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Information für pflegende Angehörige zu freiheitsentziehenden Maßnahmen

 
Freiheitsentziehende Maßnahmen sind für viele pflegende Angehörige ein wichtiges Thema. Gerade Angehörige, die Demenzkranke zu Hause versorgen, kennen das Problem: Der Demenzkranke verlässt unbemerkt die Wohnung und irrt dann orientierungslos draußen umher.
 

Wichtige Hinweise:

  • Zweck unseres Musters ist es nicht, unverändert in das QM-Handbuch kopiert zu werden. Dieser Pflegestandard muss in einem Qualitätszirkel diskutiert und an die Gegebenheiten vor Ort anpasst werden.
  • Unverzichtbar ist immer auch eine inhaltliche Beteiligung der jeweiligen Haus- und Fachärzte, da einzelne Maßnahmen vom Arzt angeordnet werden müssen. Außerdem sind etwa einige Maßnahmen bei bestimmten Krankheitsbildern kontraindiziert.
  • Dieser Standard eignet sich für die ambulante und stationäre Pflege. Einzelne Begriffe müssen jedoch ggf. ausgewechselt werden, etwa "Bewohner" gegen "Patient".

 

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Information für pflegende Angehörige zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
Freiheitsentziehende Maßnahmen sind für viele pflegende Angehörige ein wichtiges Thema. Gerade Angehörige, die Demenzkranke zu Hause versorgen, kennen das Problem: Der Demenzkranke verlässt unbemerkt die Wohnung und irrt dann orientierungslos draußen umher. Dabei ist natürlich auch die Gefahr sehr groß, dass es etwa in Großstädten zu Verkehrsunfällen kommen kann. Auf dem Land verläuft sich der Pflegebedürftige etwa im Wald und wird unter Umständen nicht rechtzeitig vor Einbruch der Nacht gefunden.
Oder eine andere sehr typische Situation: Die bettlägerige Mutter ist nachts sehr unruhig und versucht ständig, aus dem Bett auszusteigen und droht zu stürzen und sich zu verletzen.
Um diesen Gefahren aus dem Weg zu gehen, liegt es nahe, Maßnahmen durchzuführen, die das verhindern.

Mit diesem Informationsblatt wollen wir Ihnen aufzeigen, wann Sie zu einzelnen freiheitsentziehenden Maßnahmen greifen dürfen, um eine erhebliche Selbstgefährdung zu vermeiden. Aber auch welche alternativen Maßnahmen oft einfacher und ohne diesen gravierenden Eingriff in die Freiheit des Einzelnen anzuwenden sind.

Was sind freiheitsentziehende Maßnahmen?

Unter freiheitsentziehenden Maßnahmen versteht man Handlungen, die es dem Pflegebedürftigen unmöglich machen, das Bett, ggf. den Rollstuhl oder die Wohnung zu verlassen.
Diese Maßnahmen werden immer dann nötig, wenn eine große Gefahr für den Pflegebedürftigen besteht, dass sich dieser selbst massiv gefährdet. Darunter fallen z.B. folgende Maßnahmen:
  • hochfahren des Bettgitters
  • Fixierungsgurte u.Ä. im Bett oder im Rollstuhl
  • Verschließen von Türen. Begrenzung des Bewegungsspielraumes auf das eigene Zimmer oder auf die Wohnung
  • Nutzung von Trickschlössern, Einbau von Schließsystemen mit Chipkarten
  • Nutzung von Alarmsystemen, die anzeigen, wenn der Angehörige das Haus oder die Wohnung verlassen will
  • Anwendung von körperlicher Gewalt
  • Nutzung von Drohungen oder anderem psychischen Druck
  • Verabreichung von sedierenden (schläfrig machenden) Psychopharmaka
  • dauerhaftes Feststellen der Rollstuhlbremse
  • Nutzung von Schlafsäcken, die nur durch die pflegenden Angehörigen geöffnet werden können.
  • Wegnahme von Kleidung, Schuhen oder anderen Hilfsmitteln, die für die Mobilität benötigt werden
Freiheitsentziehende Maßnahmen sind ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte eines jeden Menschen. Sie dürfen daher nicht ohne einen triftigen sog. "Rechtfertigungsgrund" durchgeführt werden.
Sollten Sie einem pflegebedürftigen Angehörigen ohne wichtigen Grund und Anlass die Freiheit entziehen, machen Sie sich strafbar. Freiheitsentziehende Maßnahmen sollten nur als letztes Mittel eingesetzt werden.

