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Version 3.05a - 2013

Standard "Maßnahmen nach einem Sturz"

 
Wenn Senioren gestürzt sind, unterlaufen Pflegekräften in der Hektik schnell fatale Fehler - und das nicht nur bei Maßnahmen zur ersten Hilfe. Mindestens ebenso häufig sind Missgriffe bei der Dokumentation des Unfalls; eine Steilvorlage für klagefreudige Krankenkassen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihr Pflegeteam schützen können.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".


Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!

 

Standard "Maßnahmen nach einem Sturz"
Definition:
  • Als Sturz bezeichnet man den unkontrollierten freien Fall eines Körpers aus dem Stehen, aus dem Sitzen oder aus dem Liegen.
(Hinweis: Alternative Definition laut Expertenstandard: Ein Sturz ist ein Ereignis, bei dem der Betroffene unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer anderen tieferen Ebene aufkommt.)
  • Bedingt durch die reduzierte Knochenmasse, durch nachlassende Reflexe und durch den Abbau der schützenden Muskulatur führen Stürze bei Senioren häufiger zu Frakturen und zu anderen Verletzungen. Diese Ereignisse stehen dann häufig am Anfang einer stetig fortschreitenden Immobilität.
  • Jeder dritte Senior über 65 Jahre stürzt mindestens einmal pro Jahr. Bei über 80-Jährigen erleidet jeder Zweite mindestens einen Sturz innerhalb dieses Zeitraumes. Noch höher ist diese Rate bei stationär versorgten Senioren. Hier stürzt jeder Bewohner durchschnittlich fast eineinhalb Mal pro Jahr.
  • Bei über 65-Jährigen führt durchschnittlich jeder zehnte Sturz zu Verletzungen, die ärztlich versorgt werden müssen. Davon ist die Schenkelhalsfraktur mit 120.000 Fällen pro Jahr der weitaus häufigste Frakturtyp.
  • Ein Sturz kann überdies erhebliche finanzielle Folgen haben. Die Kosten für den Krankenhausaufenthalt, für operative Eingriffe und für Rehabilitationsmaßnahmen erreichen ggf. fünfstellige Eurobeträge. Ist ein Sturz die Folge eines Fehlverhaltens einer Pflegekraft oder eines organisatorischen Mangels der Einrichtung, wird die Krankenkasse den Verursacher an den Kosten beteiligen. Dazu addieren sich Schmerzensgeldansprüche des Bewohners. Überdies kann es zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen.
Grundsätze:
  • Nach einem Sturz entscheidet vor allem das besonnene Handeln der Pflegekräfte über das Ausmaß der gesundheitlichen Schäden. In der Praxis kann durch falsche oder durch verzögerte Reaktionen ebenso viel Schaden angerichtet werden wie durch den Sturz selbst.
  • Wenn hinreichende Anzeichen für eine Fraktur oder für innere Verletzung sprechen, wird immer ein Notarzt gerufen. Die Folgen eines oder ggf. auch mehrerer Fehlalarme wiegen weniger schwer als eine verzögerte Behandlung bei einem echten Notfall.
  • Der Notruf erfolgt auch dann, wenn der Bewohner diesen nicht wünscht, etwa weil er die Gefährdung nicht korrekt einschätzt.
  • Jedes Ereignis, das auf einen Sturz hindeutet, wird ernst genommen. Selbst wenn der Bewohner zunächst nicht über Schmerzen klagt, wird sein Zustand in den folgenden Stunden engmaschig kontrolliert.
  • Nur bei kleineren äußeren Verletzungen verzichten wir darauf, einen Arzt zu rufen.
  • Jeder Sturz wird sorgfältig und unverzüglich protokolliert. Dieses gilt auch für Ereignisse, die keine Pflegekraft beobachtet hat, die aber die Folge eines Sturzes sein könnten. Beispiel: Ein demenziell erkrankter Bewohner wird neben seinem Bett sitzend vorgefunden. Er kann keine Aussage über die Geschehnisse machen.
