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Version 1.05 - 2014 |
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Umgang mit Selbstmedikation der Bewohner |
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Manch
Apotheke ähnelt heute eher einem Supermarkt. Doch hier erhalten
Senioren statt Bonbons und Schokolade jede Menge Schmerztabletten,
Abführmittel oder Diätpillen. Viele davon rezeptfrei und somit
unbemerkt vom Arzt und von der Bezugspflegekraft. Mit einem kurzen
Standard kann Ihr Team die erheblichen Risiken der Selbstmedikation
senken. |
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Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es nicht,
unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und
an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte,
da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen.
Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten
Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für die
ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen
jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen
"Patient".
Dieses Dokument ist auch
als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar.
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Umgang mit Selbstmedikation der Bewohner |
Definition:
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- Viele Senioren nehmen eigenverantwortlich
Medikamente ein, ohne den Arzt darüber zu informieren. Diese sog.
"Selbstmedikation" ist vor allem bei leichteren Erkrankungen weit
verbreitet, also etwa bei Erkältungen oder bei mäßigen Schmerzzuständen.
- Die zentrale Gefahr bei der Selbstmedikation
sind die Wechselwirkungen zwischen mehreren Arzneimitteln. Diese treten
vor allem dann auf, wenn der Arzt Medikamente verschreibt, ohne zu
wissen, dass der Bewohner weitere rezeptfreie Präparate einnimmt.
Beispiel: Der Bewohner erhält regelmäßig Gerinnungshemmer. Er möchte
nun Kopfschmerzen mit Acetylsalicylsäure therapieren.
- Weitere Risiken gehen von vermeintlich
harmlosen Gesundheitsprodukten aus, wie etwa von Diätpillen oder von
Nahrungsergänzungsmitteln (Vitaminpräparate u. Ä.).
- Rezeptfreie Medikamente, die frei verkäuflich
sind, werden in der Fachsprache "OTC" genannt (engl. für "over the
counter" also "über die Ladentheke").
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Grundsätze:
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- Jeder Bewohner hat das Recht, Medikamente oder
andere Produkte zu kaufen und einzunehmen. Er muss weder Dritte
informieren noch eine Beratung in Anspruch nehmen. Wir haben die
Pflicht, den Bewohner über die damit verbundenen Risiken zu
informieren, ohne dabei diese Rechte einzuschränken.
- Bewohner sollten Medikamente - ohne zuvor den
Arzt zu befragen - nur bei leichten Beschwerden einnehmen. Die
Selbstmedikation sollte auch dann nur für einige Tage erfolgen. Wenn
eine Besserung eintritt oder wenn sich der Zustand verschlechtert,
sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.
- Das zentrale Werkzeug zur Risikominimierung im
Rahmen der Selbstmedikation ist der Informationsaustausch. Wir arbeiten
daher im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten eng mit dem Hausarzt und
mit der Apotheke des Bewohners zusammen.
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Ziele:
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- Der Bewohner ist über die Risiken seiner Selbstmedikation informiert.
- Die Medikamenteneinnahme erfolgt für den Bewohner so sicher wie möglich und ohne unerwünschte Wechselwirkungen.
- Die Menge der insgesamt konsumierten Wirkstoffe wird auf das medizinisch begründete Maß reduziert.
- Alle Arzneimittel, die der Bewohner konsumiert, werden in der Pflegedokumentation korrekt erfasst.
- Die finanziellen Ressourcen des Bewohners werden geschont. Er kauft keine unnötigen Medikamente.
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Vorbereitung: |
- Der Bewohner wird über die Risiken der Einnahme
von unnötigen Medikamenten informiert. Wir nehmen dabei Rücksicht auf
den kulturellen Hintergrund, auf den Bildungsgrad sowie auf eine
etwaige demenzielle Erkrankung.
- Beim Heimeinzug fragt die Pflegekraft im Zuge
der Anamnese, welche rezeptfreien Medikamente er noch zusätzlich nimmt.
Wir bringen auch in Erfahrung, ob er noch andere Mittel wie etwa
Nahrungsergänzungsmittel, Vitaminpräparate oder Diätpillen konsumiert.
- Diese Informationssammlung wird im Rahmen der Pflegevisite regelmäßig wiederholt.
