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Demenz: Häufig gestellte Fragen unserer Leser

 
Bei der Versorgung von Demenzkranken mag es an vielem mangeln. Eines jedoch gibt es im Überfluss: Konzepte und Skalen, die für sich den letzten Stand der Weisheit in Anspruch nehmen. Höchste Zeit, ein wenig Licht in Domus, GDS, ROT & Co zu bringen.
 
 
Ich bin Bezugspflegekraft einer Bewohnerin mit Alzheimer. Neulich erwähnte die Tochter, dass die Krankheit ihrer Mutter in einer Memory-Klinik festgestellt worden sei. Meine Frage: Was ist eine Memory-Klinik?
  • Eine Memory-Klinik (memory, englisch für erinnern) oder eine Gedächtnissprechstunde ist eine Institution, an die man sich wenden kann, wenn man abklären lassen möchte, ob man selbst oder ein Angehöriger von einer dementiellen Erkrankung betroffen ist.
  • Diese Gedächtnissprechstunde wird oft von Krankenhäusern, psychiatrischen Krankenhäusern oder etwa von niedergelassenen Neurologen oder Psychiatern angeboten.
  • Diese bieten eine spezialisierte Untersuchung an. Dabei wird der Patient befragt und sowohl psychologisch als auch körperlich untersucht, ob eine neurologische bzw. dementielle Erkrankung vorliegt.
   
In der Diskussion über Wohnformen für Demenzkranke fiel der Begriff "Domus-Prinzip. Was ist darunter zu verstehen?
Der Begriff "Domus-Prinzip" steht für ein bestimmtes Wohn- und Betreuungskonzept Demenzkranker, das in England entwickelt worden ist. Hier leben in einem Wohnbereich eine eng begrenzte Anzahl Demenzkranker im fortgeschrittenen Stadium zusammen. Damit erreicht man eine relativ homogene Gruppe mit ähnlichen Bedürfnissen, auf die man dann mit veränderten Strukturen und Abläufen wesentlich besser eingehen kann.

Ein Beispiel:

  • Bewohner mit fortgeschrittener Demenz verlieren die Fähigkeit, zwischen eigenem und fremdem Besitz zu unterscheiden. Sie wandern umher, gehen in "fremden" Zimmern an den Schrank und ziehen sich dort eine Strickjacke über. In einer integrativen Einrichtung, in der Demenzkranke mit nicht dementen Bewohnern zusammen leben, führt dieses Verhalten naturgemäß immer wieder zu Konflikten zwischen den Bewohnern.
  • Aber in einer Wohngruppe mit ausschließlich Demenzkranken wird von vornherein festgelegt, dass die Kleidung aller Bewohner auch durchaus von anderen Bewohnern getragen werden darf. Das bedeutet, dass das Prinzip "mein und dein" außer Kraft gesetzt ist und somit Konflikte erst gar nicht entstehen. Die dementen Bewohner leben wie in einer Familie mit einer individuellen Tagesstrukturierung. Weitere Vorteile aus dieser Wohnform ergeben sich auch daraus, dass die Pflegekräfte, anders als in einer integrativen Einrichtung, durchgängig und konsequent weitere Konzepte etwa Validation, 10-Minuten-Aktivierung, basale Stimulation, Snoezelen anwenden können.
   
In einem Arztbericht stand über unseren Bewohner zu lesen, dass er laut GDS-Reisberg-Skala Stadium 5 eingestuft wurde? Was bedeutet das genau?

Die GDS (global deterioration scale)-Reisberg-Skala ist ein Instrument zur Bestimmung des Schweregrads einer Demenz. Sie wird gerne in Deutschland zusammen mit weiteren Instrumenten eingesetzt. Sie ist unterteilt in sieben Stadien, die die kognitiven Fähigkeiten beurteilen, etwa die Merkfähigkeit, Verhaltensänderungen usw.

