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Version 2.05a - 2016

Standard "Musikbegleitung mit Rhythmusinstrumenten in der Tagespflege"

 
Die erstaunliche Heilkraft von Musik zeigt sich vor allem bei der Betreuung von demenziell veränderten Tagesgästen. Selbst Senioren, die sich tief in die Innenwelt zurückgezogen haben, können mit einer vertrauten Melodie erreicht werden.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


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Standard "Musikbegleitung mit Rhythmusinstrumenten in der Tagespflege"
Definition:
  • In der Musiktherapie setzen wir Musik als Medium ein, um eine nonverbale Kommunikation zu erreichen. Die Musiktherapie ist überall dort sinnvoll, wo eine verbale Kommunikation nur schwer oder gar nicht mehr möglich ist.
  • Tagesgäste haben hier die Möglichkeit, sich nonverbal auszudrücken. Der Zugang zu Gefühlen wie Freude, Liebe, Frustration, Wut, Trauer oder Angst wird über das Instrument erleichtert. Gleichzeitig können seelische Verletzungen und Traumata verarbeitet werden. Musik ist daher ein unverzichtbarer Weg, um insbesondere Alzheimerpatienten anzusprechen. Parallel zum Hören von Musik ist es stets unser Bestreben, die Tagesgäste auch aktiv am Musizieren zu beteiligen.
  • Leider ist nur eine Minderheit unserer Tagesgäste in der Lage, ein Musikinstrument zu spielen. Dieses etwa, weil in jüngeren Jahren die Zeit und das Geld für Unterricht fehlten. Oftmals ist die Fähigkeit zum Spielen komplizierter Instrumente (wie etwa einem Klavier) als Folge des mentalen Abbaus sukzessive verloren gegangen. Rhythmusinstrumente bieten den Vorteil, dass sie auch ohne musikalisches Vorwissen genutzt werden können; insbesondere sind keine Notenkenntnisse erforderlich. Es ist also nicht Ziel der Musikbegleitung, das Spielen eines Instruments zu erlernen, sondern die musikalische Aktivität zu unterstützen.
  • Im Verlauf einer demenziellen Erkrankung bleiben musikalische Fähigkeiten noch lange erhalten. Ganz besonders robust ist i. d. R. das Taktgefühl. Demenzpatienten können daher oftmals auch dann noch eine Rassel sinnvoll nutzen, wenn sie bereits weder sprechen noch singen können. Selbst bei schweren Formen von Demenz bleibt das Gefühlsleben der Tagesgäste noch wach, auch wenn sie ihre Emotionen nicht mehr in Worte fassen können.
  • Bei vielen Senioren ist es im Gegenteil so, dass als Folge der demenziellen Erkrankung die Hemmschwellen sinken. Während mental gesunde Tagesgäste vor der Nutzung einer "kindischen" Rassel zurückschrecken, lassen sich viele Demenzpatienten viel leichter dafür motivieren. Ausgelöst durch Schlüsselreize (wie eine vertraute Melodie) sind alte Erinnerungen (und oft auch Fähigkeiten) plötzlich wieder verfügbar.
Grundsätze:
  • Musikangebote sollten immer auf die Fähigkeiten der Teilnehmergruppe abgestimmt werden. Das Denkvermögen von demenziell veränderten Senioren ist reduziert. Die Reaktionsfähigkeiten sind verlangsamt, das Kurz- und Langzeitgedächtnis sowie die Koordinationsfähigkeiten sind sehr eingeschränkt. Was jedoch oft unvermindert erhalten bleibt, ist die Liebe zur Musik.
  • Der spielerische Faktor hat Vorrang vor therapeutischen oder musikalischen Zielen. Die Musikbegleitung soll unseren Tagesgästen Spaß machen und nicht zur Pflicht werden. Es kommt darauf an, sich über das Instrument auszudrücken und damit Gefühle zu äußern. Es ist also durchaus erwünscht, wenn Senioren mit (unterdrückten) Wutgefühlen etwas härter auf die Trommel schlagen (sofern diese nicht beschädigt wird).
  • Tagesgäste sollen für ihr Engagement gelobt werden.
  • Wir legen Wert auf einen freundschaftlichen Umgang unter den Senioren. Der Übungsleiter wird daher Tagesgäste mit geringen Fähigkeiten vor Spott der anderen Tagesgäste in Schutz nehmen.
Ziele:
  • Der körperliche und der geistige Abbau werden insgesamt verlangsamt. Tagesgäste werden durch das Musizieren aktiviert.
  • Wir vermitteln Entspannung und Spaß. Aggressionen werden abgebaut.
  • Das Musizieren weckt die Lebensfreude des Tagesgasts.
  • Alte Erinnerungen werden wieder geweckt und für den Tagesgast verfügbar gemacht.
  • Tagesgäste, die sich ansonsten zurückziehen, werden wieder im gesellschaftlichen Leben der Einrichtung integriert.
  • Die Kontakte zwischen demenziell veränderten und geistig gesunden Tagesgästen werden intensiviert.
  • Die Bindung zwischen den Tagesgästen untereinander und dem Pflegepersonal wird gestärkt.
  • Das Gedächtnis wird trainiert. Das Konzentrationsvermögen wird gestärkt.
  • Der Tagesgast wird von Schmerzen abgelenkt.
  • Die Selbstheilungskräfte werden aktiviert.
  • Das Selbstwertgefühl wird gestärkt.
  • Wir geben sprachgestörten Tagesgästen eine Möglichkeit, sich auszudrücken.
  • Wir schaffen Raum für Gefühle wie Freude, Ängste, Trauer usw.
Vorbereitung: Organisation
  • Als Übungsleiter setzen wir erfahrene Pflegekräfte, Ergotherapeuten oder Sozialpädagogen ein. Wir achten auf folgende Qualifikationen:
    • Basiskompetenzen der Musiktherapie
    • Grundlagen der Psychologie, Medizin sowie Musik
