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Version 1.05a - 2015

Standard "Rasselatmung und Atemnot im Sterbeprozess"

 
Das rasselnde Geräusch bei jedem Atemzug verfolgt Angehörige oft noch Jahre nach dem Tod eines Senioren. Um der Familie dieses Trauma zu ersparen, werden Sterbende abgesaugt und mit Medikamenten samt Sauerstoff behandelt. Für Betroffene ist das zumeist eine unnötige Quälerei.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Rasselatmung und Atemnot im Sterbeprozess"
Definition:
  • Im Sterbeprozess verlieren viele Senioren die Fähigkeit, das produzierte Atemwegssekret und den angesammelten Speichel wie üblich abzuhusten oder zu schlucken. Es kommt daher insbesondere in den letzten Lebenstagen und -stunden zu einer geräuschvollen Rasselatmung.
  • Umgangssprachlich wird diese Geräuschentwicklung auch "Todesrasseln" oder "terminales Rasseln" genannt. Wir nutzen diese Begriffe nicht.
  • Die Rasselatmung tritt bei 60 bis 90 Prozent der Sterbenden auf; dieses zumeist in den letzten 72 bis 48 Stunden vor dem Tod.
  • Für viele Angehörige stellt das Todesrasseln eine erhebliche emotionale Belastung dar. Sie glauben, dass der Bewohner qualvoll erstickt. Dieses ist jedoch i.d.R. nicht der Fall. Die Rasselatmung ist kein Zeichen von Atemnot. Bei den meisten Betroffenen kommt es überdies als Folge der hohen Konzentration von Kohlendioxid im Blut zu einer Bewusstseinseintrübung. Sie werden eine Behinderung der Atmung daher nicht oder nur sehr eingeschränkt wahrnehmen.
Grundsätze:
  • Uns ist bewusst, dass die Rasselatmung für Angehörige verstörend sein muss. Es widerspricht aber unserem Verständnis einer bewohnerorientierten Versorgung, wenn wir auf diese Ängste mit unreflektiertem Aktionismus reagieren.
Ziele:
  • Die Rasselatmung wird gelindert oder behoben, ohne den Sterbeprozess durch vermeidbare Pflegemaßnahmen zu stören.
  • Die Gefühle und die Ängste der Angehörigen werden ernst genommen.
Vorbereitung:
  • Sofern der Bewohner zu seiner Situation orientiert ist, ermuntern wir ihn frühzeitig, seine letzten Angelegenheiten zu regeln. Sehr wichtig ist es, eine Patientenverfügung aufzusetzen oder diese zu aktualisieren. Wir fragen den Bewohner, ob er lebensverlängernde Maßnahmen wünscht.
  • Wir suchen frühzeitig den Kontakt mit dem behandelnden Arzt und bitten diesen um die Verschreibung der notwendigen Wirkstoffe. Die medikamentöse Linderung der Beschwerden sollte möglichst zu Beginn des Sterbeprozesses einsetzen. Insbesondere sekretionshemmende Arzneimittel zeigen die gewünschte Wirkung erst nach einigem zeitlichen Vorlauf.
  • Der Zustand des Bewohners im Sterbeprozess wird engmaschig überwacht. Hinsichtlich der Atmung sind vor allem folgende Faktoren relevant:
    • Gesichtsausdruck und Mimik
    • Hautfarbe
    • Wachheit
    • Atemgeräusche
    • Atemtiefe und Atemfrequenz
    • Speichelfluss
  • Wenn der Bewohner mutmaßlich als Folge der Rasselatmung unruhig, angespannt und gequält wirkt, sind pflegerische und medikamentöse Maßnahmen zur Linderung einzuleiten. Ansonsten greifen wir nicht ein.
  • (Hinweis: In der Praxis werden oftmals dennoch Medikamente verschrieben und appliziert. Dieses aber weniger aus Sorge um den Patienten, sondern um verängstigte Angehörige zu beruhigen. Dieses ist nicht völlig widersinnig, da entspannte Familienmitglieder beruhigend auch auf den Sterbenden einwirken.)
Durchführung:
  • Wir prüfen, ob eine angenehme Lagerung die Atmung unterstützt:
    • Der Bewohner wird in eine leichte Oberkörperhochlagerung gebracht. Die Arme werden unterlagert, um die Schultern zu entlasten. Das Fußende wird leicht gesenkt.
    • Alternativ wird der Bewohner in eine Seitenlagerung gebracht. Ggf. wird der Oberkörper leicht erhöht positioniert, indem das Kopfende des Bettes etwas angehoben wird.