  • Stadium 1: keine Einbußen
  • Stadium 2: zweifelhafte kognitive Einbußen
  • Stadium 3: geringe kognitive Einbrüche
  • Stadium 4: mäßige Einbußen
  • Stadium 5: mittelschwere kognitive Störung
  • Stadium 6: schwere kognitive Einbrüche
  • Stadium 7: sehr schwere kognitive Einbrüche

Generell sind bei einer dementiellen Erkrankung folgende Bereiche betroffen:

  • Kognitive Fähigkeiten: Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen
  • Motorik: Im späten Stadium Verlust der Fähigkeit zu gehen und der Fähigkeit zu sitzen
  • Verhaltensstörungen: Schlafstörungen, Depression, Gereiztheit/Labilität, Essstörungen, Halluzinationen, Angst usw.

Werden die kognitiven Einschränkungen immer größer, so ist damit auch die Selbstpflegefähigkeit immer weiter eingeschränkt. Der Betroffene benötigt in allen AEDL mehr Pflege und Unterstützung.

In den letzten Stadien kommt es zum Verlust der Sprache, Inkontinenz, Kontrollverlust über den gesamten Körper bis hin zum Koma. Wobei die meisten Betroffenen nicht an der Demenz versterben, sondern letztlich an anderen Erkrankungen.

   
Welche Maßnahmen können konkret ergriffen werden, wenn ein Bewohner eine starke Weglauftendenz hat oder ziellos umherirrt?
Viele Demenzkranke haben, wenn sie neu in eine Pflegeeinrichtung ziehen, ein Weglaufverhalten. Bei näherer Betrachtung dürften wir uns als Pflegekräfte darüber nicht wundern. Ein dementer Bewohner kämpft jeden Tag mit Unsicherheiten und Verlusten. Er muss damit fertig werden, dass er mehr und mehr Fähigkeiten verliert. Bei einem Umzug des Bewohners wird ihm auch noch die letzte Vertrautheit, nämlich das eigene Zuhause genommen. Wen kann es da noch verwundern, wenn er wieder nach Hause möchte, um der Verwirrung zu entkommen. Auch Demente in einem fortgeschrittenen Stadium, die schon länger in der Einrichtung sind und etwa gerade in ihrer "Kindheit" leben, suchen ggf. nicht ihre letzte Wohnung oder das Haus, in dem sie gelebt haben, sondern etwa ihr Elternhaus in Ostpreußen.

Indem man diese Bewohner und ihre Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit ernst nimmt und ihre Gefühle wertschätzt, kann ggf. die Weglauftendenz gemildert werden. Folgende Maßnahmen können z.B. ergriffen werden:

  • Die Bezugspflegekraft sollte eine gute Vertrauensbasis schaffen, so dass der Grund des Flüchtens wegfällt.
  • Validierende Gesprächsführung, etwa: "Sie wollen nach Hause, weil es Zuhause doch am schönsten ist. Erzählen Sie doch mal von Ihren Eltern und Geschwistern!"
  • In der Biografiearbeit einen Schlüssel finden, der den Bewohner veranlasst da zu bleiben, etwa in der Situation das alte Familienfoto mit dem Elternhaus im Hintergrund zusammen mit dem Bewohner betrachten.
  • Den Bewohner in einem geschützten Bereich umherwandern lassen.
  • Bringen Sie Orientierungsmöglichkeiten an, wie etwa Piktogramme und Bilder. In der Nacht sollte es ausreichend beleuchtet sein, um Stürzen vorzubeugen.
  • Versuchen Sie den Bewohner abzulenken, ihm eine Beschäftigung anzubieten, die er mag, etwa Wäsche zusammenlegen. Nutzen Sie bei den Beschäftigungen die individuellen Antriebe Ordnung, Pflichtbewusstsein, Fürsorge und die besonderen Fähigkeiten, über die jeder Mensch verfügt.
  • Verändern Sie den Ein- und Ausgangsbereich, indem Sie beispielsweise ein Verkehrsschild "Straße gesperrt" aufhängen.
   
Was ist unter einer Milieutherapie zu verstehen?
In welchem Milieu fühlen Sie sich wohl? Möchten Sie Ihren Alltag in einem Krankenhaus mit langen Fluren und weißem Linoleumboden in einem einzigen Zimmer verbringen, das von dem Flur abgeht? Zugegeben: Heute sieht Gott sei Dank kaum ein Altenpflegeheim noch so aus.