  • Nur die Pflegedienstleitung und die Heimleitung sind in Schadensfällen berechtigt, im Namen der Einrichtung schriftlich oder telefonisch mit der Krankenkasse zu kommunizieren. Dazu zählt insbesondere das Verschicken von Dokumentationskopien, Unfallberichten usw.
Ziele:
  • Eine etwaige Gesundheitsschädigung des Bewohners wird korrekt erkannt. Wir leiten zeitnah eine angemessene medizinische Versorgung ein.
  • Die Schmerzbelastung und der emotionale Stress des Bewohners werden minimiert.
  • Der behandelnde Arzt erhält alle Informationen, die für die Diagnose und für die Therapie relevant sind.
  • Der Vorfall und unsere Maßnahmen werden präzise und umfassend dokumentiert. Es gibt keine Lücken und keine Widersprüche in den Unterlagen.
  • Die Einrichtung und die Mitarbeiter werden vor unangemessenen Schadensersatzansprüchen geschützt.
  • Wir erfassen die Ursachen des Sturzes. Diese Informationen werden im Rahmen der Sturzprophylaxe berücksichtigt.
Vorbereitung:
  • Wir achten auf eine fundierte Sturzprophylaxe für alle Bewohner. Der Standard "Sturzprophylaxe" wird sorgfältig umgesetzt.
  • Die richtigen Maßnahmen nach einem Sturz werden regelmäßig im Rahmen der Erste-Hilfe-Ausbildung thematisiert.
  • Die korrekte Dokumentation eines Sturzes sowie die rechtlichen Folgen werden regelmäßig in internen und in externen Fortbildungen vermittelt.
  • Wir halten stets aktuelle Fachliteratur zu diesem Thema bereit.
  • Alle Pflegekräfte werden instruiert, bei telefonischen oder bei schriftlichen Anfragen der Krankenkasse hinsichtlich eines Sturzes auf die Pflegedienstleitung zu verweisen und selbst keine inhaltlichen Angaben zu machen.
  • Wichtig: Im Beisein von Ärzten, Angehörigen oder anderen dritten Personen darf eine Pflegekraft in keinem Fall über die Ursache des Vorfalls spekulieren. Denn: Kommt es zu einem Haftungsprozess, sind diese Personen ggf. Zeugen!
  • Wir achten darauf, dass die Pflegeplanung stets den aktuellen Hilfebedarf des Bewohners widerspiegelt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Gesundheitszustand des Bewohners bessert. Wir vermeiden damit, dass es zu Widersprüchen hinsichtlich der laut Pflegeplanung notwendigen Hilfeleistungen und der am Tag des Ereignisses geleisteten Hilfe kommt. Beispiel: Der Bewohner wird laut veralteter Pflegeplanung bei jedem Gang ins Badezimmer begleitet, war am Tag des Sturzes aber allein unterwegs. Was daran lag, dass er seit einigen Wochen wieder sicher gehen konnte und nach Ansicht der Bezugspflegekraft keine Begleitung mehr brauchte.
Durchführung: erste Maßnahmen nach dem Sturz bzw. nach dem Auffinden des Bewohners
  • Der Bewohner wird mit seinem Namen angesprochen und beruhigt.
  • Bei Herz- und Atemstillstand beginnen wir sofort mit einer Mund-zu-Nase-Beatmung und mit einer Herzmassage. Wir rufen den Notarzt.
  • Die Pflegekraft prüft, ob der Bewohner bei Bewusstsein ist.
  • Bei Bewusstlosigkeit wird der Bewohner in eine stabile Seitenlage gebracht, der Notarzt wird gerufen und es wird ggf. eine Wolldecke gegen die Auskühlung verwendet.
  • Bis zum Eintreffen des Arztes werden permanent die Vitalwerte ermittelt. Ggf. wird der Bewohner reanimiert.
  • Hinweis zur Bewusstseinsprüfung: Wir stellen einfache Fragen, die einer ggf. vorhandenen demenziellen Erkrankung angemessen sind, etwa nach dem eigenen Vornamen oder dem Vornamen der Mutter/des Vaters. Wir beobachten den Bewohner genau, während er antwortet.
