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Version 1.05 - 2015

Standard "Tanzen und Tanzspiele in der Tagespflege"

 
Ein Orchester, eine vertraute Melodie - und schon wippt der Fuß im Viervierteltakt mit. Selbst eine fortschreitende Demenz kann die tiefe biografische Verankerung des Tanzens nicht völlig auflösen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie diesen Effekt für die Aktivierung von Senioren nutzen können.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Tanzen und Tanzspiele in der Tagespflege"
Definition:
  • Der Tanz ist eine Bewegungsform, die vielen Senioren aus ihrer Jugend vertraut ist. Mit dem Seniorentanz knüpfen wir an diese biografische Verwurzelung an und nutzen sie für die Aktivierung.
  • Der Seniorentanz wirkt sich in vielerlei Weise fördernd auf den Gesamtzustand des Bewohners aus.
    • Durch die körperliche Aktivität werden Kreislauf, Muskulatur und Koordinationsfähigkeit gefördert.
    • Durch die persönliche Interaktion der Teilnehmer werden diese besser in das soziale Leben der Einrichtung integriert. Isolation und Depressionen werden vermieden.
    • Das Tanzen hat überdies positive Auswirkungen auf die Gedächtnisleistung. Die Teilnehmer müssen sich Bewegungsabläufe und Schrittfolgen einprägen.
  • Sich rhythmisch zur Musik zu bewegen, ist eine Fähigkeit, die auch bei fortschreitender hirnorganischer Degeneration lange erhalten bleibt. Wir nutzen den Seniorentanz daher auch im Rahmen unserer Dementenbetreuung.
  • Durch die Anpassung des Schwierigkeitsgrades an die körperlichen und mentalen Ressourcen kann der Seniorentanz für ein breites Publikum genutzt werden.
Grundsätze:
  • Die Teilnahme am Sitztanz ist freiwillig. Dennoch ist jeder Bewohner eingeladen, sich einzubringen.
  • Der spielerische Faktor hat Vorrang vor therapeutischen oder musikalischen Zielen. Der Seniorentanz soll unseren Bewohnern primär Spaß machen.
  • Bewohner sollen für gute Leistungen gelobt werden.
  • Wir legen Wert auf einen freundschaftlichen Umgang unter den Senioren. Der Übungsleiter wird daher körperlich eingeschränkte Bewohner vor Spott der Mitbewohner in Schutz nehmen.
Ziele:
  • Der körperliche und geistige Abbau wird insgesamt verlangsamt.
  • Der Tanz weckt die Lebensfreude des Bewohners.
  • Senioren, die für körperliche Aktivitäten sonst nicht zu gewinnen sind, nehmen an dieser Freizeitbeschäftigung teil.
  • Alte Erinnerungen werden wieder geweckt und für den Bewohner verfügbar gemacht.
  • Bewohner, die sich ansonsten zurückziehen, werden wieder im gesellschaftlichen Leben der Einrichtung integriert.
  • Neue Bewohner werden schneller in die Heimgemeinschaft integriert.
  • Die Kontakte zwischen dementiell veränderten und geistig gesunden Bewohnern werden intensiviert.
  • Durch die harmonischen Bewegungsabläufe wird die allgemeine Beweglichkeit des Bewohners gestärkt.
  • Die Körperwahrnehmung und die Koordinationsfähigkeiten werden verbessert.
  • Das Konzentrationsvermögen wird gestärkt.
  • Das Herzkreislaufsystem und die Atemfunktionen werden unterstützt.
  • Aggressionen werden abgebaut.
  • Der Bewohner wird von Schmerzen abgelenkt.
  • Die Selbstheilungskräfte werden aktiviert.
  • Das Selbstwertgefühl wird gestärkt.
Vorbereitung: Qualifikation
  • Als Übungsleiter setzen wir erfahrene Pflegekräfte, Ergotherapeuten oder Sozialpädagogen ein.
  • Ggf. kann ein Praktikant, ein Zivildienstleistender oder ein Pflegeschüler bei der Durchführung des Seniorentanzes mithelfen.
Organisation
  • Da das Tanzen hohe Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert, ist der Vormittag als Termin die beste Wahl. Der Seniorentanz findet einmal in der Woche statt. Die Planung wird mit dem Pflegeteam und der Hauswirtschaft abgestimmt.