    • Möglich ist auch eine Seitenlagerung bei flachem Kopfende. Oft kann der Schleim dann aus dem Mund herausfließen.
  • In einigen Fällen hilft es dem Bewohner, wenn die Fenster geöffnet werden oder wenn ein kleiner Tischventilator auf ihn gerichtet wird.
  • Das Zimmer wird kühl gehalten. Unangenehme Gerüche sollten vermieden werden.
  • Wir stellen sicher, dass die Atmung des Bewohners nicht durch einengende Kleidung behindert wird.
  • Wir prüfen, ob der Bewohner abgesaugt werden soll.
    • Wenn die Atmung des Bewohners stark beeinträchtigt wird und z.B. eine Zyanose auftritt, saugt die Pflegekraft den Mundraum und den oberen Atemtrakt ab.
    • Tieferes endotracheales Absaugen sollte vermieden werden. Es ist für Sterbende eine große Qual. Überdies kann die Schleimhaut verletzt oder gereizt werden.
    • Das Absaugen ist auch deshalb wenig effektiv, weil sich der Schleim rasch nachbildet.
  • Mit fortschreitender Dehydratation lindert sich das Rasseln, da sowohl die Speichelproduktion als auch die Sekretproduktion im Rachen und in den Bronchien abnehmen. Überdies reduziert der Flüssigkeitsmangel ein etwaiges Lungenödem und die Atemnot.
  • Wir beruhigen Angehörige, die vom Rasseln erschreckt sind. Wir verdeutlichen ihnen, dass das Rasseln nicht zwangsläufig auch zur Atemnot führt. Dieses kann daran abgelesen werden, dass die Gesichtszüge des Bewohners trotz des Rasselns entspannt wirken. Auch die Atemfrequenz ist meistens recht langsam und gleichmäßig. Beides wäre bei Atemnot nicht der Fall.
  • Bei Atemnot und bei sichtbarer Zyanose kann der Bewohner Sauerstoff erhalten. Die Sauerstoffapplikation sollte nach Möglichkeit nicht permanent erfolgen, sondern auf Situationen mit erhöhtem Sauerstoffbedarf beschränkt bleiben; also etwa Schmerzattacken oder anstrengende Mobilisierungen. Sauerstoff sollte nicht lediglich dazu verabreicht werden, um Angehörige zu beruhigen.
  • Problematisch ist der Teufelskreis aus Atemnot, Angst und noch mehr Atemnot. In Absprache mit dem behandelnden Arzt erhält der Bewohner daher Morphin. Dieses reduziert die Atemarbeit und die Atemfrequenz. Morphin steigert die Atemtiefe und die Ventilation der Lungenbläschen. Durch die Dämpfung des Atemzentrums wird die gefühlte Atemnot gelindert. Gleichzeitig erhöht der Wirkstoff die Toleranz gegenüber den gesteigerten Kohlendioxidwerten.
  • Die Dosierung des Morphins basiert auf dem Prinzip des Ausprobierens. Die Dosis ist also dann richtig, wenn der gewünschte Effekt eintritt. Zumeist werden für die Linderung der Atemnot 50 bis 70 Prozent der Wirkstoffmenge benötigt, die für eine Schmerztherapie erforderlich wäre.
  • Die Applikation des Morphins erfolgt über Wirkstoffpflaster. Problematisch sind die in der Sterbephase oftmals gesteigerte Schweißproduktion und die verminderte Hautdurchblutung, da diese die Aufnahme des Wirkstoffs stören. Wir nutzen dann alternative Verabreichungswege, wie etwa eine Injektion.
  • Überdies bieten sich verschiedene Medikamente wie etwa Scopolamin-Pflaster an. Diese hemmen die Schleimabsonderung in den Atemwegen. (Hinweis: Der therapeutische Wert ist umstritten.)
  • Bei einigen Sterbenden mit Atemnot ist die Verabreichung von angstlösenden Medikamenten sinnvoll. Falls der Bewohner gleichzeitig unter Husten leidet, applizieren wir einen Hustenblocker.
Nachbereitung:
  • Bei einem Großteil der Sterbenden kommt es zu einer sog. "terminalen CO2-Narkose". Der Bewohner erstickt also nicht bei vollem Bewusstsein, sondern schläft zuvor ein. Die Kohlendioxidkonzentration steigt, die Sauerstoffsättigung sinkt und der Bewohner verstirbt.
Dokumente:
  • Pflegebericht
  • Medikamentenblatt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
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