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Vers. 2.01g

Standard "Kultursensible Altenpflege: Islam"

 
Die Betreuung pflegebedürftiger Migranten entwickelt sich zusehends vom belächelten Nischenprodukt zu einem lukrativen Marktsegment - und das nicht nur in klassischen Ballungsräumen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie in Ihrem Team "kultursensible Pflege" umsetzen und die Kluft zwischen den Kulturen überbrücken.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

Dieses Dokument ist auch als Word-Dokument (doc-Format) verfügbar. Klicken Sie hier!



Dieser Standard wurde im Rahmen der Unterrichtseinheit "Kultursensible Pflege" durch die GPA-Klassen 06/11 und 08/11 der Grone-Altenpflegeschule in Hamburg überarbeitet. Beteiligt waren Andrea Martha Becker als Dozentin sowie Pflegeschüler verschiedener Glaubenrichtungen und Nationalitäten; insbesondere also auch Teilnehmer muslimischen Glaubens.

 


Standard "Kultursensible Altenpflege: Islam"
Definition:
  • Unter unseren Bewohnern sind auch zahlreiche Bürger moslemischen Glaubens. Wir möchten diese Mitbürger ihrem Glauben und dessen jeweiliger kultureller Ausprägung gemäß pflegen.
Grundsätze:
  • Wir achten den Islam als Weltreligion.
  • Wir pflegen Bewohner aller Religionen und Weltanschauungen mit der gleichen Wertschätzung.
  • Wir achten die Individualität und Würde des einzelnen Bewohners in der Ausübung seiner religiösen Vorschriften.
  • Wir erwarten von allen Mitarbeitern, dass sie fremde Kulturen und Religionen respektieren
  • Wir dulden in unserer Einrichtung keine geringschätzigen Äußerungen gegen den Islam oder gegen irgendeine andere Glaubensrichtung oder Kultur.
  • Es ist für uns selbstverständlich, dass weibliche moslemische Pflegekräfte ein Kopftuch tragen dürfen, wenn sie es wollen.
  • Jeder Mitarbeiter ist angewiesen, religiösen Vorschriften (etwa bei der Nahrungszubereitung) zu beachten. Nur durch das Einhalten der jeweiligen Vorgaben entsteht das notwendige Vertrauen der Bewohner in unsere Arbeit.
  • Wir beachten die Kleidungsvorschriften. Kleidung soll moslemischer Bewohnerinnen soll die Reize einer Frau verbergen und die Füße bedecken.
  • Wir akzeptieren, dass es in einigen islamischen Kulturen zur Lebensweise gehört, dass Angehörige in sehr großer Zahl zu Besuch kommen.
  • Wir wissen, dass sich die Wahrung der Schweigepflicht gegenüber Angehörigen als schwierig erweisen kann.
  • Wir respektieren, dass im Islam die Frau dem Mann häufig untergeordnet ist. Wir stimmen mit der Frau ab, inwiefern das männliche Familienoberhaupt um Erlaubnis gefragt wird.
Ziele:
  • Wir möchten unseren moslemischen Bewohnern ein Leben und Sterben im Einklang mit ihren Werten und Traditionen ermöglichen.
  • Das Zusammenleben von moslemischen und nichtmoslemischen Bewohnern soll möglichst harmonisch verlaufen.
  • Die moslemischen Bewohner können darauf vertrauen, dass unsere Mitarbeiter die jeweiligen Glaubensvorschriften individuell befolgen.
  • Der Kontakt zu Angehörigen soll freundschaftlich und konstruktiv sein.
Vorbereitung:
  • Unsere Mitarbeiter werden regelmäßig in die Inhalten, Werten und religiösen Vorschriften des Islams eingewiesen.
  • Bei Erstgesprächen ist stets zusätzlich eine Pflegekraft/Dolmetscher (kann auch ein Angehöriger sein) anwesend, die die Sprache des zukünftigen Kunden fließend spricht.
  • Unser Heimprospekt liegt auch in verschiedenen Sprache vor.
  • Wir pflegen einen intensiven Kontakt zu den islamischen Gemeinden in unserer Nachbarschaft.
  • Wir bemühen uns, moslemische und nichtmoslemische bzw. streng gläubige und nicht strenggläubige Bewohner nicht in einem Doppelzimmer unterzubringen.
  • Gemeinsam mit der Küchenleitung ermöglichen wir auf Wunsch, dass Moslems:
    • kein Schweinefleisch angeboten wird. Dies umfasst auch alle Nahrungsprodukte, die Schweinefleisch nur in geringen Beimengungen beinhalten.
    • nur Fleisch angeboten wird, dass nach moslemischen Schlachtungsvorschriften hergestellt wurde.
    • keine Lebensmittel angeboten werden, die mit Schweinefleisch in Berührung gekommen sein könnten.
    • nur dann Lebensmittel angeboten werden, wenn diese auch tatsächlich hungrig sind.
    • keine Lebensmittel angeboten werden, die Alkohol selbst in geringen Mengen beinhalten.
    • keine alkoholischen Getränke angeboten werden
  • Wir stellen moslemischen Bewohnern für Gebete einen eigenen Raum zur Verfügung.
