Die Pflegedokumentation gilt, sobald sie
ausgefüllt wird, als Urkunde. Eine nachträgliche Änderung, also
etwa das Streichen von Passagen oder inhaltliche Ergänzungen,
sind gemäß § 267 Abs. 1 StGB eine Urkundenfälschung. In der
Praxis fällt es jedoch oft schwer, eine klare Grenze zu ziehen.
Einige Beispiele:
- Die Pflegedienstleitung Fr. Maier
zeichnet mit dem Kürzel von Fr. Müller in der
Pflegedokumentation ab, da Fr. Müller das Abzeichnen
vergessen hat. Dieses ist eine Urkundenfälschung. Dabei ist
es unerheblich, ob die Eintragung wahr oder frei erfunden
ist.
- Strafbar ist auch das Verfälschen
einer Pflegedokumentation. Dieses ist der Fall, wenn die
Pflegedienstleitung eine (vermeintlich) unvollständige oder
fehlerhafte Dokumentation berichtigt und dabei den
gedanklichen Inhalt verändert. Wenn eine Dokumentation
verändert oder ergänzt wird, müssen die betroffenen Passagen
gekennzeichnet werden; etwa mit "abgeändert am … durch …"
oder "ergänzt am … durch …"
- Fehlerhafte Eintragungen werden
durchgestrichen und gegengezeichnet. Der Text muss dabei
leserlich bleiben. Die Nutzung von Tipp-Ex©, Radierungen
oder Überklebungen ist verboten. Nicht erlaubt ist auch das
Ersetzen einzelner Dokumentationsbögen durch komplett neu
erstellte Dokumente.
- Wenn eine Pflegekraft eine Eintragung
vergisst, so kann sie diese am nächsten Tag nachholen.
Allerdings muss der Mitarbeiter dokumentieren, dass der
Eintrag verspätet erfolgte.
- Keine Urkundenfälschung liegt vor, wenn die Dokumentation
überhaupt nicht dazu gedacht war, für andere zugänglich
gemacht zu werden. Beispiel: Im Rahmen einer internen
Weiterbildung wird am Beispiel eines realen Bewohners das
Führen der Pflegedokumentation geübt. Die Seminarleiterin
trägt in die Übungsdokumentation verschiedene Leistungen
ein, die sie natürlich niemals real erbracht hat. Nach der
Schulung werden die Bögen vernichtet.
Für EDV-gestützte Dokumentationen gelten
die gleichen Regeln. Das Verändern oder Löschen von Eintragungen
ist verboten. Ohnehin akzeptiert der MDK zumeist nur solche
Systeme, die gegen Manipulationen geschützt sind und
verschiedene Sicherheitsmerkmale aufweisen. Etwa:
- Die Software stellt sicher, dass
einmal vorgenommene Eintragungen später nicht spurenfrei
manipuliert werden können. Bei Änderungen wird ein
entsprechender Protokollhinweis automatisch mitgespeichert.
- Durch den Passwortschutz können nur
autorisierte Personen Eintragungen vornehmen. Das Programm
erkennt also, wer ein Dokument anlegen, lesen oder verändern
darf.
- Es werden regelmäßig
fälschungsgeschützte Sicherheitskopien erstellt, die den
tagesaktuellen Zustand der Dokumentation abbilden.
Zum Glück für die Pflegekräfte klicken
nicht nach jedem Tipp-Ex©-Einsatz gleich die Handschellen. Aber
oftmals werden Mitarbeiter gegen ihren Willen in derartige
Verbrechen hineingezogen.
- Im TV-Interview berichte eine
Pflegekraft: "Die Pflegedokumentation wurde eigentlich
regelmäßig gefälscht. Wir wurden dazu ja auch angewiesen.
Wir haben mehrere Male darauf hingewiesen, dass wir alleine
schon Urkundenfälschung machen würden. Aber man hat uns dann
gesagt in dem Fall, das ist unser Geld und wir kriegen nur
das bezahlt, was wir dann auch eintragen. Und es hat keine
Rolle gespielt, ob wir darauf hingewiesen haben oder nicht.
Wir haben Urkundenfälschung begangen, wir haben falsche
Aussagen eingetragen. Alles mit Zustimmung der
Stationsleitung bzw. der Geschäftsführung." (Kontraste©,
Sendung vom 14. August 2003)
- Und wenn die Mitarbeiter beim Schmu
nicht freiwillig mitmachen, greift manch Übeltäter auch
selbst zum Stift und fälscht hundertfach Handzeichen. Fast
500.000 Euro landeten zu Unrecht auf dem Konto einer
Einrichtung in Aachen. So wurden im Pflegeheim offenbar
Senioren versorgt, die tatsächlich in den angeschlossenen
Appartements lebten. Die Heimleiterin, die den guten Namen
ihrer Mitarbeiter für die Fälschungen missbrauchte, war kurz
vor der Aufdeckung in Ruhestand gegangen - aber nicht ohne
sich zuvor von der Belegschaft reich beschenken zu lassen:
Es gab eine Rundreise durch Russland. (Aachener Zeitung© vom
25.11.2003)
- Ohnehin ist es für eine Pflegekraft
nicht eben lukrativ, die Pflegedokumentation für ihren
Arbeitgeber zu fälschen. Das ergaunerte Geld landet
schließlich nicht auf dem privaten Konto sondern auf dem der
Einrichtung. Die Schlussfolgerung: "Wenn schon fälschen,
dann bitte für die eigene Karriere". Das dachte sich wohl auch ein Altenpfleger aus
Göttingen. Dieser ernannte sich zum "Professor Doktor Doktor
honoris causa" und machte eine beeindruckende Karriere als
Gutachter und Fachautor. Ein eigenes Institut samt
Prüfsiegel folgte.
Erst ein Strafbefehl über 900 Euro wegen unrechtmäßigen
Tragens akademischer Titel beendete jäh den Höhenflug. Die
Dokumente, mit denen der Altenpfleger im Nachhinein seine
akademischen Weihen belegen wollte, wirkten auf den
Staatsanwalt dann doch irgendwie merkwürdig. Es folgte ein
zweites Strafverfahren, diesmal wegen Urkundenfälschung. (Spiegel.de©
vom 30. Juni 2004)
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