  • Die genauen Termine für den Seniorentanz werden regelmäßig am schwarzen Brett und in der Heimzeitung bekannt gegeben. Terminverschiebungen werden allen teilnehmenden Bewohnern rechtzeitig mitgeteilt. Die Teilnehmer werden aufgefordert, geeignete Kleidung, ihr Hörgerät mit geladenen Batterien und ihre Brille mitzubringen.
  • Der Gruppenraum wird reserviert.
  • Der Mitarbeiter legt einen CD-Spieler mit integrierten Boxen bereit. Sinnvoll ist oft auch die Nutzung eines Kassettenrecorders mit variabler Geschwindigkeit. Damit kann das Tempo an die Bedürfnisse der Senioren angepasst werden.
  • Die Wohnbereiche der teilnehmenden Senioren werden informiert. Bewohner, die nicht selbständig den Gruppenraum aufsuchen können, werden von Pflegekräften stets dorthin begleitet und später wieder abgeholt.
  • Der Übungsleiter lüftet den Raum durch und stellt ggf. die Heizung an.
  • Der Raum wird mittels Tischdekoration freundlich gestaltet.
Auswahl der Tänze
  • Der Mitarbeiter wählt die Tänze und die dazu passenden Musikstücke aus. Dabei werden verschiedene Kriterien berücksichtigt:
    • Die Tänze sollten auf einfachen und sich wiederholenden Bewegungen basieren. Schnelle Drehungen, Sprünge u.Ä. sollten vermieden werden. Wir beachten auch, dass viele Betroffene nicht in der Lage sind, den Oberkörper nach vorne zu beugen.
    • Ideal sind Tänze mit gleichberechtigten Partnern, etwa Kreistänze oder Polonaisen.
    • Wir nutzen Tänze, die keine klassische (männliche) Führungsrolle kennen und auch von zwei Frauen getanzt werden können. (Hinweis: Männer sind in der Altersklasse >80 Jahre selten. Frauen können die männliche Führungsrolle in diesem Alter oft nicht mehr erlernen.)
    • Es sollten Tänze gewählt werden, die keine ständigen Partnerwechsel vorsehen.
    • Die Musik sollte möglichst vielen Bewohnern bereits vertraut sein. Es bieten sich insbesondere Lieder an, die aus der Jugendzeit der Bewohner stammen.
    • Die Musik sollte einen Bezug zur Region haben.
    • Die Jahreszeit und insbesondere nahe Feiertage (Erntezeit, Karneval, Weihnachten usw.) sollten berücksichtigt werden.
    • Es sollte Musik ohne Gesang genutzt werden. Insbesondere Bewohner mit dementiellen Erkrankungen werden durch den Text leicht abgelenkt.
    • Die Musik sollte einen deutlichen Rhythmus haben und keine Schwankungen im Tempo aufweisen.
  • Hinweis: Eine große Auswahl an verschiedenen Tänzen hat der Bundesverband Seniorentanz e.V. (www.seniorentanz.de) zusammengestellt.
Vorbereitung:    Qualifikation,
Organisation,
Auswahl der Tänze,
Zusammenstellung der Gruppen

  • Gemeinsam mit der Bezugspflegekraft nimmt der Übungsleiter Kontakt zu neuen Bewohnern auf und lädt diese zum Sitztanz ein. Bezugspflegekräfte werden gebeten, relevante Diagnosen rechtzeitig dem Übungsleiter mitzuteilen.
  • Die Tänze müssen den körperlichen Ressourcen der Bewohner angepasst sein. Diese können durch Lebensalter und Krankheiten (Schlaganfall, Herzinfarkt usw.) deutlich variieren. Falls das Leistungsgefälle innerhalb der Gruppe zu groß ist, sollte eine Teilung der Gruppe erwogen werden.
  • Die Teilnehmerzahl sollte 10 Personen nicht übersteigen. Gibt es mehr Interessenten, bilden wir mehrere Gruppen.
  • Die (wenigen) teilnehmenden Männer sollten möglichst gleichmäßig auf die Gruppen verteilt werden.
  • Der Gruppenleiter schätzt die Teilnehmer ein. Kriterien dabei sind neben den körperlichen Ressourcen auch die mentalen Fähigkeiten.
Durchführung:
  • Jeder Bewohner wird vom Übungsleiter begrüßt.
