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Version 1.05c - 2015 |
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Standard "Erkennung und Einschätzung einer Herzinsuffizienz" |
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Eine
Herzinsuffizienz sicher zu erkennen, ist eine knifflige Aufgabe.
Symptome treten erst im späten Krankheitsverlauf auf und werden dann
oftmals als normale Alterserscheinungen missdeutet. Dabei ist eine
zeitnahe Therapie entscheidend für die Gesundheit des Betroffenen. |
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Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es nicht,
unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und
an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte,
da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen.
Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten
Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für die
ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen
jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen
"Patient".
Dieses Dokument ist auch
als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar.
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Standard "Erkennung und Einschätzung einer Herzinsuffizienz" |
Definition:
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- Chronische Herzinsuffizienz bezeichnet das
Unvermögen des Herzens, Blut mit ausreichender Kraft durch das
Gefäßsystem zu befördern. Der Organismus wird in der Folge nicht mehr
ausreichend versorgt. Die körperliche und mentale Leistungsfähigkeit
ist reduziert.
- Je nach Schädigung der rechten oder der linken
Herzkammer unterscheidet man zwischen einer Rechts- oder
Linksherzinsuffizienz. Falls beide Herzkammern betroffen sind, handelt
es sich um eine Globalinsuffizienz.
- Abhängig vom Schädigungsort ergibt sich ein
typisches Symptombild:
- Bei einer Rechtsherzinsuffizienz (Bild rechts)
staut sich das Blut in den Körperkreislauf zurück. In der Folge kommt
es zur Aszitis, Beinödemen, Halsvenenstauungen sowie zu einer
Stauungsleber. Auch eine Stauungsgastritis mit abdominalen Beschwerden
sowie Appetitlosigkeit können auftreten.
- Bei einer Linksherzinsuffizienz (Bild links)
kommt es zu einer Stauung des Blutes zurück in die Lunge. Entsprechend
konzentriert sich die Symptomatik auf dieses Organ. Es kommt zur
Lungenstauung mit Luftnot (Dyspnoe) und sogar zur stärksten Luftnot
(Orthopnoe). Ein gesteigerter Druck in den Lungenvenen löst überdies
ein Lungenödem aus.
- Eine weitere Unterscheidung ergibt sich aus dem
Krankheitsverlauf, der akut auftreten oder chronisch fortschreiten kann.
- Eine akute Herzinsuffizienz entwickelt sich
innerhalb weniger Stunden oder Tage. Häufigste Ursache ist ein
Herzinfarkt. Als weitere Auslöser kommen plötzlich auftretende
Herzrhythmusstörungen oder Herzmuskelentzündungen in Betracht.
- Die chronische Verlaufsform bleibt oft über
Monate und Jahre unentdeckt, da sich der Körper an die verminderte
Pumpfunktion gewöhnt und der Bewohner sein Verhalten anpasst. Erst wenn
verschiedene Mechanismen zur Kompensation ausgeschöpft sind, wird das
Symptombild sichtbar.
- Die Schwere der Herzinsuffizienz wird in vier
Stufen unterteilt:
- Stadium 1: Der Bewohner verfügt über eine
normale Leistungskraft, lediglich per Elektrokardiogramm oder
Echokardiogramm sind Abweichungen festzustellen.
- Stadium 2: Die Leistungsfähigkeit ist leicht
eingeschränkt. Spaziergänge bis zu fünf Kilometer sind möglich. Bei
stärkeren körperlichen Belastungen hingegen treten Beschwerden auf,
etwa beim Treppensteigen oder beim Tragen größerer Lasten.
- Stadium 3: Der Bewohner ist in seinem
Leistungsvermögen deutlich begrenzt und meistert nur noch leichte
Tätigkeiten, wie etwa langsames Gehen auf ebenem Untergrund.
- Stadium 4: Schon im Ruhezustand kommt es zu
Beschwerden.
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Grundsätze:
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- Der langsame Verlauf der chronischen
Herzinsuffizienz ist tückisch, da sich Pflegekräfte und der Bewohner an
das fortschreitende Symptombild gewöhnen und nicht reagieren.
- Wenn hinreichende Anzeichen für eine akute
Herzinsuffizienz sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen
eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine
verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
- Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
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Ziele:
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- Eine Herzinsuffizienz wird sicher von
Krankheiten abgegrenzt, die ein teilweise überschneidendes Symptombild
aufweisen wie etwa Bronchitis oder Demenz.