(Hinweis für die ambulante Pflege: Die Prüfung der Pupillenweite erfolgt mittels einer kleinen Taschenlampe, die jede Pflegekraft am Schlüsselbund tragen sollte.)
  • Die Pflegekraft misst Puls und Blutdruck. Diese Daten dienen bei späteren Kontrollen als Vergleichswert.
  • Bei Diabetikern wird der Blutzucker gemessen.
  • Die Pflegekraft kontrolliert, ob eine Gehirnerschütterung vorliegt. Anzeichen dafür sind:
    • Übelkeit oder Erbrechen
    • Erinnerungslücken, insbesondere zum Sturzhergang
    • Änderung der Pupillenweite
    • Kopfschmerzen
    • Schwindel
  • Die Aussagekraft der Symptome ist begrenzt. Leicht werden Ursache und Wirkung verwechselt. Es ist wichtig, den Bewohner nach den Geschehnissen direkt vor dem Sturz zu befragen, soweit dieses möglich ist.
    • Beispiel A: Dem Bewohner wurde nach dem Essen plötzlich schlecht. Er eilt in Richtung Toilette und stürzt. Die Übelkeit und ggf. ein Erbrechen sind dann keine Anzeichen für eine Gehirnerschütterung.
    • Beispiel B: Der Bewohner verspürt nachts Harndrang. Er stolpert über den Teppich und verliert in der Aufregung Harn. Dieser Urinverlust ist kein Anzeichen für eine Fraktur (siehe unten).
  • Wir prüfen, ob der Bewohner beim Ereignis seine Brille oder sein Hörgerät verloren hat.
  • Die Pflegekraft fragt den Bewohner nach Schmerzen. Dabei rechnet sie stets damit, dass Schmerzen durch den Schock vielleicht unterdrückt werden.
  • Wir prüfen, ob äußerliche Verletzungen erkennbar sind. Wir inspizieren auch Bereiche, die durch Kleidung verdeckt sind. Insbesondere wird die Hose geöffnet, um die Knie, Unter- und Oberschenkel in Augenschein zu nehmen.
(Es ist hier ggf. wichtig, übereifrige Praktikanten und Hilfskräfte zu bremsen, die den Bewohner sofort wieder auf die Füße stellen wollen. Der Bewohner bleibt am Boden liegen, bis Frakturen und schwere innere Verletzungen ausgeschlossen sind.)
  • Bei Schmerzfreiheit: Alle vier Extremitäten werden vorsichtig durch bewegt, um Frakturen ausschließen zu können. Die Pflegekraft fordert den Bewohner auf, sich auf den Bauch zu drehen. Danach hilft die Pflegekraft dem Bewohner dabei, in den Vierfüßlerstand zu kommen. Der Bewohner soll zunächst ein Bein aufstellen und sich dann aufrichten.
  • Wenn Bewohner über Schmerzen klagen, sich nicht bewegen können, in unnormaler Lage am Boden liegen oder unfreiwillig Harn verlieren, gehen wir von einer Fraktur aus. Dieses auch bei einem hörbaren Knirschen der Gelenke. Eine Pflegekraft alarmiert den Notarzt. Der Bewohner wird nicht in sein Bett gebracht, da durch den Transfer die gesundheitlichen Schäden größer werden könnten. Eine Decke schützt den Bewohner vor der Auskühlung.
  • Der Bewohner wird bis zum Eintreffen des Arztes von einer Pflegekraft überwacht. Wir sprechen mit dem Bewohner zur Beruhigung über vertraute Themen. (Diese ergeben sich aus dessen Biografie).
  • Falls sich der Bewohner übergibt, halten wir die Atemwege frei.
  • Ggf. wird die Krankenhauseinweisung vorbereitet. Insbesondere stellen wir sicher, dass der Weg zum Rettungswagen freigeräumt ist, da der Bewohner liegend transportiert wird.