Muss ich mich als pflegender Angehöriger vom zuständigen Amtsgericht als Betreuer einsetzen lassen?

Theoretisch: nein. Als Privatperson mit einem zu pflegenden Angehörigen muss man sich nicht als Betreuer einsetzen lassen. Der Gesetzgeber wollte die Hürden nicht zu hoch legen in der häuslichen Pflege. Dennoch spricht nichts dagegen, doch eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis:  "Entscheidung über freiheitsentziehende Maßnahmen in der eigenen Häuslichkeit" anzuregen. Der Vorteil liegt darin, dass man dann Betreuer und pflegender Angehöriger in einer Person ist. Damit vermindern Sie das Risiko, dass Sie sich unwissentlich strafbar machen. Denn freiheitsentziehende Maßnahmen sind und bleiben ein gravierender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Pflegebedürftigen.
Sie können auch bei Zeiten dafür sorgen, dass ihre älteren Angehörigen aber auch sie selbst eine Vorsorgevollmacht schriftlich fixieren. Mit dieser Vorsorgevollmacht bestimmen Sie, wer im Fall der Fälle als Ihr Betreuer eingesetzt werden soll.

Darf ich als pflegender Angehöriger freiheitsentziehende Maßnahmen durchführen? Was muss ich dabei beachten?

Ja, Sie dürfen freiheitsentziehende Maßnahmen durchführen, aber nur, wenn es tatsächlich wichtige Gründe dafür gibt. Wichtige Gründe liegen immer dann vor, wenn eine erhebliche Selbstgefährdung besteht.
Beispiel: Ein Ehemann, der unter Alzheimer leidet, muss für zwei Stunden allein in der Wohnung bleiben, weil die Ehefrau in der Zeit einen Arzttermin wahrnehmen muss. Er würde immer wieder die Wohnung verlassen, die direkt an einer verkehrsreichen Straße liegt. Es bleibt der Ehefrau nichts anderes übrig, als ihn in der Wohnung für diese Zeit einzuschließen. Durch die verkehrsreiche Straße ist eine gegenwärtige, unmittelbare und konkrete Gefahr gegeben.
Nur wenn diese Faktoren zutreffen, dürfen Sie als Angehörige freiheitsentziehende Maßnahmen durchführen.

Zudem müssen weitere Bedingungen erfüllt werden:
  • Die Maßnahmen müssen zeitlich begrenzt bleiben.
  • Sie müssen die einzige Möglichkeit sein, die Gefahr abzuwenden und somit dem Wohl des Betreffenden dienen.
  • Der Nutzen der Freiheitsentziehung muss größer sein als der mögliche Schaden.
  • Die ergriffene freiheitsentziehende Maßnahme muss die geringstmögliche sein, also die, die am wenigsten die Freiheit einschränkt.
Wenn es dann doch notwendig wird, freiheitsentziehende Maßnahmen anzuwenden, sollten Sie unbedingt Folgendes beachten:
  • Wenn Sie Fixierungsmaßnahmen durchführen, nehmen Sie nur solche Fixierungshilfsmittel, die für diesen Zweck zugelassen sind. Benutzen Sie auf keinen Fall Eigenkonstruktionen, wie etwa Gürtel oder Seile.
  • Achten Sie darauf, Fixierungen richtig anzulegen, also nicht zu eng am Körper aber auch nicht zu weit. Bei unsachgemäßer Anwendung kann es zu erheblichen Verletzungen bis hin zum Tod des Fixierten kommen.
  • Wenn der Betreffende fixiert ist, schauen Sie regelmäßig nach ihm und geben ihm die notwendige Betreuung. Lassen Sie ihn nie lange allein.
Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen

Bedenken Sie als Angehörige ebenfalls, dass es auch Alternativen gibt. Fixierende Maßnahmen sollten immer als letztes Mittel angewendet werden, nach Möglichkeit überhaupt nicht!
Folgende Alternativen können überlegt werden:
  • Erkundigen Sie sich in Ihrer Umgebung, ob es Betreuungsmöglichkeiten für Ihren Angehörigen gibt, etwa eine Tagespflegeeinrichtung, einen Nachbarschaftsverein oder Ähnliches. So ließe sich ggf. eine stundenweise Betreuung in der Wohnung oder auch in einer Einrichtung realisieren.
  • "Verschleiern" Sie Ihre Haustür. Sie können etwa eine Decke aufhängen, die möglichst die gleiche Farbe der sie umgebenden Wände hat. Oder Sie stellen einen Paravent auf.
  • Alternativ bringen Sie die Türklinke anders als gewöhnlich an, sodass sie etwa hochgedrückt statt heruntergedrückt werden muss, um die Tür zu öffnen.
  • Geben Sie Ihrem Angehörigen ein Smartphone in einer gesicherten Innentasche der Jacke oder des Mantels mit. Smartphones verfügen in der Regel über eine GPS-Ortung. So können Sie mit einem speziellen Programm immer überwachen, wo sich der Betreffende gerade befindet.
  • Lassen Sie Hut, Jacke / Mantel und ggf. den Spazierstock des Angehörigen nicht so offensichtlich liegen. Manch ein Demenzkranker geht ohne diese Gegenstände nicht aus dem Haus.
  • Bieten Sie Ihrem Angehörigen Beschäftigungsmöglichkeiten an, so dass er abgelenkt wird von seinem Bewegungsdrang.
  • Gehen Sie regelmäßig spazieren, damit der Demenzkranke seinen Bewegungsdrang auch ausleben kann.
  • Legen Sie bei Sturzgefahr aus dem Bett einfach eine zweite dicke Matratze vor das eigentliche Bett. Achten Sie auch darauf, bei einem verstellbaren Bett dieses auf die niedrigste Stufe zu fahren.
  • Statten Sie Ihren Angehörigen mit Hüftschutzprotektoren aus, um einen Oberschenkelhalsbruch bei einem Sturz zu vermeiden.
  • Bei Gangunsicherheiten kann auch zur Stabilisierung ein Kraft- und Balancetraining durchgeführt werden.
  • Mittlerweile gibt es auch technische Hilfen, die einen Alarm auslösen, sobald z.B. ein Bettlägeriger aufsteht und sein Bett verlassen will. Das wird technisch mit einer Alarm-Sensormatte mit Steuergerät gelöst. Die Sensormatte kann etwa im Bett, im Rollstuhl oder im Sessel platziert werden. Sollte Ihr Angehöriger dann aufstehen, wären Sie schnell in der Lage zu reagieren. So könnte ggf. auf einen Bauchfixierungsgurt verzichtet werden.

Darf ich unseren ambulanten Pflegedienst mit der Durchführung freiheitsentziehender Maßnahmen beauftragen?
  • Nein. Der ambulante Pflegedienst darf ohne richterliche Genehmigung keine freiheitsentziehenden Maßnahmen durchführen. Damit würden sich die Pflegekraft und der Inhaber des ambulanten Pflegedienstes strafbar machen.
Wann liegen keine freiheitsentziehenden Maßnahmen vor?

  • Es liegen keine freiheitsentziehenden Maßnahmen vor, wenn der Pflegebedürftige einsichtsfähig ist und bestimmte Maßnahmen selbst wünscht. Einsichtsfähigkeit liegt dann vor, wenn der Pflegebedürftige bei klarem Verstand ist und seine Handlungen realistisch absehen kann. So kann er bestimmen, dass zur Nacht das Bettgitter hochgezogen werden soll, weil er sich damit sicherer fühlt vor dem Herausfallen aus dem Bett.
  • Auch bei Menschen, die sich nicht mehr willentlich fortbewegen können (z.B. bei Koma oder bei Wachkoma), sind solche Maßnahmen rechtlich unbedenklich. Denn Betroffenen kann die Freiheit gar nicht mehr entzogen werden.
 
 
 
 
Weitere Informationen zu diesem Thema
Schlüsselwörter für diese Seite Beratung; Demenz; Betreuung; Fixierung
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