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Version 1.07 |
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Standard "Abschließen der Haustür" (ambulante Pflege) |
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Pflegekräfte als Gefängniswärter? Zumindest aus
juristischer Sicht ist diese Grenze schnell überschritten. Mitarbeiter
eines ambulanten Dienstes sollten sich zweimal überlegen, ob sie
Demenzkranke in ihrer Wohnung einschließen. Mit einem Standard samt
Mustertext für eine Genehmigung können Sie Ihr Team wirksam absichern. |
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Wichtige Hinweise:
- Zweck unseres Musters ist es
nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser
Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die
Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
- Unverzichtbar ist immer auch eine
inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne
Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige
Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
- Dieser Standard eignet sich für
die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch
ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".
Dieser Artikel wird aktuell überarbeitet. Wir stellen hier in Kürze eine neue Version online.
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Standard "Abschließen der
Haustür" (ambulante Pflege) |
Definition:
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- Viele der von uns betreuten Klienten sind
demenziell erkrankt. Zum Krankheitsbild gehört oft auch eine
Weglauftendenz. Der alte Mensch ist desorientiert und glaubt, dass er
an seinem "Arbeitsplatz" oder "zuhause" erwartet wird. Ohne Rücksprache
mit den Angehörigen oder dem Pflegedienst entweicht er aus seiner
Häuslichkeit und irrt dann orientierungslos umher.
- Eine vordergründig wirksame Lösung des Problems
ist es, den Bewohner in seiner Wohnung einzusperren. Der Pflegedienst
erhält einen eigenen Schlüssel und verschließt dann nach jedem Einsatz
die Tür.
- Ein solches Vorgehen ist jedoch riskant. So
wird der Klient etwa bei einem Hausbrand daran gehindert, aus der
Wohnung zu entkommen. Gleichzeitig wird das Betreten des Hauses etwa
durch die Feuerwehr oder durch einen Notarzt erschwert und verzögert.
Eine weitere Gefährdung ergibt sich, wenn der eingeschlossene Klient
nach alternativen Ausgängen sucht und z. B. aus dem Fenster klettert.
- Rechtlich zählt das Einschließen in der Wohnung
zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen und ist strafbar, sofern keine
Legitimation dafür vorliegt. Wenn der Klient einwilligungsfähig ist,
muss er also zustimmen. Bei altersverwirrten Menschen ist die
Genehmigung durch den Betreuer bzw. durch das Vormundschaftsgericht
erforderlich (siehe unten).
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Grundsätze:
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- Die Sicherheit unserer Klienten ist unser
oberstes Anliegen. Gleichzeitig sind wir stets bestrebt, die Wünsche
der pflegenden Angehörigen zu berücksichtigen. Um diese Ziele zu
erreichen, dürfen aber niemals Freiheitsrechte verletzt werden.
- Bei allen Fragen zu freiheitsentziehenden
Maßnahmen ist stets die Schriftform zu wählen. Insbesondere
Genehmigungen müssen stets schriftlich und unterschrieben vorliegen.
Mündliche Zusagen sind im Streitfall oftmals nicht beweisbar.
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Ziele:
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- Eine Gefährdung des Klienten wird minimiert.
- Die Ängste der Angehörigen werden
berücksichtigt.
- Alle rechtlichen Vorgaben werden erfüllt.
Insbesondere droht unseren Mitarbeitern keine juristische Verfolgung.
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Vorbereitung: |
- Wir beraten Angehörige, wie sie durch geeignete
Maßnahmen ein Weglaufen des Klienten verhindern können, ohne die Tür
abzuschließen. Häufig ist es ausreichend, die Tür mit einem Vorhang zu
verdecken oder diese in der gleichen Farbe wie die Wand zu streichen.
- Wenn es nach unserer Einschätzung unverzichtbar
ist, die Tür zu verschließen, regen wir gemeinsam mit den Angehörigen
die Einrichtung einer Betreuung an.
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Durchführung:
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- Wir schließen den Klienten nur dann in seiner
Wohnung ein, wenn dafür eine Legitimation vorliegt:
- Der Klient ist orientiert, aber in seiner
Mobilität eingeschränkt. Er wünscht, dass die Tür verschlossen wird,
etwa weil er sich vor Einbrechern fürchtet. Er selbst kann die Tür nur
unter großer Mühe erreichen. Eine kurze, formlose Einwilligung durch
den Klienten liegt uns schriftlich vor.