  • Wenn der Bewohner trotz offensichtlicher Verletzungen das Rufen des Notarztes ablehnt, suchen wir den Dialog mit dem Bewohner und dringen auf eine Änderung seiner Entscheidung. Dafür wird ggf. eine zweite Pflegekraft als Zeuge hinzugezogen. Wenn wir glauben, dass der Bewohner akut verwirrt ist (als Folge des Sturzes), wird dennoch der Notarzt gerufen. Dieses auch, wenn der Bewohner aufgrund einer demenziellen Erkrankung keine Entscheidungen treffen kann.
(Hinweis: Nicht selten sind es auch die Pflegekräfte, die zögern, einen Arzt zu informieren oder den Bewohner in die Arztpraxis fahren zu lassen. Hier spielt vor allem die Angst eine Rolle, dass sich der Vorfall als Bagatelle erweist und der Mediziner verärgert ist. Es ist wichtig, dass Pflegekräfte dennoch im Zweifel immer den Arzt rufen. Sie sichern sich und die Einrichtung damit auch rechtlich ab.)
  • Verbleibt der Bewohner in der Einrichtung, so wird jeweils nach 1, 2, 6, 12 und 24 Stunden der Gesundheitszustand des Bewohners erfasst. Kriterien sind:
    • Bewusstseinszustand
    • Vitalwerte
    • Veränderung der Pupillengröße
    • Schmerzzustand
    • Beweglichkeit
    • Schwellungen / Hämatome
  • 24 Stunden nach dem Sturz kontrollieren wir, ob Hirndruckzeichen vorliegen, etwa Druckpuls oder lichtstarre Pupillen. Die Kontrolle erfolgt ggf. auch in der Nacht.
  • In den folgenden Tagen wird der Bewohner beobachtet; insbesondere hinsichtlich von Veränderungen im Gangbild.
(Hinweis für die ambulante Pflege: Die Überprüfung des Zustandes des Patienten erfolgt ggf. im Rahmen eines oder mehrerer zusätzlicher Kontrolleinsätze.)
Maßnahmen bei Verletzungen
  • Bagatellverletzungen, also etwa Abschürfungen, werden versorgt. Wenn die Beweglichkeit des Gelenks gegeben ist und keine weiteren Verletzungen zu befürchten sind, ist keine Information an den Hausarzt erforderlich. Aber auch bei Bagatellverletzungen ist es notwendig, den Bewohner in den folgenden Stunden regelmäßig erneut zu besuchen und seinen Zustand zu überprüfen.
  • Offene Wunden werden steril bedeckt und ggf. Blutungen mittels eines Druckverbandes gestoppt. Wir fordern ärztliche Hilfe an. Wir prüfen den Tetanusimpfstatus.
  • Jede Wunde, die eine Länge von zwei Zentimetern überschreitet, sollte von einem Arzt untersucht werden.
  • Bewohner mit Nasenbluten werden aufgefordert, den Kopf nach vorne zu beugen und das Blut in einer Nierenschale zu sammeln. Die Pflegekraft legt dem Bewohner kalte Kompressen in den Nacken. Wenn der Bewohner viel Blut verloren hat, wird ein Arzt informiert.
  • Besondere Vorsicht ist geboten bei Bewohnern, die Antikoagulanzien ("Gerinnungshemmer") einnehmen. Der Arzt muss darüber informiert werden.
  • Eine Kühlung von verletzten Körperbereichen bewirkt eine Schmerzlinderung, reduziert Schwellungen und hemmt die Bildung von Hämatomen.
Informationsbeschaffung für die spätere Dokumentation
  • Der Bewohner wird zum Verlauf des Sturzes befragt. Wir fragen insbesondere nach Fremdverschulden, etwa ob er von einem Mitbewohner geschubst wurde.
  • Die Pflegekraft prüft, ob Mitbewohner den Sturz beobachtet haben.
  • Der Sturzort wird in Augenschein genommen. Die Pflegekraft prüft, ob ein Auslöser des Sturzes zu erkennen ist.
Nachbereitung: Richtlinien zur Dokumentation des Sturzes mittels des Sturzprotokolls
  • Das Ereignis wird noch am gleichen Tag sorgfältig d

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