- Wenn eine Erkrankung durchgestanden ist, werden
nicht verbrauchte Medikamente nach Rücksprache mit dem Bewohner von uns
verwahrt und ggf. entsorgt. Wir verhindern damit, dass der Bewohner
diese Arzneimittel behält und bei einer ähnlichen Symptomatik
eigenmächtig einnimmt.
- Sofern der Bewohner eine bevorzugte Apotheke
hat, sollte er dort eine Kundenkarte erhalten und diese bei jedem
Einkauf vorlegen. Die Apotheke führt ein Medikationsprofil und erkennt
dadurch, welche Medikamente der Bewohner bereits einnimmt und welche
Wechselwirkungen möglicherweise auftreten.
- Wenn der Bewohner einen Arzt aufsucht, ermahnen
wir ihn, diesen über alle eingenommenen Medikamente zu informieren.
Damit der Bewohner dieses nicht vergisst, schreiben wir ihm ggf. einen
Zettel oder informieren die Arztpraxis selbst.
- Wir prüfen, welche Faktoren zur Selbstmedikation führen. Nach Möglichkeit sollten diese Probleme gelöst werden.
- Der Bewohner will nicht zum Arzt gehen, weil ihm der Besuch zu umständlich ist.
- Der Bewohner unterschätzt seine Erkrankung.
Er ist biografisch so geprägt, dass er nicht "wegen jedes Zipperleins"
zum Arzt gehen möchte.
- Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Bewohner ist gestört.
- Dem Bewohner ist seine Erkrankung peinlich, etwa weil der Intimbereich betroffen ist.
- Dem Bewohner sind die Risiken der Selbstmedikation nicht bekannt.
- Der Bewohner fürchtet, dass er sich die vom Arzt verschriebene Therapie nicht leisten kann.
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Durchführung:
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- Die Pflegekraft sollte hellhörig werden, wenn
der Bewohner über das Internet oder über Zeitschriftenanzeigen
Medikamente oder andere Gesundheitsprodukte bestellt. Ähnliches gilt,
wenn Angehörige mit der Beschaffung beauftragt werden.
- Wir verdeutlichen dem Bewohner, dass
pflanzliche Arzneien (Phytotherapeutika) nicht automatisch
nebenwirkungs- und risikofrei sind.
- Wir raten Bewohnern dringend davon ab, Medikamente untereinander "testweise" zu tauschen.
- Bei leichteren Erkrankungen sollte der Bewohner zunächst "Hausmittel" testen, bevor er ein rezeptfreies Medikament beschafft.
- Wenn sich der Bewohner eigenmächtig Medikamente
aus der Apotheke beschafft und einnimmt, stellen wir sicher, dass er
zumindest den Beipackzettel liest. Wir stehen ihm ggf. für Rückfragen
zur Verfügung. (Hinweis: Oftmals reduziert die Lektüre der möglichen
Gesundheitsgefahren den Impuls zur Selbstmedikation.)
- Sofern die Pflegekraft hinreichende Anzeichen
für eine Gefährdung erkennt, sollte sie Rücksprache mit der Apotheke
oder mit dem behandelnden Arzt halten.
- Der weitere Umgang mit Selbstmedikationen ist
in den jeweiligen Pflegestandards beschrieben, etwa im Standard "Pflege
von Senioren mit Migräne", im Standard "Pflege von Senioren mit
Mandelentzündung" usw.
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Nachbereitung: |
- Die Information und die Aufklärung des Bewohners sowie seine Reaktionen darauf werden sorgfältig dokumentiert.
- In jeder Fallbesprechung wird thematisiert, ob
der Bewohner rezeptfreie Medikamente oder andere Produkte einnimmt. Wir
diskutieren, welche Maßnahmen dann ggf. durchgeführt werden sollen,
etwa die Reduzierung oder Umstellung der Medikamente.
- Sollte es einmal zu stärkeren Wechselwirkungen
gekommen sein, analysieren wir gemeinsam mit dem Hausarzt, der
betreuenden Apotheke und dem Bewohner, welche Medikamente dazu geführt
haben könnten. Es werden dann die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet.
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Dokumente: |
- Medikamentenblatt
- Berichtsblatt
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Verantwortlichkeit / Qualifikation: |
- Pflegefachkräfte
- Pflegehilfskräfte
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Weitere Informationen
zu diesem Thema |
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Schlüsselwörter für diese Seite |
Medikament; Selbstmedikation |
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Genereller
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kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel
diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der
jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt
angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
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