- Das Herz des Bewohners wird durch eine
frühzeitige Therapie so weit entlastet, dass das weitere Fortschreiten
der Schädigung vermieden oder zumindest gebremst wird.
- Die körperlichen und mentalen Ressourcen des Bewohners bleiben möglichst lange erhalten.
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Vorbereitung: |
Gefährdungsbeurteilung:
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Wir
prüfen, ob bei dem Bewohner Grunderkrankungen vorliegen, die zu einer
Herzinsuffizienz führen können. Bei einem Bewohner mit erheblichen
gesundheitlichen Einschränkungen ist die Wahrscheinlichkeit einer
Herzinsuffizienz erhöht. Wir müssen dann besonders aufmerksam sein und
bei Beobachtungen schnell reagieren. Dieses ist insbesondere dann
relevant, wenn Symptome sichtbar werden, die sowohl von einer
Herzinsuffizienz als auch von einer ganz anderen Grunderkrankung
ausgelöst werden können. Wir befragen dafür den Bewohner, seine
Angehörigen und den behandelnden Arzt.
- Litt der Bewohner in der Vergangenheit an einer koronaren Herzerkrankung oder an einem Herzinfarkt?
- Sind die Herzklappen des Bewohners geschädigt, etwa durch eine Mitralstenose (Herzklappenfehler)?
- Leidet der Bewohner an einem arteriellen oder pulmonalen Hypertonus (Bluthochdruck)?
- Erkrankte der Bewohner bereits einmal an einer Kardiomyopathie (Erkrankung des Herzmuskels)?
- Sind Herzrhythmusstörungen bekannt, etwa eine Bradykardie (Herzschlag unter 60 Schläge pro Minute)?
- Litt der Bewohner bereits einmal an einer
Myokarditis (Entzündung des Herzmuskels) oder an einer Perikarditis
(Entzündung des Herzbeutels)?
- Liegt eine Herzbeuteltamponade (Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel) vor?
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Durchführung:
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Symptome
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Wir achten auf Symptome, die auf eine Herzinsuffizienz hindeuten:

- Der Bewohner leidet an Atemnot bei Belastung, also etwa beim Treppensteigen.
- Der Bewohner äußert vermehrt den Wunsch, das Fenster zu öffnen, damit er besser Luft bekommt.
- Der Bewohner hat ggf. sogar Atemnot, obwohl er
körperlich inaktiv ist. Immobile Bewohner richten dann ihren Oberkörper
im Bett auf und stützen sich mit den Armen nach hinten ab. Es ist
deutlich sichtbar, dass sie ihre Atemhilfsmuskulatur nutzen. Der
Brustkorb hebt und senkt sich.
- Der Bewohner leidet unter Hustenattacken. Diese treten insbesondere in der Nacht auf und lösen Atemnot aus.
- Beim Atmen des Bewohners sind Rassel- oder Brodelgeräusche hörbar. Der Bewohner hat weißlichen Auswurf.
- Die Lippen und die Fingerspitzen des Bewohners sind bläulich verfärbt (Zyanose).
- Der Bewohner kann sich nicht konzentrieren. Er ist insbesondere vergesslich.
- Der Bewohner zeigt Symptome von Unruhe oder sogar von Angst.
- Es kommt zu Verwirrtheitszuständen. Der
Bewohner ist offenbar nicht mehr zur Person, zur Situation, zeitlich
und örtlich orientiert.
- Die Halsvenen des Bewohners sind sichtbar gestaut. Auch am Zungengrund kann eine Venenstauung beobachtet werden.
- Es kommt zur Bildung von Ödemen. Der Bauch sowie vor allem die Unterschenkel und die Füße sind sichtbar angeschwollen.
- Das Körpergewicht des Bewohners steigt an, ohne
dass sich dieses durch ein geändertes Ernährungsverhalten erklären
ließe. Die Gewichtszunahme kann 1,5 kg pro Tag oder 2,5 kg pro Woche
übersteigen. Insgesamt können Ödeme das Körpergewicht um bis zu 10 kg
erhöhen.
- Die Haut des Bewohners zeigt eine Gelbverfärbung (sog. "Ikterus").
