Das Ziel der
Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) ist das sichere
Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten zum Schutz von
- Heimbewohnern / Patienten,
- den Anwendern (also in der Regel den Pflegekräften)
- und Dritten.
Ein Blutzuckermessgerät ist ein aktives nichtimplantierbares
Medizinprodukt mit Messfunktion (siehe Klassifizierung von
Medizinprodukten nach dem Medizinproduktegesetz). Wenn ein
Alten- und Pflegeheim oder ein ambulanter Pflegedienst
Blutzuckermessgeräte angeschafft hat, so ist dieser der
Betreiber des Medizinprodukts und unterliegt den Vorschriften
der MPBetreibV.
Die Pflegekräfte, die Blutzuckermessgeräte am Bewohner oder
Patienten einsetzen, sind Anwender dieses Medizinprodukts. Beide
Parteien (sowohl Betreiber als auch Anwender) haben bestimmte
Pflichten einzuhalten, die sich aus diesen gesetzlichen
Regelwerken ergeben.
Pflichten der Betreiber:
Betreiber der Medizinprodukte können natürliche Personen sein
(Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes oder eines Altenheims)
oder juristische Personen (Träger eines ambulanten
Pflegedienstes oder Altenheims). Sie sind im Sinne des Gesetzes
für die sichere Anwendung und Instandhaltung des Medizinprodukts
verantwortlich.
Führen eines Bestandsverzeichnisses:
Für alle aktiven nichtimplantierbaren Medizinprodukte müssen
laut § 8 MPBetreibV Abs. 2 ein Bestandsverzeichnis vom Betreiber
geführt werden.
Dem Betreiber ist freigestellt, in welcher Weise er sein
Bestandsverzeichnis führt, etwa in Form von Karteikarten oder
per EDV. Die Inhalte des Bestandsverzeichnisses sind jedoch
gesetzlich vorgegeben:
- "Bezeichnung, Art und Typ, Loscode oder die Seriennummer,
Anschaffungsjahr des Medizinproduktes,
- Name oder Firma und die Anschrift des für das jeweilige
Medizinprodukt Verantwortlichen nach § 5 des
Medizinproduktegesetzes,
- die der CE-Kennzeichnung hinzugefügte Kennnummer der
benannten Stelle, soweit diese nach den Vorschriften des
Medizinproduktegesetzes angegeben ist,
- soweit vorhanden, betriebliche Identifikationsnummer,
- Standort und betriebliche Zuordnung,
- die vom Hersteller angegebene Frist für die
sicherheitstechnische Kontrolle nach § 6 Abs. 1 Satz 1 oder
die vom Betreiber nach § 6 Abs. 1 Satz 2 festgelegte Frist
für die sicherheitstechnische Kontrolle.
- Bei den Angaben nach Nummer 1 sollte zusätzlich die
Bezeichnung nach der vom Deutschen Institut für medizinische
Dokumentation und Information (DIMDI) veröffentlichten
Nomenklatur für Medizinprodukte eingesetzt werden."
Führt der Betreiber kein ordnungsgemäßes Bestandsverzeichnis,
stellt das eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit bis zu 25.000 €
Geldbuße geahndet werden kann. Er muss der autorisierten Stelle
jederzeit das Bestandsverzeichnis vorlegen können, z.B. der
Heimaufsicht.
Einweisung und Dokumentation durch den Betreiber:
- Der § 2 MPBetreibV schreibt vor, dass "…Medizinprodukte nur
von Personen errichtet, betrieben, angewendet und in Stand
gehalten werden, die dafür die erforderliche Ausbildung oder
Kenntnis und Erfahrung besitzen."
- Die Dokumentation der Einweisung sollte aus
haftungsrechtlichen Gründen mit Hilfe eines standardisierten
Formblatts erfolgen. Und es muss sichergestellt werden, dass der
Mitarbeiter, der seine Kollegen in das Medizinprodukt einweist,
selbst über die erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und
Erfahrung verfügt.
Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache:
- Der Betreiber ist verpflichtet, die Gebrauchsanweisung oder
eine Kopie davon am Einsatzort vorzuhalten. Anwender, also in
der Regel die Pflegekräfte, müssen jederzeit Zugang zur
Gebrauchsanweisung haben.
- Am Beispiel des Blutzuckermessgerätes sind also die
Informationen z.B. zu Intervallen zur Wartung und Prüfung der
Messgenauigkeit der Gebrauchsanweisung zu entnehmen.
- So schreibt der Hersteller eines Blutzuckermessgerätes etwa
zur Prüfung der Messgenauigkeit vor, dass eine bestimmte
Kontrollflüssigkeit zur Kontrolle benutzt werden muss. Zudem
müssen die Code-Nummern im Display des Geräts und der
Teststreifenröhre übereinstimmen. Ebenfalls schreibt er, dass
diese Prüfung immer beim Anbruch einer neuen Teststreifenröhre
geschehen sollte, nach einem Herunterfallen des
Blutzuckermessgerätes oder wenn die Teststreifenröhre nicht
verschlossen oder extremen Temperaturen ausgesetzt war usw.
Mängel an Medizinprodukten
- Medizinprodukte, die Mängel aufweisen, dürfen erst gar nicht
vom Betreiber in Umlauf gebracht werden.
Fristen für sicherheitstechnische und messtechnische
Kontrollen
- Der Betreiber muss Fristen für sicherheitstechnische und
messtechnische Kontrollen einhalten und sicherstellen, dass
diese nur von den dafür zugelassenen Personen / Institutionen
durchgeführt werden (früher Eichkontrollen). Ferner muss an den
Medizinprodukten etwa durch ein Siegel zu erkennen sein, wann
die nächste Überprüfung ansteht. Diese sicherheitstechnischen
Kontrollen dürfen nicht vom Anwender durchgeführt werden.
