
Lage, sich eigenständig an- und auszuziehen.
- Spastiken werden vermieden.
- Die Wahrnehmung auf der mehr betroffenen
Seite wird gefördert.
- Die Oberflächensensibilität sowie der Lage-
und der Bewegungssinn werden verbessert.
- Der Bewohner kann Handlungen besser planen
und koordinieren.
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Vorbereitung: |
Grundregel |
Wir nutzen folgende Grundregel, die
die Reihenfolge beim An- und Auskleiden beschreibt:
- Das Auskleiden beginnt immer mit der weniger
betroffenen Seite.
- Das Ankleiden beginnt stets mit der mehr
betroffenen Seite.
- Es gilt: Der weniger betroffene Arm führt den
mehr betroffenen Arm.
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Indikation |
Das An- und Auskleiden von
Hemiplegiepatienten auf einem Stuhl führen wir durch, wenn verschiedene
Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Bewohner ist soweit belastbar, dass er
sicher auf einem Stuhl sitzen kann.
- Der Bewohner ist in der Lage, einige Sekunden
zu stehen, wenn er sich dabei z.B. an einem Tisch festhält.
- Der Bewohner ist motiviert, sich dem
schwierigen Lern- und Rehabilitationsprozess zu unterziehen.
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weitere Maßnahmen |
- Jede Pflegekraft sollte das An- und Ausziehen
mit einer Hand einige Male selbst durchführen, um sich dann besser
in den Pflegebedürftigen hineinversetzen zu können.
- Die ausgewählte Kleidung wird auf einem Stuhl
oder dem Bett abgelegt. Die Kleidung, die als erstes angelegt werden
soll, liegt oben.
- Der Bewohner sollte stets auf einem stabilen
Stuhl sitzen. Die Bettkante ist für diese Pflegemaßnahme nicht
geeignet, da die Sitzfläche zu instabil ist.
- Der Bewohner sollte geschlossene Schuhe mit
Klettverschlüssen oder halbhohe Stiefel mit Reißverschluss tragen.
Nach Möglichkeit sollten die Schuhe eine Ledersohle und einen
Gummiabsatz haben.
- Die Pflegekraft steht stets auf der mehr
betroffenen Seite des Bewohners und unterstützt ihn von dort.
- Wir achten darauf, dass der Bewohner beim An-
und Auskleiden nicht mit Strümpfen auf dem Fußboden steht. Dieses
würde die Sturzgefahr steigern. Er sollte entweder Schuhe tragen
oder ganz barfuss sein.
- Der Bewohner sitzt aufrecht auf einem Stuhl.
Die Hände sind ineinander gefaltet.
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Durchführung: |
Anziehen des Pullovers |
- Wir legen den Pullover auf den Oberschenkeln
des Bewohners ab. Das Rückenteil liegt oben. Der Saum zeigt zum
Körper. Der Halsausschnitt liegt auf den Knien. Der Ärmel für den
mehr betroffenen Arm hängt zwischen den Oberschenkeln herab.
- Der Bewohner ergreift mit dem weniger
betroffenen Arm den mehr betroffenen Arm und lässt ihn in den Ärmel
gleiten. Gleichzeitig bewegt er den Oberkörper nach vorne.
- Der Bewohner zieht mit der weniger
betroffenen Hand den Ärmel der mehr betroffenen Seite bis über die
Schulter hoch.
- Nun führt der Bewohner den weniger
betroffenen Arm in den Ärmel ein.
- Mit der weniger betroffenen Hand ergreift der
Bewohner den Pulloverrücken, rafft diesen zusammen und zieht ihn
über den Kopf.
- Zum Schluss wird der Sitz des Pullovers mit
der weniger betroffenen Hand korrigiert.
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Anziehen von Hemden oder Jacken |
- Das geöffnete Kleidungsstück wird auf den
Oberschenkeln des Bewohners abgelegt. Der Kragen liegt auf den
Knien. Die Ärmel hängen zwischen den Knien herab.
- Der Bewohner führt den mehr betroffenen Arm
in den Ärmel ein. Der Bewohner beugt sich nach vorne.
- Die weniger betroffene Hand zieht den Ärmel
bis zu den Schultern hoch. Der Bewohner richtet sich dabei wieder
auf.
- Mit der weniger betroffenen Hand korrigiert
der Bewohner nun den Sitz soweit, dass er mit dieser Hand in den
zweiten Ärmel fahren kann. Er kann dafür ggf. nach dem Kragen
greifen und diesen in Richtung Rückenmitte ziehen.
- Nun kann der Bewohner den Reißverschluss
schließen.
- Bei Knöpfen kann er eine Knöpfhilfe nutzen.
Der Bewohner sollte mit dem Knopf beginnen, den er am besten sehen
kann.
- Ggf. reichen wir dem Bewohner einen
Handspiegel, damit er Fehler beim Zuknöpfen finden und korrigieren
kann.
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Ausziehen von Pullovern, Jacken und
Hemden |