- Der Bewohner schwitzt stark, ohne dass er Fieber hätte.
- Der Bewohner klagt über Appetitlosigkeit, Übelkeit und Völlegefühl.
- Es kommt zur Obstipation.
- Die Leber ist vergrößert und druckempfindlich.
- Die Harnmenge reduziert sich, ohne dass der Bewohner sein Trinkverhalten verändert hätte.
- Der Bewohner leidet in der Nacht unter
verstärktem Harndrang. Dieses ist bei Senioren mit
Blasenverweilkatheter einfach zu beobachten. Bei Senioren ohne Katheter
erkennen wir zusätzliche nächtliche Toilettengänge oder durchfeuchtete
Einlagen.
- Der Bewohner benutzt in der Nacht mehrere Kissen, um den Oberkörper erhöht zu lagern.
- Die körperliche Belastung ist insgesamt reduziert. Der Bewohner vermeidet anstrengende Tätigkeiten.
- Der Bewohner ist müde, obwohl er eigentlich ausreichend geschlafen hat.
- Der Blutdruck des Bewohners ist erhöht. Auch
bei vormals gut eingestellten Hypertonie-Patienten steigt der Messwert
erheblich an.
- Der Puls ist erhöht.
- Der Bewohner klagt über "Herzstolperer" (Herzrhythmusstörungen).
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Drucktest
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- Wir prüfen per Drucktest, ob ein Ödem kardial
bedingt ist. Derartige Schwellungen sind weich. Wird das Ödem
weggedrückt, bleibt eine Delle längere Zeit bestehen.
- Ist das Ödem die Folge einer
Lymphabflussstörung oder einer Schilddrüsenunterfunktion, verschwindet
die Delle sofort wieder. Diese Ödeme sind derber und lassen sich also
nicht wegdrücken.
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Nachbereitung: |
Verhalten bei einer akuten Herzinsuffizienz
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Da
eine akute Herzinsuffizienz die Folge eines Herzinfarkts sein kann,
wird der entsprechende Notfallstandard umgesetzt (Standard
"Myokardinfarkt"). Dazu zählen insbesondere folgende Maßnahmen:
- Der Arzt oder der Notarzt wird über den Zustand des Bewohners informiert.
- Der Bewohner wird in eine Herzbettlage gebracht, der Oberkörper wird also erhöht gelagert und die Beine niedrig positioniert.
- Wir lösen beengende Kleidung und öffnen das Fenster.
- Wir wirken beruhigend auf den Bewohner ein. Unnötige Aufregung und Anstrengung sind strikt zu vermeiden.
- Falls erforderlich bieten wir dem Bewohner
Sauerstoff an. I.d.R. applizieren wir 2 bis 4 Liter Sauerstoff mittels
einer locker aufgelegten Gesichtsmaske.
- Bis zum Eintreffen des Rettungswagens bleiben wir beim Bewohner. Dessen Vitalwerte werden engmaschig erfasst.
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Verhalten bei einer chronischen Herzinsuffizienz
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- Wenn hinreichende Anzeichen für eine Schädigung des Herzens sprechen, wird der Bewohner zeitnah seinem Hausarzt vorgestellt.
- Wir sammeln alle Informationen, die für die
Diagnostik und für die Therapie relevant sein könnten. Wir leiten diese
an den Arzt weiter.
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Umstellung der Pflegemaßnahmen
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- Wenn beim Bewohner eine Herzinsuffizienz
festgestellt wird, muss die pflegerische Versorgung entsprechend
umgestellt werden. Dieses ist im Standard "nichtmedikamentöse Maßnahmen
bei Herzinsuffizienz" festgelegt.
- In vielen Fällen erhält der Bewohner
verschiedene Medikamente. Diese haben i.d.R. erhebliche Nebenwirkungen.
Das genaue Vorgehen ist im Standard "medikamentöse Therapie bei
Herzinsuffizienz" beschrieben.
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Dokumente: |
- Vitaldatenblatt
- Berichtsblatt
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Verantwortlichkeit / Qualifikation: |
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Weitere Informationen
zu diesem Thema |
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Schlüsselwörter für diese Seite |
Herzinsuffizienz; Herzkrankheit, koronare; KHK; Herzmuskelschwäche |
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Genereller
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angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
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