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Version 2.05b - 2015

Notfallstandard "akuter peripherer Arterienverschluss"

 
Innerhalb kürzester Zeit muss ein Gefäßverschluss behandelt werden, um betroffene Senioren vor Schlimmerem zu bewahren. Doch dafür braucht es Pflegekräfte, die die Symptome richtig deuten und sich nicht scheuen, frühzeitig den Notarzt zu rufen.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


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Notfallstandard "akuter peripherer Arterienverschluss"
Definition:
  • Ein akuter Arterienverschluss führt zu einer vollständigen oder zumindest weitgehenden Unterbrechung der Blutzufuhr. Das dahinter liegende Versorgungsgebiet wird nicht oder nur noch teilweise mit Blut versorgt.
  • Zumeist wird ein akuter Arterienverschluss durch ein verschlepptes Blutgerinnsel ausgelöst. Aber auch Tumorgewebe, Parasiten, Luft oder Fett können ein Gefäßlumen verschließen.
  • Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer.
  • In 85 Prozent aller Fälle sind die Beine betroffen.
  • Bei einem Verschluss einer Mesenterialarterie (im Bauchraum) kommt es zu Durchblutungsstörungen des Darms.
Grundsätze:
  • Ein akuter Arterienverschluss ist immer ein Notfall. Es gilt "Time is Tissue", also "Zeit ist Gewebe". Jede Verzögerung bedeutet den Untergang von Gewebe, den Verlust von Organen, einer Extremität und ggf. dem Leben des Bewohners.
  • Wenn hinreichende Anzeichen für einen akuten Arterienverschluss sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
Ziele:
  • Das Leben des Bewohners wird geschützt.
  • Der Notfall wird schnell und korrekt erkannt.
  • Die Gefäßstrombahn wird so schnell wie möglich wieder geöffnet.
  • Bleibende Schäden werden vermieden.
Vorbereitung: Symptome
Wir achten auf die typischen Symptome für einen akuten Arterienverschluss, die sog. "6 P". Die Ausprägung der jeweiligen Symptome kann individuell stark schwanken, es müssen zudem nicht alle gleichzeitig auftreten. Letztlich sollte eine Pflegekraft im Zweifel frühzeitig den Notarzt rufen, statt darauf zu warten, bis die Symptomatik eindeutig auf einen Arterienverschluss hinweist.
  • Der Bewohner erleidet heftige und plötzlich (peitschenschlagartig) einsetzende Schmerzen ("pain").
  • Es kommt zur Blässe ("Marmorisierung") des betroffenen Körperteils ("paleness").
  • Der Bewohner klagt über Missempfindungen und Gefühlsstörungen ("parasthesia").
  • Der Puls ist im Bereich der betroffenen Arterie nicht spürbar ("pulselessness").
  • Es kommt zur Bewegungsunfähigkeit des betroffenen Körperteils ("paralysis").
  • Der Bewohner zeigt Anzeichen von Erschöpfung, Schocksymptome ("prostration"), insbesondere Kreislaufversagen.
Wir achten auf Symptome, die speziell auf einen Verschluss der Darmgefäße hindeuten:
  • Der Bewohner klagt über heftige Bauchschmerzen nach der Nahrungsaufnahme.
  • Der Bewohner bekommt Fieber und muss sich übergeben. Der Blutdruck sinkt, während der Puls steigt.
  • Als Folge des Gewebsuntergangs kann nach zwei Stunden ein deutlicher Rückgang der Symptomatik bemerkt werden. Dieser sog. "faule Friede" kann 12 Stunden anhalten.
  • Unterbleibt in den folgenden sechs Stunden die weitere Behandlung, kommt es zur Bauchfellentzündung und zur Darmlähmung. Das Leben des Bewohners ist akut gefährdet.
Abgrenzung zur pAVK
  • Bei einer pAVK (Periphere arterielle Verschlusskrankheit) nehmen die Ablagerungen schrittweise zu. Das Gewebe wird also über einen längeren Zeitraum immer schlechter versorgt. Entsprechend langsam intensiviert sich die Symptomatik. Bei einem akuten peripheren Arterienverschluss treten die Beschwerden praktisch "aus dem Nichts" auf und sind sofort unerträglich stark.
Weitere Maßnahmen
  • Bei einer erhöhten Gefährdung wird der Bewohner für die Symptome (s.o.) sensibilisiert. Er soll bei entsprechenden Beeinträchtigungen sofort die Pflegekraft kontaktieren.
Durchführung: Sofortmaßnahmen
