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Version 2.05 - 2013

Notfallstandard "Lungenembolie"

 
Unbestritten: Ein Senior mit Lungenembolie gehört schnellstmöglich ins Krankenhaus. Das Problem: Bei Pflegebedürftigen können die Symptome anfangs nur allzu leicht mit den alltäglichen Zipperlein verwechselt werden. Unser Standard zeigt, wie Ihre Mitarbeiter eine Lungenembolie sicher erkennen und dann korrekt handeln.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!
 

Notfallstandard "Lungenembolie"
Definition:
  • Bei einer Lungenembolie werden die Pulmonararterien durch einen Fremdkörper blockiert. Dieses Hindernis kann entweder Fett, Luft, Tumorgewebe oder ein Thrombus sein. Thromben stammen zumeist aus den tiefen Bein- und Beckenvenen.
  • In der Folge erhöht sich der Widerstand in der Gefäßstrombahn. Der Druck in der rechten Herzkammer steigt. Der Gasaustausch wird gestört und das Herzminutenvolumen (HZV) sinkt. Letztlich kommt es ggf. zum Herzversagen.
  • Die Schwere der Symptome ist abhängig vom Grad der Verlegung. Eine massive Lungenembolie liegt vor, wenn mehr als die Hälfte der Lungenstrombahn blockiert ist. Dieses passiert in jedem zehnten bis zwanzigsten Fall. Ggf. kann der Tod binnen Minuten eintreten.
  • Je nach Umfang der Embolie wird zwischen vier Schweregraden unterschieden:
    • Grad I ("klein"): Die Gefäßverschlüsse beschränken sich auf periphere Äste.
    • Grad II ("submassiv"): Auch die Segmentarterien sind betroffen.
    • Grad III ("massiv"): Ein Pulmonalarterienast ist verschlossen.
    • Grad IV ("fulminant"): Der Pulmonalarterienhauptast ist verschlossen oder mehrere Pulmonalarterienäste sind verschlossen.
  • Vier von fünf Embolien verlaufen "stumm", werden also aufgrund mangelnder Symptome nicht erkannt.
  • Eine Lungenembolie ist eine gefährliche und häufige Komplikation nach operativen Eingriffen. Sie tritt gehäuft morgens nach dem Aufstehen sowie beim Stuhlgang (beim Pressen) auf.
  • Das Tückische an einer Lungenembolie ist, dass die Symptome genauso schnell wieder verschwinden können, wie sie auftraten. Die "gefühlte" Verbesserung ist jedoch trügerisch. Es ist zumeist nur eine Frage der Zeit, bis die Störungen wieder auftreten, dann häufig schwerwiegender.
  • Die Symptome einer Lungenembolie werden individuell sehr unterschiedlich empfunden. Wichtig ist hierbei auch der biografisch verwurzelte Umgang mit Schmerz ("Zähne zusammenbeißen", "Männer weinen nicht" usw.). Pflegekräfte müssen daher sehr feinfühlig auf entsprechende Berichte und Beobachtungen reagieren.
Grundsätze:
  • Wenn hinreichende Anzeichen für eine Lungenembolie sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
  • Bei einer Lungenembolie geht es zwar um Minuten, dennoch dürfen Maßnahmen nicht überhastet werden.
  • Die schriftliche Patientenverfügung wird beachtet, insbesondere bei Reanimationen
Ziele:
  • Der lebensbedrohliche Zustand des Bewohners wird frühzeitig bemerkt.
  • Der Sauerstoffbedarf wird reduziert.
  • Die Sauerstoffversorgung wird verbessert.
  • Die Ablösung weiterer Tromben wird vermieden.
  • Der betroffene Bewohner wird beruhigt.
  • Die Atmung und die Kreislauffunktionen werden unterstützt.
Vorbereitung: Gefährdungsanalyse
Anhand verschiedener Kriterien bestimmen wir das Risiko für jeden Bewohner, an einer Lungenembolie zu erkranken.
  • Übergewicht
  • dekompensierte Herzinsuffizienz
  • Diabetes mellitus
  • erhöhte Gerinnungsneigung des Blutes
  • Hypercholesterolämie (erhöhte Konzentration von Cholesterol im Serum)
  • Nikotinmissbrauch
  • zurückliegende Phlebothrombosen oder bereits überstandene Lungenembolien
  • operative Eingriffe im Hüftbereich oder im Beinbereich
  • Immobilität
  • langes Sitzen mit abgeknickten Beinen
  • häufige Obstipation, harter Stuhl
  • Polycythaemia vera (auch " Vaquez-Osler-Krankheit", eine krankhafte Veränderung im Blutbild)
  • Einnahme von hormonellen Ovulationshemmern ("Antibabypille")
  • Tumorerkrankungen
Symptome
Wir achten auf die typischen Symptome einer Lungenembolie. Wenn es hinreichende Hinweise gibt, wird umgehend der Notarzt gerufen.
  • Kopfschmerz
  • Ohrensausen
  • Sehstörungen
  • sinkender Blutdruck (Grad I: normal, Grad II: leicht erniedrigt, Grad III: stark erniedrigt, Grad IV: Schock)
  • Schwindelgefühle