- Der Bewohner öffnet ggf. vorhandene Knöpfe
oder den Reißverschluss.
- Er greift mit der weniger betroffenen Hand
das Kleidungsstück am Kragen und rafft den Stoff zusammen.
- Nun neigt der Bewohner seinen Oberkörper nach
vorne und zieht das Kleidungsstück über den Kopf.
- Er zieht erst den weniger betroffenen Arm und
dann den mehr betroffenen Arm aus dem Kleidungsstück.
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Anziehen der Hose |
- Der Bewohner umfasst mit beiden Händen das
Knie des mehr betroffenen Beines. Er legt das mehr betroffene Bein
über das weniger betroffene Bein.
- Die mehr betroffene Hand wird auf dem
Oberschenkel abgelegt. Ein Herunterhängen der Hand würde das
Schultergelenk stark belasten und ggf. eine Traumatisierung
auslösen.
- Der Bewohner streift ein Hosenbein über das
mehr betroffene Bein. Er rafft den Stoff zusammen, bis der Fuß aus
dem Hosenbein herausragt. Das Hosenbein wird aber noch nicht über
das Knie gezogen.
- Der Bewohner stellt mit beiden Händen das
mehr betroffene Bein auf den Boden zurück.
- Er fährt mit dem weniger betroffenen Bein in
das zweite Hosenbein.
- Damit die Hose beim nun folgenden Aufstehen
nicht herunterrutscht, hat der Bewohner drei Möglichkeiten:
- Er kann die mehr betroffene Hand in die
Hosentasche stecken.
- Er kann mit einem Finger der betroffenen
Hand eine Gürtelschlaufe umfassen.
- Er kann die ggf. vorhandenen Hosenträger
über die Schultern ziehen.
- Nun steht der Bewohner auf. Falls nötig, kann
er sich dabei an einem Tisch oder einem anderen massiven Gegenstand
festhalten.
- Mit der weniger betroffenen Hand zieht der
Bewohner die Hose bis zur Taille hoch.
- Er kann zum Schluss den Reißverschluss
schließen.
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Ausziehen der Hose im Sitzen |
- Der Bewohner öffnet die Hose und schiebt sie
so weit wie möglich über die Hüften.
- Wenn er das Becken hochstemmt, kann er die
Hose weiter herunter ziehen.
- Nun zieht er das weniger betroffene Bein aus
der Hose heraus.
- Mit beiden Händen legt er das mehr betroffene
Bein auf das weniger betroffen Bein.
- Zum Schluss schlüpft er auch mit dem mehr
betroffenen Bein aus der Hose heraus.
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Anziehen von Strümpfen und Schuhen |
- Der Bewohner legt das mehr betroffene Bein
über das weniger betroffene Bein.
- Mit dem Daumen und dem Zeigefinger spreizt er
die Öffnung des Strumpfs auf und zieht diesen über den Fuß des mehr
betroffenen Beines.
- Er setzt das mehr betroffene Bein auf den
Boden zurück. Der Bewohner legt das weniger betroffene Bein auf dem
mehr betroffenen Bein ab.
- Er kann nun den zweiten Strumpf über das
weniger betroffene Bein ziehen.
- Auf die gleiche Weise können auch die Schuhe
angezogen werden.
- Hinweise:
- Viele Betroffene können alternativ
Anziehhilfen für Strümpfe, Socken und Strumpfhosen nutzen.
- Das Anziehen von Schuhen gelingt mit
einem extra langen Schuhlöffel einfacher.
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Anziehen der Hose mit Unterstützung durch eine Pflegekraft
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- Der Bewohner soll das mehr betroffene Bein über
das weniger betroffene Bein schlagen. Die Pflegekraft unterstützt ihn
dabei. Die Finger beider Hände sind über dem Knie des mehr betroffenen
Beines gefaltet.

- Das entsprechende Hosenbein wird über den Unterschenkel und über das Knie des mehr betroffenen Beines gezogen.
- Das mehr betroffene Bein wird auf dem Boden
abgestellt. Der Bewohner soll nun das zweite Hosenbein über das weniger
betroffene Bein ziehen.
- Der Bewohner wird in den Stand mobilisiert. Er
soll sich mit beiden Händen auf einem zweiten Stuhl abstützen. Die
Finger beider Hände sind gefaltet.

- Die Pflegekraft zieht die Hose hoch. Der Bewohner wird danach ggf. wieder in eine sitzende Position gebracht.
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Nachbereitung: |
- Wir achten darauf, dass die Kleidung nicht
einschnürt. Einschnürungen im Achselbereich fördern ein
Schulter-Hand-Syndrom.
- Die Maßnahme wird im Leistungsnachweis
dokumentiert.
- Beobachtungen, etwa Hautveränderungen oder
Schmerzäußerungen, werden dokumentiert und ggf. dem Hausarzt
mitgeteilt.
- Ggf. wird die Pflegeplanung angepasst.
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Dokumente: |
- Leistungsnachweis
- Lagerungs- und Mobilitätsplan
- Berichtsblatt
- Dokumentenblatt "Meldungen an den Arzt"
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Verantwortlichkeit /
Qualifikation: |
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