Oder leben Sie lieber in einer Wohnung mit einer Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad, das Sie individuell gestalten können?

Die Milieutherapie meint, dass Demente in einem Wohnbereich leben können, der eher einer Wohngemeinschaft gleicht. So normal wie möglich eben (Normalisierungsprinzip). Dabei soll sich die materielle und soziale Umwelt an die Bedürfnisse der Demenzkranken anpassen. Das betrifft die Tagesstrukturierung und die Gestaltung der Umgebung und Räumlichkeiten. Sämtliche Maßnahmen, die das ermöglichen, machen die Milieutherapie aus:

  • Rundgänge
  • Tastbretter an den Wänden
  • Schränke und Garderoben für alle Bewohner zugänglich und benutzbar
  • helles Licht über 500 Lux mit schattenfreier Ausleuchtung
  • Barriere freie Gänge mit Handläufen
  • ausreichend Dämmerlichter für die Nacht
  • Wohnküche, in der die Bewohner bei der Essenszubereitung helfen können.
  • alte Möbel, vertraute Einrichtungsgegenstände, Kramecken
  • schön angelegter Garten mit Erlebniszonen, etwa ein Fischteich, Kaninchenstall mit Freilauf, Duft- und Tastgarten usw.
  • Validation, basale Stimulation, Snoezelen-Bereich, 10-Minuten-Aktivierung usw.
   
Wann und bei welcher Zielgruppe eignet sich der Einsatz von ROT?
ROT steht für Realitäts-Orientierungs-Training. Dieses Training kann als 24-Stunden-Konzept durchgeführt werden, oder die betreffenden Bewohner werden in sog. ROT-Gruppen zusammen gefasst. Ziel dieses Trainings soll es sein, dass der Demente seine verbliebenen Fähigkeiten ständig trainiert, um sie nicht zu vergessen. Es soll die Orientierung zur eigenen Person, örtlich-räumlich, zur Zeit und zur Situation trainiert und erhalten werden. Dazu werden innerhalb der Wohngruppe bei dem 24-Stunden-Konzept folgende Maßnahmen durchgeführt:

Orientierung zur Person:

  • Der Bewohner sowie alle anderen Personen werden immer mit vollem Namen und Titeln angesprochen.
  • Die Pflegekräfte nutzen die Biografiearbeit, um mit dem Bewohner über sein Leben, seine Familie, Berufstätigkeit usw. zu reden.

zeitliche Orientierung:

  • Große Uhren und Kalender hängen an den Wänden in den verschiedensten Räumen.
  • Auf ROT-Tafeln sieht man das Wetter und die Jahreszeit.

situative Orientierung:

  • Ergotherapeuten üben mit den Bewohnern regelmäßig etwa Kochen, Wasch- und Anziehtraining usw.
  • Die Pflegekräfte verwenden in der Kommunikation einfach strukturierte Sätze, ermuntern den Bewohner dazu, Antworten zu geben und zu wiederholen. Sie wählen Gesprächsthemen mit aktuellem Bezug, sprechen über Erinnerungen. Sie stellen Fragen, und wenn der Bewohner richtig antwortet, wird er gelobt. Antwortet er falsch, wird er vorsichtig und sensibel korrigiert.

räumliche Orientierung:

  • In der Wohngruppe werden Schilder und Piktogramme aufgehängt, die Auskunft über die Räume geben (z.B. Piktogramm "Toilette" für das Bad).
  • Mit Hilfe von verschiedenen Farben werden die Räume unterscheidbar gemacht usw.

Die Zielgruppe sind die Bewohner mit einer leichten bis mittelschweren Demenz. Dieses Konzept wird aber auch kritisch gesehen. Nachteile sind unter anderem:

  • Die enge und vorbestimmte Tagesstruktur durch die vielen Trainingseinheiten.
  • Beim Versagen des Bewohners bei einzelnen Maßnahmen kann der Betreffende mit Wut, Aggressionen oder Rückzug reagieren. Der Betroffene wird ständig mit seinen Defiziten konfrontiert.
  • Es besteht die Gefahr der ständigen Überforderung.
   
 
 
   
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Demenz; Alzheimer; Domus-Prinzip; ROT; Milieutherapie
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