Pflichten des Anwenders:
Anwendungsverbote nach § 4 MPG:
- begründeter Verdacht auf Gefährdung
- Ablauf des Verfallsdatums (etwa von sterilen
Kathetersets, Medikamenten usw.)
- Mängel an Medizinprodukten, durch die Bewohner /
Patienten, Pflegekräfte oder Dritte gefährdet werden könnten
(defekte Netzkabel, defekte Anschlüsse, Sturzschäden,
defekte sterile Verpackungen usw.). Hat etwa ein elektrisch
betriebenes Pflegebett am Stromkabel einen offensichtlichen
Defekt, muss das Bett sofort vom Stromnetz genommen und aus
dem Verkehr gezogen werden. Der Anwender muss das zur
eigenen Sicherheit
dokumentieren und den Betreiber umgehend informieren.
Der Verstoß gegen diese drei grundlegenden Anwendungsverbote
kann eine Geld- oder Freiheitsstrafe für den Anwender nach sich
ziehen.
Holschuld zur Einweisung oder Wiederholungseinweisung:
- Für jeden Anwender gilt der Grundsatz: "Keine Anwendung eines
Medizinprodukts ohne Einweisung!"
Ein Anwender, der ohne Einweisung ein Medizinprodukt anwendet,
macht sich strafbar, insbesondere dann wenn eine Person zu Schaden
kommt. Die Pflegekräfte sind verpflichtet, sich alle
Informationen zum Betrieb der Medizinprodukte zu besorgen, bzw.
vom Betreiber eine Einweisung zu verlangen. Sie dürfen das
Medizinprodukt nur für den Zweck verwenden, für den das Gerät
oder das Produkt vom Hersteller bestimmt ist.
- Die Einweisung sollte aus haftungsrechtlichen Gründen hier
ebenfalls dokumentiert werden.
Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache:
- Genauso ist die Pflegekraft verpflichtet, bei Zweifeln etwa
zur Wartung oder zur Prüfung eines Blutzuckermessgerätes die
entsprechenden Informationen in der Gebrauchsanweisung
nachzulesen.
vor jeder Anwendung Prüfung der Funktionsfähigkeit und des
ordnungsgemäßen Zustands des Medizinprodukts
- Eine Pflegekraft muss sich bevor sie z.B. ein
Blutzuckermessgerät anwendet, davon überzeugen, dass es intakt
ist und dass es keine offensichtlichen Schäden aufweist.
Zusätzlich muss auch Zubehör geprüft werden, etwa ob die
Teststreifen abgelaufen sind oder ob das Röhrchen verschlossen
war usw.
Pflichten von Betreibern und Anwendern:
Meldepflicht nach § 3 MPBetreibV:
Hiernach müssen Betreiber und Anwender Vorkommnisse im
Zusammenhang mit Medizinprodukten melden. Die Europäische Union
hat ein länderübergreifendes Beobachtungs- und Meldesystem
eingerichtet, mit dem Ziel, Medizinprodukte sicherer zu machen.
Sie will bei Vorkommnissen schnell eingreifen und reagieren
können. Unter einem Vorkommnis versteht der Gesetzgeber
folgendes (§ 2 Medizinprodukte-Sicherheitsplanverordnung):
- ein Ausfall
- eine Funktionsstörung (etwa der Ausfall eines
Alarmgebers am Gerät)
- ein Fehler in der Kennzeichnung des Medizinprodukts oder
in der Bedienungsanleitung (oder die Bedienungsanleitung
drückt sich missverständlich aus usw.)
- oder ein Vorfall, der unmittelbar oder mittelbar zum Tod
oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des
Gesundheitszustandes eines Heimbewohners / Patienten oder
Anwenders oder einer anderen Person geführt hat, führen
könnte oder beinahe dazu geführt hat
- bei Veränderung der Merkmale oder Leistung eines
Medizinprodukts
Beispiel: Durch einen Softwarefehler zeigt das
Blutzuckermessgerät "high" an, während der Bewohner eigentlich
unterzuckert ist. Die nun fällige Insulinapplikation würde den
Betreffenden in Lebensgefahr bringen. Ein solcher Vorfall sollte
gemeldet werden.
Praxistipp:
- Wenn ein Blutzuckermessgerät für mehrere Bewohner / Patienten
eingesetzt wird, sind eine wöchentliche Prüfung der
Messgenauigkeit des Blutzuckergerätes und die Dokumentation der
Prüfung zu empfehlen.
- Gehört einem Bewohner / Patienten das Blutzuckermessgerät
privat und eine Pflegekraft misst für ihn den Blutzucker, dann
gilt wiederum die Medizinprodukte-Betreiberverordnung. Der
Grund: Die Pflegekraft ist als Arbeitnehmer im Gefahren- und
Anwendungsbereich des Medizinprodukts beschäftigt, und dass
obwohl das Heim nicht der Betreiber des Gerätes ist.
- Verleihen Krankenkassen aufgrund einer ärztlichen Verordnung
ein Medizinprodukt (z.B. Blutzuckermessgerät, Badewannenlifter,
Ernährungspumpe, Sauerstoffgerät, energetische
Antidekubitusmatratze usw.) tritt die Krankenkasse als Betreiber
des Medizinprodukts auf und die Pflegekräfte sind als
Arbeitnehmer die Anwender. Auch hier kommt die
Medizinprodukte-Betreiberverordnung in vollem Umfang zum Tragen.
- Die Medizinprodukte-Betreiberverordnung gilt nur dann nicht,
wenn z.B. ein Blutzuckermessgerät einem Bewohner / Patienten
privat gehört und er es völlig selbständig ohne Hilfe einer
Pflegekraft bei sich anwendet.
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