- Der Klient ist demenziell erkrankt und lebt
bei einem Angehörigen. Dieser ist an der Pflege beteiligt und als
Betreuer bestellt. Zum Aufgabenkreis gehört auch die "Entscheidung über
freiheitsentziehende Maßnahmen in der eigenen Häuslichkeit". Der
Angehörige bittet uns, die Tür abzuschließen.
- Der Klient ist demenziell erkrankt und lebt
allein. Angehörige sind an der Pflege nicht beteiligt. Es wurde ein
Betreuer bestellt. Der Betreuer hat beim Vormundschaftsgericht eine
Genehmigung erwirkt, die das Festhalten des Klienten in der eigenen
Wohnung erlaubt. Der Auftrag zum Abschließen der Wohnungstür (siehe
unten) liegt uns schriftlich vor.
- Der Bewohner wird nicht eingeschlossen, wenn
die gesetzliche Legitimation dafür fehlt oder unklar ist:
- Der Klient ist dement, steht aber noch nicht
unter Betreuung. Angehörige bitten uns, die Tür nach dem Einsatz
abzuschließen. In diesem Fall regen wir die rasche Einleitung eines
Betreuungsverfahrens an.
- Der Betreuer weist uns an, die Tür
abzuschließen. Zu seinem Aufgabenkreis gehört dieser Aspekt aber nicht,
sondern z. B. lediglich die Vermögenssorge. In diesem Fall muss der
Aufgabenkreis entsprechend erweitert werden.
- Wenn wir uns über die rechtliche Lage im
Unklaren sind, wenden wir uns an das Vormundschaftsgericht. Wir bitten
um eine schriftliche Stellungnahme. Wenn der Richter nur telefonisch
Auskunft erteilt, werden seine Vorgaben sorgfältig dokumentiert. Falls
möglich sollte eine zweite Pflegekraft als Zeuge bei dem Telefonat
anwesend sein und das Protokoll ebenfalls abzeichnen.
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Nachbereitung: |
- Die Thematik und die Erfahrungen der
Pflegekräfte werden regelmäßig in Teamgesprächen behandelt.
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Dokumente: |
- Formular: "Auftrag zum Abschließen der
Wohnungstür"
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Verantwortlichkeit
/ Qualifikation: |
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Mustertext:
Auftrag zum Abschließen der Wohnungstür |
Name des Klienten:
Die Mitarbeiter des Pflegedienstes "Pflege mit Herz" werden damit
beauftragt, die Haus- bzw. die Wohnungstür O nach jedem Pflegeeinsatz /
O in der Zeit von __ Uhr bis __ Uhr abzuschließen. Alle dafür
notwendigen Kriterien sind erfüllt:
- Es gibt einen Pflegevertrag zwischen dem
Pflegedienst und dem Klienten.
- Der Betreuer hat einen Betreuerausweis
vorgelegt. Eine Kopie befindet sich in unseren Akten.
- Der Aufgabenkreis umfasst die "Entscheidung
über freiheitsentziehende Maßnahmen in der eigenen Häuslichkeit".
- Eine Genehmigung (sofern erforderlich) durch
das Vormundschaftsgericht liegt vor.
- Der Betreuer wurde von uns zu möglichen
Alternativen beraten. Ihm wurde auch verdeutlicht, dass ein
Einschließen des Klienten diesen z. B. bei einem Brand gefährden
könnte. Er ist dennoch der Ansicht, dass das Krankheitsbild des
Klienten es erfordert, dass dieser in seiner Wohnung eingeschlossen
wird.
- Es wurde Vorsorge getroffen, dass der Klient im
Notfall Hilfe holen kann, etwa über ein Rufsystem. Es ist gleichzeitig
gewährleistet, dass ein Notarzt die Wohnung betreten kann. Dafür wurde
ein Schlüssel z. B. beim Nachbarn hinterlegt.
Ort / Datum / Unterschrift des Betreuers
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Weitere Informationen
zu diesem Thema |
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Schlüsselwörter für diese Seite |
Haustür; Schlüssel;
Demenz; Fixierung; Freiheitsberaubung |
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Genereller
Hinweis zur Nutzung des Magazins: Zweck unserer Muster und
Textvorlagen ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch
kopiert zu werden. Alle Muster müssen in einem Qualitätszirkel
diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
Unverzichtbar ist häufig auch eine inhaltliche Beteiligung der
jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt
angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen
bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert. |
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