  • Moslemischen Bewohnern werden nach Möglichkeit moslemische Bezugspflegekräfte zugeordnet. Diese übernehmen insbesondere die Sterbebegleitung, sofern dieses nicht von Angehörigen geleistet werden kann.
Durchführung:
  • Zumindest im Früh- und Spätdienst sollte nach Möglichkeit eine Pflegekraft eingeteilt werden, die über die notwendigen kulturellen oder sprachlichen Kenntnisse verfügt.
  • Wenn es für eine moslemische Frau wichtig ist, Nahrungsmittel nur dann zu sich nehmen, wenn sich keine nichtverwandten Männer im Raum befinden, werden männliches Pflegepersonal, andere Bewohner oder männlicher Besuch einer Bettnachbarin freundlich vor die Tür gebeten.
  • Intime pflegerische Tätigkeiten an moslemischen Bewohnern werden ausschließlich von gleichgeschlechtlichen Pflegekräften durchgeführt.
  • Wir begehen moslemische Feiertage auf traditionelle Weise für die Bewohner, die es wünschen.
  • Wir ermöglichen es Bewohnern, im Fastenmonat Ramadan Nahrungsmittel nur vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang zu sich zu nehmen, falls der Gesundheitszustand dieses erlaubt. Der Koran erlaubt Ausnahmen vom Fasten etwa für Kranke und altersgeschwächte Menschen. Dieses umfasst etwa Ausnahmen zur Einnahme von Medikamenten oder Nahrungsaufnahme, die durch Diabetes notwendig ist.
  • Rektale Temperaturmessungen während des Fastenmonats werden nur nach ausdrücklicher Zustimmung praktiziert.
  • Wir beachten, dass moslemische Bewohner vieles als unrein empfinden, etwa Hunde, Blut, Schweiß oder Urin. Wir ermöglichen nach einem Kontakt, dass sich Bewohner reinigen können.
  • Verunreinigte Bettwäsche wird umgehend gewechselt.
  • Der Mundpflege des Bewohners wird größte Aufmerksamkeit geschenkt.
  • Sofern es die Umstände erlauben ermöglichen wir moslemischen Bewohnern mit Hilfe ihrer Angehörigen fünf Waschungen pro Tag, damit diese ihre Gebete verrichten können.
  • Reinigungen sind nur mit fließendem Wasser möglich, auch bei bettlägerigen Bewohnern. Wir nutzen Krüge, mit denen wir etwa Hände und Füße begießen. Das Wasser wird in Waschschüsseln gesammelt.
  • Wenn eine größere Wunde die Waschungen unmöglich macht, kann ggf. nach Rücksprache mit einem Geistlichen auf den Einsatz von Wasser teilweise verzichtet werden.
  • Vor wichtigen Maßnahmen (etwa Operationen) wird bei Bedarf das männliche Familienoberhaupt informiert und um Zustimmung gebeten.
Sterbebegleitung:
  • Anmerkung: Normalerweise ist die Sterbebegleitung Aufgabe der Verwandten und der moslemischen Gemeinde.
  • Wenn sich der Tod abzeichnet, ist der Bewohner so zu lagern, dass die Füße nach Südosten zeigen. Der Bewohner blickt also in Richtung Mekka.
  • Wir informieren Angehörige rechtzeitig über den nahenden Tod, damit sie dem Bewohner die Ehre erweisen und Vergebung erfahren können.
  • In manchen islamischen Kulturen wird der Tod wird in Gegenwart des Sterbenden nicht erwähnt. Wir erkundigen uns, ob dies jeweils der Fall ist.
  • Da ein Moslem nicht durstig sterben darf, ist besonders sorgfältig auf die Flüssigkeitsversorgung zu achten.
  • Wir akzeptieren, dass die Reaktionen der Angehörigen auf den Tod eines Bewohners heftig und emotional ausfallen können.
  • Verstorbene moslemische Bewohner dürfen nur von moslemischen Pflegekräften versorgt werden. Sollte sich ein Kontakt - beim besten Willen - nicht vermeiden lassen, so müssen Pflegekräfte in jedem Fall Schutzhandschuhe tragen.
  • Wir ermöglichen dem Sterbenden auf Wunsch das Lesen im Koran bzw. das Hören der Suren durch eine andere moslemische Person.
  • Wir ermöglichen Sterbenden das Sprechen des Totengebetes und das Heben des Fingers zum Himmel. Nichtmoslemische Pflegekräfte dürfen niemals mit moslemischen Bewohnern beten.
  • Nach Eintritt des Todes wird das Fenster geöffnet, damit die Seele des Verstorbenen den Weg nach draußen findet.
  • Die Arme des Verstorbenen werden an der Körperseite gelagert, der Kopf weist nach rechts und das Gesicht in Richtung Südost (nach Mekka).
  • Die reguläre Leichenwäsche unterbleibt. Dieses wird von der islamischen Gemeinde durchgeführt.
Nachbereitung:
  • Probleme in der Pflege moslemischer Bewohner werden im Qualitätszirkel diskutiert.
  • Auch nach dem Tod eines moslemischen Bewohners versuchen wir, Kontakt zur Familie zu halten.
Dokumente:
  • Pflegedokumentation
Verantwortlichkeit / Qualifikation:
  • Bezugspflegekraft

 
   
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Kultur; Islam; Migranten; Pflege, kultursensible
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