    • Erfahrungen in Gruppenarbeit
    • Kommunikationsfähigkeit
    • Kenntnisse über Lehrmethoden in der Erwachsenenbildung
    • Kenntnisse über gerontopsychiatrische Krankheitsbilder
  • Angehörige können sich an der Musikbegleitung beteiligen; dieses insbesondere, wenn sie ein Instrument spielen. Die Anwesenheit von (kleinen) Kindern beim Musizieren wirkt sich zumeist sehr förderlich auf die Motivation und auf die Stimmung der Teilnehmer aus.
  • Da das Musizieren hohe Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert, ist der Vormittag als Termin die beste Wahl. Die Musikbegleitung findet einmal in der Woche statt. Die Planung wird mit dem Pflegeteam und den Angehörigen abgestimmt.
  • Die genauen Termine für die Musikbegleitung werden regelmäßig am Schwarzen Brett, auf der Homepage und in der Heimzeitung bekannt gegeben. Terminverschiebungen werden allen teilnehmenden Tagesgästen rechtzeitig mitgeteilt. Die Teilnehmer werden aufgefordert, ihr Hörgerät mit geladenen Batterien und ihre Brille mitzubringen.
  • Gemeinsam mit der Bezugspflegekraft nimmt der Übungsleiter Kontakt zu neuen Tagesgästen auf und lädt diese zur Musikbegleitung ein. Bezugspflegekräfte bzw. Angehörige werden gebeten, relevante Diagnosen rechtzeitig dem Übungsleiter mitzuteilen. Dazu zählen etwa Schwerhörigkeit und Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis.
  • Wir fragen gezielt beim Erstgespräch, ob der neue Tagesgast ein Instrument spielt. Diese Fähigkeit kann er auf Wunsch in der Musikbegleitung einbringen.
  • Ideal ist eine Teilnehmerzahl von 6 bis 12 Tagesgästen. Wenn diese Größe deutlich überschritten wird, teilen wir die Tagesgäste in zwei Gruppen auf, um eine individuelle Betreuung sicherzustellen. Eine Gruppenteilung ist ebenfalls notwendig, wenn das mentale Leistungsniveau innerhalb der Gruppe stark variiert.
  • Zumeist ist es möglich, Senioren mit Demenz bis in die Spätphase der Erkrankung an der Musikgruppe teilnehmen zu lassen. Allerdings ist dann eine Gruppengröße von nur drei bis fünf Teilnehmern sinnvoll.
  • Der Gruppenraum wird reserviert.
  • Das Treffen der Musikbegleitung sollte 45 bis 60 Minuten dauern.
  • Ggf. kann ein Praktikant, ein freiwilliger Mitarbeiter oder ein Pflegeschüler bei der Durchführung der Musikbegleitung mithelfen.
  • Tagesgäste, die nicht selbstständig den Gruppenraum aufsuchen können, werden von Pflegekräften stets dorthin begleitet.
  • Ggf. können die Rhythmusinstrumente selbst von den Tagesgästen hergestellt werden. Wir befestigen Glöckchen an Handschuhen, bauen Rasseln aus Joghurtbechern und Lebensmitteldosen oder fertigen Schlaghölzer aus Besenstielen. Wir achten darauf, dass demenziell schwer erkrankte Senioren keine Gegenstände in den Mund nehmen und verschlucken.
  • Der Übungsleiter wählt die passenden Musikstücke aus. Ideal sind bekannte Melodien, insbesondere Tänze und Volksmusik. Wir beachten, dass Marschmusik bei Menschen mit Kriegstraumata negative Reaktionen hervorrufen kann. Außerdem berücksichtigen wir, dass nicht alle alten Menschen automatisch Volksmusik mögen. Viele z. B. bevorzugen Jazz oder Klassik.
  • Die Auswahl der Lieder muss aber nicht zwangsläufig auf bekannte Melodien beschränkt sein. Gerade weil die für Musik zuständigen Hirnbereiche auch bei Demenz lange aktiv bleiben, können auch neue Lieder eingeübt werden. Zumindest musikalisch können sich Alzheimerpatienten also auch auf Neues einstellen.
Vorbereitung des Raumes:
  • Der Übungsleiter lüftet den Raum durch und stellt ggf. die Heizung an.
  • Ausreichend Stühle werden im Halbkreis aufgestellt. Ggf. werden in der Mitte Tische positioniert.
  • Das Telefon im Gruppenraum wird umgeleitet.
  • Der Raum wird mittels Tischdekoration freundlich gestaltet.
Material:
  • Geeignete Rhythmusinstrumente, etwa
    • Cabasa
    • Tamburine
    • Schellenbäume
    • Schlagstäbe
    • Holzblocktrommel
    • Röhrentrommel
    • Kastagnetten
    • Guiro / Doppel-Guiro
    • Rasseln
    • Vibraslap
    • Falls nötig werden Griffvergrößerungen an den Instrumenten angebracht. Dieses ist vor allem bei Tagesgästen mit rheumatischen Erkrankungen u. Ä. erforderlich.
  • geeignete Getränke, auch für Diabetiker
Durchführung: Versammeln der Tagesgäste:
  • Jeder Tagesgast wird vom Übungsleiter begrüßt.
  • Der Übungsleiter legt eine Teilnehmerliste an.
  • Den Teilnehmern wird ein Toilettengang angeboten.
  • Es wird sichergestellt, dass alle Tagesgäste ihr Hörgerät angeschaltet haben.
  • Tagesgäste, die regelmäßig an der Musikbegleitung teilnehmen, nehmen ihre Stammplätze ein.
  • Neue Tagesgäste mit eingeschränkten Hörfähigkeiten werden beim Gruppenleiter positioniert. Sehbehinderte Senioren sollten dem Gruppenleiter möglichst gegenübersitzen. Der Übungsleiter sollte so sitzen, dass er von allen Teilnehmern gut gesehen werden kann.
  • Tagesgäste mit gleichen oder mit ähnlichen Instrumenten sollten in Gruppen zusammengesetzt werden. Die Tagesgäste können sich dann aneinander orientieren. Zudem fällt es dem Übungsleiter leichter, die Senioren zu instruieren.