  • Bewohner mit eingeschränkten Hörfähigkeiten werden nahe am CD-Spieler positioniert. Sehbehinderte Senioren sollten dem Gruppenleiter möglichst gegenüber stehen.
  • Der Übungsleiter legt eine Teilnehmerliste an.
  • Es wird sichergestellt, dass alle Bewohner ihr Hörgerät angeschaltet haben.
  • Das Telefon wird umgeleitet.
  • Neue Musikstücke werden den Bewohnern einmal angespielt. Ggf. gibt der Gruppenleiter Informationen zum Lied, also etwa Entstehungsjahr, Interpret usw.
  • Die Tanzbewegungen werden zunächst ohne Musik geübt. Zumeist reicht es aus, die Bewegungsabfolgen ein- oder zweimal "trocken" vorzuführen.
  • Bei Seniorentänzen gibt es keine klassische Fassung wie beim Gesellschaftstanz. Die Teilnehmer fassen sich an den Händen oder an den Ober- bzw. an den Unterarmen.
  • Während der Übungsstunde sollten Senioren mit verschiedenen Partnern tanzen. Dieses ist jedoch kein Dogma. Wenn zwei Senioren permanent ein Tanzpaar bilden wollen, nehmen wir auf diesen Wunsch Rücksicht. Dieses insbesondere bei Ehe- und Lebenspartnern sowie bei guten Freundinnen.
  • Beim Erklären sollte der Gruppenleiter darauf achten, dass er langsam und gut verständlich redet.
  • Einsätze und Wechsel der Bewegungsabläufe innerhalb eines Stückes werden rechtzeitig angesagt. Diese Tanzansagen müssen immer mit den gleichen Worten formuliert werden, um die Teilnehmer nicht zu verwirren.
  • Es werden ausreichend Pausen eingeplant. In diesen Pausen sollten alle Teilnehmer etwas trinken.
  • Die Anforderungen werden nur langsam gesteigert. Auch der schwächste Teilnehmer muss beim Seniorentanz folgen können.
  • Wenn die Gruppe mit einer Übung überfordert ist, wird der Tanz ggf. wieder vereinfacht.
  • Der Mitarbeiter achtet darauf, dass alle Bewegungen physiologisch durchgeführt werden.
  • Wenn ein einzelner Teilnehmer einen Fehler macht, sollte er nicht vor den Augen der anderen Senioren darauf angesprochen werden. Dieses könnte sein Selbstvertrauen beschädigen. Sinnvoller ist es, der gesamten Gruppe den Bewegungsablauf noch einmal zu demonstrieren.
  • Leistungsdruck sollte unterbleiben. Der Gruppenleiter bremst übereifrige Teilnehmer und ermahnt die gesamte Gruppe, die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu beachten.
  • Die Bewohner werden ausgiebig gelobt.
  • Die Anweisungen sollten kurz und präzise sein. Zu viele Erklärungen hemmen den Ablauf.
Variationen:
  • Polonaise: Die Senioren stellen sich paarweise hintereinander auf und tanzen einfache Schritte. Die Paare trennen sich, finden wieder zusammen, bilden Tore, durch die andere Senioren hindurchgehen können.
  • Ballontanz: Ein aufgeblasener Luftballon wird zwischen die Köpfe, Bäuche, Knie oder Rücken des Tanzpaares geklemmt. Der Ballon darf mit den Händen nicht berührt werden. Das Paar, das den Ballon am längsten in der Luft hält, gewinnt.
  • Zeitungstanz; eine Variante der "Reise nach Jerusalem": Die Paare tanzen um Zeitungen herum, die am Boden liegen. Bricht die Musik ab, müssen sich die Paare auf die nächstgelegene Zeitung stellen. Da immer eine Zeitung zu wenig auf dem Boden liegt, muss ein Paar ausscheiden.
Nachbereitung:
  • Der Raum wird gelüftet und aufgeräumt.
  • Relevante Beobachtungen werden an die Bezugspflegekräfte weitergegeben.
  • Die Übungsstunde wird protokolliert.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Pflegeplanung
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Altenpfleger- und helfer
  • Ergotherapeuten
  • Krankengymnasten
  • Krankenschwestern
  • Altentherapeuten und
  • ähnliche in der Altenarbeit tätige Berufsgruppen
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite Tagespflege; Beschäftigung; Rhythmus; Musik; Begleitung, rhythmische; Tanz
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