  • Schmerzen in den Extremitäten
  • Parästhesien (Kribbeln, Taubheit oder Brennen insbesondere in den Armen, Händen und Beinen)
  • Juckreiz
  • kalter Schweiß
  • Hautblässe oder Zyanose (ab Grad III)
  • Tachypnoe ("Schnellatmung"; ab Grad II)
  • Atemnot (Grad I: leichte Einschränkung, Grad II: akute Dyspnoe, Grad III: akute schwere Dyspnoe, Grad IV: Schock)
  • Husten, ggf. mit blutigem Auswurf
  • Bewusstlosigkeit
  • Halsvenenstauung (Die Halsvenen sind als feste Stränge seitlich am Hals zu sehen und auch zu ertasten.)
  • Kreislaufschock (ab Grad IV)
  • Tachykardie ("Herzrasen"; ab Grad II)
  • Schmerzen im Brustkorb, vor allem beim Einatmen (ab Grad II)
  • depressive Stimmungslage
  • Angst
  • Unruhe (ab Grad III)
  • Typische Anzeichen einer tiefen Beinvenenthrombose, also etwa Schwellungen an einem Bein oder eine bläulich verfärbte oder gerötete Haut.
Durchführung:
  • Eine Pflegekraft alarmiert den Notarzt, ein Mitarbeiter (sofern verfügbar) bleibt beim Bewohner.
  • Die Vitaldaten werden ermittelt und dokumentiert. (Ggf. kann es sinnvoll sein, den Blutzuckerwert des Bewohners zu erfassen.)
  • Der Bewohner wird in sein Bett gebracht. Dort bleibt er bis zum Eintreffen des Notarztes. Jedes Umhergehen vergrößert die Gefahr, dass sich weitere Thromben lösen.
  • Die Atmung wird gesichert, insbesondere entfernen wir einengende Kleidung. Wir bereiten uns damit insbesondere auch darauf vor, dass der Bewohner reanimiert werden muss.
  • Wir öffnen ggf. das Fenster.
  • Wir lagern den Oberkörper hoch. Das senkt den intrathorakalen Druck.
  • Bei einem Schockzustand wird nur eine mäßige Hochlagerung gewählt. In keinem Fall wird bei einem Schock die Kopftieflage durchgeführt. Dieses könnte zur Volumenverschiebung mit akutem Herzversagen führen. Es kann sinnvoll sein, die Beine auf Herzniveau anzuheben (sog. "Siesta-Lagerung")
  • Bei starken Schmerzen erhält der Bewohner auf ärztliche Anweisung ein Analgetikum; etwa Opioide.
  • Sofern ärztlich verordnet erhält ein sehr verängstigter und unruhiger Bewohner ein Beruhigungsmittel; etwa Diazepam.
  • Ggf. erhält der Bewohner maximal 10 Liter Sauerstoff pro Minute über eine Maske. (Hinweis: Die richtige Dosis Sauerstoff ist umstritten. Manche Mediziner empfehlen lediglich 2 Liter pro Minute.) Der Bewohner wird dabei genau überwacht. (Hinweis: Eine Applikation per Nasensonde oder Sauerstoffbrille ist problematisch, da ein Mensch in Panik zumeist durch den Mund atmet.)
  • Ggf. wird der Bewohner reanimiert.
  • Bei Verdacht auf eine Lungenembolie dürfen keine i.m.-Injektionen verabreicht werden.
  • Die Krankenhauseinweisung wird vorbereitet.
Nachbereitung: Prognose
  • Nach einer überstandenen Lungenembolie muss sich der Bewohner einer halb- bis ganzjährigen Antikoagulanzientherapie unterziehen (sog. "Marcumarisierung").
  • Nach einer Lungenembolie können größere Areale der Lunge absterben (sog. "Lungeninfarkt"). Daraus ergibt sich eine reduzierte Funktionsfähigkeit, etwa Kurzatmigkeit.
  • Die Lunge und das Rippenfell können sich entzünden.
  • Die Prognose einer Lungenembolie ist von verschiedenen Faktoren abhängig, etwa vom Schweregrad der Embolie, vom Lebensalter und vom Allgemeinzustand des Bewohners. Relevant ist auch der Zeitpunkt des Beginns der (notärztlichen) Behandlung sowie ggf. auftretende Komplikationen. Kleine Lungenembolien verlaufen i.d.R. unproblematisch. Die Verlegung einer großen Lungenarterie hingegen ist lebensbedrohlich. Wenn eine Lungenembolie gleich zu Beginn schwere Kreislaufstörungen auslöst, liegt die Sterblichkeit bei mehr als 15 Prozent.
weitere Maßnahmen
  • nach Abfahrt des Bewohners im Rettungstransportwagen:
    • das Ereignis wird sorgfältig dokumentiert.
    • Die Pflegedienstleitung und die Heimleitung werden (sofern noch nicht geschehen) informiert.
  • Der Verlauf der Geschehnisse von den ersten Symptomen bis zum Eintreffen des Notarztes wird im Team noch einmal besprochen. Ziel ist es, ggf. aufgetretene Versäumnisse zu identifizieren.
Dokumente:
  • Berichtsblatt
  • Vitaldatenblatt
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • alle Pflegekräfte
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema

Schlüsselwörter für diese Seite Lunge; Lungenembolie; Embolie; Notfall; Sauerstoff
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