  • Wir informieren den Notarzt über den Gesundheitszustand des Bewohners und bereiten uns auf die Krankenhauseinweisung vor.
  • Die betroffene Extremität wird tief gelagert (deutlich unter Herzniveau), um die Durchblutung zu fördern. Durch eine weiche Lagerung wird das Bein vor Druckeinwirkung und vor Auskühlung geschützt. Wir nutzen (falls vorhanden) Wattepackungen. Alternativ legen wir dem Bewohner eine leichte Wolldecke um die Beine. Dieser Schutz darf aber nicht einengend oder gar komprimierend wirken.
  • Wir legen dem Bewohner keine medizinischen Thromboseprophylaxestrümpfe (MTS) an. Durch Kompressionsmaßnahmen wird die arterielle Versorgung in dem betroffenen Abschnitt zusätzlich reduziert. Das Gleiche gilt für enge Socken und für einschnürende Verbände.
  • Gelenke werden möglichst wenig bewegt und nicht über 30° gebeugt.
  • In keinem Fall darf die Extremität hoch gelagert werden. Kontraindiziert sind auch äußerliche Wärme- und Kälteanwendungen. Wärme steigert die Durchblutung und somit den Sauerstoffbedarf im betroffenen Bereich, was die Symptomatik steigern würde.
  • Die betroffene Extremität darf in keinem Fall massiert werden, da dieses die Gefahr einer weiteren Embolie erheblich steigern würde.
  • Der Zustand des Bewohners wird beobachtet und dokumentiert. Relevante Kriterien sind Schmerzlokalisation und Schmerzintensität, Bewusstseinszustand, Farbe der Haut, Hautwärme, Qualität und Frequenz der Bein- und Fußpulse, Umfang der Beine usw. Um einen Schockzustand rechtzeitig zu bemerken, muss die Erfassung der Vitaldaten alle 10 Minuten wiederholt werden.
  • Der Bewohner soll bis zum Eintreffen des Notarztes Bettruhe halten. Durch die Ruhigstellung wird der Sauerstoffbedarf im betroffenen Gebiet gesenkt. Wir beachten, dass sich innerhalb kürzester Zeit ein Dekubitus entwickeln kann. Daher werden gefährdete Körperregionen vor Druckeinwirkung geschützt.
  • Der Bewohner darf keine Flüssigkeit oder Nahrung zu sich nehmen, da er ggf. in kurzer Zeit operiert wird.
  • Eine Pflegekraft bleibt stets beim Bewohner und beruhigt ihn.
  • Der Bewohner erhält keine intramuskulären Injektionen, da diese bei der nun folgenden Lysetherapie (Behandlungsverfahren zur medikamentösen Auflösung von Blutgerinnseln) kontraindiziert sind. Es könnten sich Hämatome ausbilden. Zudem würde es aus dem Stichkanal ggf. anhaltend bluten.
Nachbereitung: Prognose
  • Die Überlebensaussichten sind abhängig davon, ob wir schnell und richtig handeln.
  • Wird der Notfall zeitnah erkannt und korrekt behandelt, muss der Bewohner i.d.R. keine bleibenden Schädigungen befürchten.
  • Ein Verschluss der Darmgefäße führt bei sieben von zehn betroffenen Senioren zum Tod.
  • Nervengewebe geht bereits nach 2 bis 4 Stunden unter.
  • Wenn der Sauerstoffmangel 6 bis 12 Stunden nicht bemerkt wird, zerfällt das Gewebe und die Extremität muss ggf. amputiert werden.
weitere Maßnahmen
Nach Abfahrt des Bewohners im Rettungstransportwagen:
  • Das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
  • Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
  • Der Verlauf der Geschehnisse von den ersten Symptomen bis zum Eintreffen des Notarztes wird im Team noch einmal besprochen. Ziel ist es, ggf. aufgetretene Versäumnisse zu identifizieren.
  • Sobald der Bewohner aus dem Krankenhaus zurückkehrt, wird geprüft, ob und wie die Pflegeplanung aktualisiert werden muss. Wichtig ist zunächst die Anpassung der Versorgung an etwaige neue körperliche Defizite, wie etwa Einschränkungen im Bereich der Mobilität und der Verdauung. Überdies ist es sinnvoll, dem Bewohner zu erläutern, wie er durch einen gesünderen Lebenswandel einen erneuten derartigen Notfall vermeiden kann.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Fragen an den Arzt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Mitarbeiter
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Arterienschluss; Herz; Notfall
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