Kriterien für die Zuteilung der Instrumente
Die Instrumente werden so verteilt, dass der jeweilige Tagesgast mit der Bedienung weder über- noch unterfordert wird.
  • Bei Hemiplegiepatienten sollten Instrumente eingesetzt werden, die von der mehr betroffenen Hand gehalten werden müssen, während die weniger betroffene Hand darauf spielt. Ideal sind deshalb Tamburine oder kleine Trommeln. Rasseln oder Schellenbäume, die sich einhändig nutzen lassen, sollten nicht für diese Patientengruppe genutzt werden, da die mehr betroffene Seite dann völlig passiv sein würde.
  • Sehr laute Instrumente, die andere Instrumente übertönen können, müssen sehr präzise gespielt werden. Sie sind daher vor allem für mental wenig beeinträchtigte Senioren geeignet.
  • Insgesamt sollte der Anteil der Metallinstrumente gering gehalten werden. Becken und Glockenringe sind sehr laut. Ein falscher Einsatz bringt das Timing der ganzen Gruppe durcheinander. Demenziell deutlich erkrankte Senioren sollten daher vor allem Holz- und Geräuschinstrumente erhalten, etwa Rasseln. Sie stören die Melodie nicht, haben eine moderate Lautstärke und erfordern kein präzises Taktgefühl.
  • Viele Demenzpatienten haben mit der Handhabung einer Handtrommel Probleme, da die Koordination der Hände eingeschränkt ist. Wir prüfen, ob die Nutzung eines Schlegels hilfreich ist. Ggf. soll der Tagesgast nicht mehr mit dem Schlegel auf die Trommel klopfen, sondern rhythmisch über die Trommel wischen.
  • Senioren mit Hörbehinderungen sollten Instrumente mit tiefer Tonlage erhalten, insbesondere also Holzinstrumente oder Handtrommeln. Sie können diese zumeist besser hören.





 
 
Infoblock PSG II und SIS
  • Die “AEDL sich beschäftigen” und “AEDL soziale Bereiche des Lebens sichern” finden sich jetzt in Modul 6 “Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte” am ehesten wieder. In dem Modul 6 geht es u.a. um die Gestaltung der sozialen Kontakte und des Tagesablaufes mit den täglichen Routinen und den Beschäftigungsangeboten.
  • Die Berechnung der Punkte in Modul 6 erfolgt auch, wenn sich etwa Punkte aus Modul 2 und 3 überschneiden und dort auch gewertet werden. Bewertet wird, ob der Bewohner selbständig, überwiegend selbständig, überwiegend unselbständig oder unselbständig ist.
  • Beispiel:
    • Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Unterpunkt “Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen” (dazu gehört die Entscheidung am Beschäftigungsangebot teilzunehmen) wirkt sich auch aus bei der “Gestaltung des Tagesablaufes und Anpassung an Veränderungen” aus Modul 6. Beides wird gewertet.
 
 
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Schlüsselwörter für diese Seite Tagespflege; Rhythmus; Musik; Begleitung, rhythmische
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